Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand

 

Leitsatz (NV)

1. Die Voraussetzungen für die Steuervergünstigung liegen - trotz (formaler) Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Vermögen der Gesamthand - dann nicht vor,

a) wenn dieser durch gesellschaftsvertragliche Abrede im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt ist, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesellschaft und bei deren Beendigung über das Gesamthandsvermögen nicht wie ein Eigentümer anteilig an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. November 1988 II R 188/84; BFHE 155, 171, BStBl II 1989, 201) oder

b) wenn und soweit dieser entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. Senat in BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429).

2. Bei einem Zeitraum von etwas mehr als drei Monaten besteht noch ein ,,zeitlicher Zusammenhang".

 

Normenkette

GrEStG Berlin § 15 Abs. 2 (= GrEStG 1983 § 5 Abs. 2)

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde am 9. Januar 1980 von der A-GmbH als Komplementärin ohne Einlage und der B-Bank als Kommanditistin mit einer Einlage von 20 000 DM gegründet. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 2. März 1980 war Gesellschaftszweck der Erwerb und die Verwaltung eines Wohn- und Geschäftshauses sowie der Erwerb, der Betrieb und die Verwaltung eines Parkhauses und sämtliche zugehörigen Geschäfte. Am 22. Dezember 1980 stand der Bank ein Anteil von 99 v. H. am Vermögen der KG zu. Durch Vereinbarung vom 2. April 1981 wurde die Firma der Klägerin in X-GmbH & Co. KG geändert. Die Kommanditeinlage der Bank wurde von 20 000 DM auf 1200 DM herabgesetzt, die bisherige Komplementärin trat aus der Gesellschaft aus, die X-GmbH trat als Komplementärin in die Gesellschaft ein. Dem entsprachen die Anmeldung zum Handelsregister vom 2. April 1981, eine notarielle Bestätigung vom 18. Dezember 1981 sowie ein weiterer - den am 2. April 1981 vereinbarten Kommanditgesellschaftsvertrag bestätigender - notarieller Kommanditgesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1981. Danach waren persönlich haftender Gesellschafter Herr X mit einer Einlage von 18 600 DM und die X-GmbH mit einer Einlage von 200 DM, Kommanditistin war die Veräußerin mit einer Einlage von 1200 DM. Die Kapitalkonten wurden in Höhe der bedungenen Einlagen als Festkonten geführt.

Die Bank erwarb durch Zuschlag vom 22. Mai 1980 Grundstücke. Am 22. Dezember 1980 veräußerte die Bank diese Grundstücke an die Klägerin.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte für den Erwerbsvorgang vom 22. Dezember 1980 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Dabei berücksichtigte es nach § 15 Abs. 2 des damals geltenden Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) eine anteilige Steuerbefreiung in Höhe von 6 v. H. der Bemessungsgrundlage.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß der Klägerin nach § 15 Abs. 2 GrEStG eine anteilige Steuerbefreiung in Höhe von 99 v. H. zustünde. Dies entspreche der vermögensmäßigen Beteiligung der grundstückseinbringenden Bank zum Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgangs.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Der Klägerin stünde eine anteilige Steuerbefreiung in Höhe von 99 v. H. zu. Zwar seien die Grundstückseinbringung durch die Bank und deren anschließende Beteiligungsreduzierung Teil eines Gesamtplans gewesen. Dem stünde auch nicht entgegen, daß nicht schon alle später verwirklichten Umstände in ihren Einzelheiten bekannt und geplant gewesen seien. Bei einem Zeitraum von über drei Monaten bestünde jedoch kein ,,zeitlicher Zusammenhang" mehr.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs. 2 GrEStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat § 15 Abs. 2 GrEStG (= § 5 Abs. 2 GrEStG 1940/1983) unzutreffend ausgelegt. Entgegen der Auffassung des FG steht der Klägerin eine Steuervergünstigung nach dieser Vorschrift nur in der bereits vom FA berücksichtigten Höhe zu.

1. Nach § 15 Abs. 2 GrEStG wird die Steuer beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks aufgrund des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts wirtschaftlich insoweit zu keiner Veränderung führt, als der veräußernde Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung auch am Grundstück(swert) beteiligt bleibt. Das Gesetz berücksichtigt damit erklärtermaßen (vgl. Gesetzesbegründung, RStBl 1940, 387, 398) wirtschaftliche Gesichtspunkte. Trotz des Rechtsträgerwechsels unterbleibt eine Besteuerung insoweit, als sich die uneingeschränkte Berechtigung des bisherigen Alleineigentümers am Grundstück in Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen fortsetzt; denn Eigentümer des Gesamthandsvermögens sind die einzelnen Gesellschafter, wenn auch mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam in gesamthänderischer Verbundenheit. Die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen treffen gleichermaßen - wenn auch nur anteilig - den Gesamthandsberechtigten. Sinn und Zweck der Steuervergünstigung verlangen daher, daß sich das bisherige Alleineigentum auch tatsächlich in der geschilderten Weise am Gesamthandseigentum fortsetzt (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429). Dementsprechend liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung - trotz (formaler) Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Vermögen der Gesamthand - dann nicht vor,

a) wenn dieser durch gesellschaftsvertragliche Abrede im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt ist, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesellschaft und bei deren Beendigung über das Gesamthandsvermögen nicht wie ein Eigentümer anteilig an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt (vgl. dazu Senatsurteil vom 9. November 1988 II R 188/84, BFHE 155, 171, BStBl II 1989, 201) oder

b) wenn und soweit dieser entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen überträgt (vgl. Senat in BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429). Dem zeitlichen Moment mißt der Senat neben dem sachlichen Zusammenhang deshalb Bedeutung zu, weil in der Regel davon auszugehen ist, daß bei einer zur Einbringung (Veräußerung) zeitnahen Änderung des Beteiligungsverhältnisses des Grundstücksübertragenden diesem eine vermögensmäßige Beteiligung am Grundstücks(wert) nicht weiter zusteht.

Dabei macht es in bezug auf die Steuervergünstigung keinen Unterschied, ob der Einbringende (Veräußerer) seine gesamthänderische Beteiligung plangemäß völlig (durch Ausscheiden aus der Gesellschaft) oder teilweise (durch Verminderung seiner Beteiligung) aufgibt oder ob sich seine Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesellschafter verringert. Die Steuervergünstigung knüpft nämlich gerade nicht an die Gesellschafterstellung (die Mitgliedschaft) als solche an, sondern an die ,,Höhe des Anteils . . . am Vermögen der Gesamthand". Begünstigungsfähig ist daher der Erwerb durch die Gesamthand nur in dem Ausmaß, in dem der Einbringende (der Veräußerer) am Wert des Grundstücks beteiligt bleibt.

2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den im Streitfall vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), führt dazu, daß die von der Klägerin begehrte weitere Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 GrEStG nicht in Betracht kommt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich dies bereits aus dem oben unter 1. a) dargestellten Gründen ergibt, denn jedenfalls folgt das aus dem oben unter 1. b) dargestellten Grund.

Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß die Grundstücksveräußerung und die Beteiligungsreduzierung durch die veräußernde Bank Teile eines am Stichtag gewollten Gesamtplans waren. Damit wird sinngemäß - wenn auch vom FG nicht ausdrücklich so bezeichnet - auch der sachliche Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen bejaht. Dieser sachliche Zusammenhang ergibt sich daraus, daß der Grundstückseinbringende seine Beteiligung entsprechend und in Verwirklichung des von Anfang an bestehenden Plans tatsächlich verringert hat.

Entgegen der Auffassung des FG besteht auch bei einem Zeitraum von etwas mehr als drei Monaten zwischen Einbringung des Grundstücks und Verringerung der Beteiligung des Einbringenden noch ein ,,zeitlicher Zusammenhang". In einer derart kurzen Zeitspanne werden die mit dem Grundstückseigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen regelmäßig weder verwirklicht noch normalerweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt.

Die Entscheidung des FG beruht auf anderen Grundsätzen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 132

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