Leitsatz (amtlich)

1. Hält sich eine Genossenschaft mit ihren Nichtmitgliedergeschäften im Rahmen des in der Satzung konkretisierten Zweckes des § 1 GenG, liegen Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern, keine Nebengeschäfte vor.

2. Stehen die Zahl der in den Geschäftsbetrieb einbezogenen Nichtmitglieder oder der Umfang der Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern außer Verhältnis zur Zahl der Mitglieder oder dem Umfang der Zweckgeschäfte mit Mitgliedern, geht der Charakter der Genossenschaft und damit die Abzugsfähigkeit der Warenrückvergütung verloren.

 

Normenkette

KStG § 23; KStDV §§ 31, 35

 

Tatbestand

Streitig ist die zutreffende Höhe der steuerlich abzugsfähigen Warenrückvergütung an Mitglieder der Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) - einer Molkereigenossenschaft - für das Streitjahr 1962.

Wie eine im Jahre 1965 bei der Steuerpflichtigen durchgeführte Betriebsprüfung ergab, hatte die Steuerpflichtige zur Herstellung von Magermilchpulver Magermilch von anderen Molkereien zugekauft und Magermilchpulver für andere Molkereien im Werklohnverfahren hergestellt. Der Revisionsbeklagte (das FA) sah in diesen Geschäften Nebengeschäfte, schied die Gewinne aus ihnen bei der Errechnung des Überschusses im Sinne von § 35 Abs. 2 KStDV aus und setzte den danach nicht abzugsfähigen Teil der Warenrückvergütung dem Gewinn der Steuerpflichtigen im Berichtigungsbescheid vom 10. Januar 1966 hinzu.

Einspruch und Klage der Steuerpflichtigen blieben ohne Erfolg. Das FG führte in seiner in EFG 1969, 38 veröffentlichten Entscheidung aus:

Nach § 35 Abs. 2 KStDV sei für die Berechnung der abzugsfähigen Warenrückvergütung an Mitglieder das von der Steuerpflichtigen erwirtschaftete Einkommen um den in ihm enthaltenen Gewinn aus Nebengeschäften zu kürzen. Der so ermittelte Überschuß sei im Verhältnis des Wareneinkaufs bei Mitgliedern zum gesamten Wareneinkauf aufzuteilen. Es sei daher entscheidend, ob die streitigen Geschäfte Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern der Steuerpflichtigen oder Nebengeschäfte seien. Entsprechend dem Wesen der Genossenschaft (Urteil des BFH I 275/62 vom 1. Februar 1966, BFH 85, 307, BStBl III 1966, 321) hätten Zweckgeschäfte der Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes zu dienen. Zweckgeschäfte mit Mitgliedern seien der Ankauf und - als Gegengeschäfte - die Verwertung und der Verkauf von Milch und Milcherzeugnissen der Mitglieder der Steuerpflichtigen, Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern der Zukauf von Stoffen, die die Verwertung der Milch zu Milcherzeugnissen ermöglichten. Über diesen Rahmen gehe der Zukauf von Magermilch von anderen Molkereien zur Herstellung von Magermilchpulver hinaus. Hier handele es sich um Nebengeschäfte, mit deren Durchführung die Steuerpflichtige nicht dem Genossenschaftsgedanken diene, d. h. nicht nur als die Summe der Unternehmen ihrer Mitglieder (die durch sie eine gemeinschaftliche und damit bessere Verwertung ihrer Erzeugnisse erreichen wollten), sondern eigenwirtschaftlich, d. h. als selbständiges Unternehmen, tätig werde. Dasselbe gelte für die Herstellung von Magermilchpulver für andere Molkereien im Werklohnverfahren.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie vortragen läßt:

Nach Abschn. 53 Abs. 2 KStR sei die Durchführung von Zweckgeschäften sowohl mit Mitgliedern als auch mit Nichtmitgliedern möglich. Daß Nichtmitgliedergeschäfte Zweckgeschäfte sein könnten, ergebe sich auch aus § 8 Abs. 1 Nr. 5 des Genossenschaftsgesetzes (GenG), demzufolge die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auch auf Nichtmitglieder in das Statut aufzunehmen sei; dabei sei allein an den Geschäftsbetrieb gedacht, in dem der Zweck der Genossenschaft (die Förderung ihrer Mitglieder) verfolgt werde. Zweckgeschäft einer Molkereigenossenschaft sei der Einkauf von Milch. Solche Zweckgeschäfte würden indes nicht dadurch zu Nebengeschäften, daß sie mit Nichtmitgliedern durchgeführt würden. Daß die Nichtmitglieder Landwirte sein müßten, sei nirgends gesagt; deshalb könnten auch mit anderen Molkereien Zweckgeschäfte abgeschlossen werden. Diese könnten nicht zugleich Nebengeschäfte sein.

Die Steuerpflichtige beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Berichtigungsbescheid vom 10. Januar 1966 in Form der Einspruchsentscheidung vom 6. April 1966 aufzuheben. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Berichtigungsbescheids vom 1. Oktober 1966.

1. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, zu denen nach § 1 Abs. 1 GenG auch die landwirtschaftlichen Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften zählen, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG grundsätzlich unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie sind nach § 23 KStG, § 31 KStDV persönlich von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf die Bearbeitung oder die Verwertung der von ihren Mitgliedern selbst gewonnenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränkt und die Bearbeitung oder die Verwertung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft liegt. Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern lösen die volle Steuerpflicht aus, sofern ihre Durchführung nicht auf gesetzlicher Vorschrift oder behördlicher Anordnung beruht (Zwangsgeschäfte).

Nach dem für das Streitjahr gültigen Statut der Steuerpflichtigen ist ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt. Mit dem Einkauf von Milch von Nichtmitgliedern hat sie danach den ihr durch ihr Statut gezogenen Rahmen überschritten. Stehen statutarische (satzungsmäßige) und tatsächliche Geschäftsführung nicht in Einklang, ist die tatsächliche Geschäftsführung entscheidend (BFH-Urteil I 127/54 U vom 28. September 1954, BFH 59, 335, BStBl III 1954, 339). Mangels Nachweises einer sie hierzu veranlassenden gesetzlichen Vorschrift oder behördlichen Anordnung steht ihr die persönliche Steuerfreiheit im Streitjahr nicht zu. Ihre Steuerpflicht ist nicht streitig.

2. a) Zweckgeschäfte sind nach dem Wortsinn dieses Begriffs sowie nach seiner Definition in Abschn. 53 Abs. 2 Nr. 1 KStR solche Geschäfte, die der Erfüllung des satzungsmäßigen Gegenstandes des Unternehmens der Genossenschaft dienen und die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder bezwecken. Sie sind mit Mitgliedern wie mit Nichtmitgliedern gleichermaßen denkbar. Ihre Unterscheidung nach Mitglieder- und Nichtmitgliedergeschäften ist in erster Linie für die Frage nach der persönlichen Befreiung der Genossenschaft von der Steuerpflicht (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 KStDV), in zweiter Linie für die Berechnung der Warenrückvergütung von Bedeutung (§ 35 Abs. 2 KStDV). Die Steuerpflicht der Klägerin im Streitjahr ist nicht streitig. Eine Warenrückvergütung an Nichtmitglieder ist im Streitjahr nicht erfolgt.

b) Was die Abgrenzung der Zweckgeschäfte von den Nebengeschäften betrifft, so sind Zweckgeschäfte nach allgemeiner Definition solche Geschäfte, die die Erfüllung des satzungsmäßigen Gegenstandes bezwecken, Nebengeschäfte dagegen solche, die mit dem Satzungszweck in keinem Zusammenhang stehen und daher zumeist Gelegenheitsgeschäfte sind (vgl. die Kommentare zum Genossenschaftsgesetz Lang-Weidmüller, 28. Aufl., Anm. 3 zu § 1, Anm. 3 zu § 6, Anm. 6 und 7 zu § 8; Meyer-Meulenbergh, 10. Aufl., Anm. 1c zu § 1, Anm. 1b zu § 81; ferner Zülow-Henze-Schubert, Die Besteuerung der Genossenschaften, 5. Aufl., S. 81, 83). Gegenstand des Unternehmens der Steuerpflichtigen sind nach ihrem Statut (als nach der für das Streitjahr gültigen Satzung) "die Milchverwertung auf gemeinschaftliche Rechnung und Gefahr" und "die Verwertung von Milch von anderen Molkereien im Werklohnverfahren". Die Verfolgung dieser Zwecke durch ihren Geschäftsbetrieb liegt im Rahmen der Vorschrift des § 1 GenG; sie ist auch dann noch als in diesem Rahmen liegend anzusehen, wenn die Steuerpflichtige Milch von Dritten, die nicht ihre Mitglieder sind, d. h. von Landwirten, aber auch von anderen Molkereigenossenschaften, einkauft, um sie zusammen mit der von ihren Mitgliedern eingekauften (angelieferten) Milch zu verwerten.

Dem FA kann nicht darin gefolgt werden, daß der Kreis der Nichtmitglieder begrifflich aus dem Genossenschaftsgedanken heraus notwendig allein auf potentielle Mitglieder der Genossenschaft, d. h. auf Landwirte, beschränkt sei. Daß der Geschäftsbetrieb einer Genossenschaft den Rahmen des § 1 GenG verläßt, kann erst dann gesagt werden, wenn die Genossenschaft sich nicht auf nur ergänzende Nichtmitgliedergeschäfte beschränkt, wenn insbesondere die Zahl der Nichtmitglieder außer Verhältnis zur Zahl der Mitglieder steht oder der Umfang der Zweckgeschäfte mit Nichtmitgliedern außer Verhältnis zum Umfang der Zweckgeschäfte mit Mitgliedern steht, und die Genossenschaft damit ihren Charakter als Genossenschaft selbst in Frage stellt oder negiert. Im Streitfall lag der Umsatz mit Nichtmitgliedern im Zweckgeschäft bei rd. 10 v. H. des Umsatzes mit den Mitgliedern der Steuerpflichtigen.

Bei der Berechnung der den steuerpflichtigen Gewinn der Genossenschaft mindernden Warenrückvergütung an Mitglieder scheiden nach § 35 KStDV die Gewinne aus Zweckgeschäften mit Nichtmitgliedern wie aus Hilfs- und Nebengeschäften aus. Damit ist, solange die Genossenschaft sich mit ihrem Geschäftsbetrieb im Rahmen des § 1 GenG hält, gewährleistet, daß eine nicht vertretbare Minderung des steuerpflichtigen Gewinns nicht eintritt. Verläßt die Genossenschaft diesen Rahmen, verliert sie mit ihrem Charakter die Abzugsfähigkeit der Warenrückvergütung.

c) Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob die streitigen Geschäfte dann als Nebengeschäfte einzuordnen sein würden, wenn die Steuerpflichtige die Magermilchtrocknung ausschließlich für Nichtmitglieder im Werklohnverfahren durchführte. Daß "die Verwertung von Milch von anderen Molkereien im Werklohnverfahren" nach der Satzung als Gegenstand des Unternehmens der Steuerpflichtigen ausgewiesen ist, würde ihr in diesem Falle im Zweifel den Charakter eines Zweckgeschäfts nicht geben können, weil eine dem Satzungszweck entsprechende Verwertung auch in anderer Form als durch Magermilchtrocknung denkbar ist. Der Senat braucht im Streitfall diese Frage indes nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69031

BStBl II 1970, 532

BFHE 1970, 34

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