Leitsatz (amtlich)

Erwirbt jemand in Bayern zu einer steuerfrei erworbenen Eigentumswohnung später das Sondereigentum an einem Zubehörraum hinzu, so ist auch dieser Erwerb unter der Voraussetzung steuerfrei, daß der gleichzeitige Erwerb der Eigentumswohnung nebst Zubehörraum im Zeitpunkt des Hinzuerwerbs ebenfalls steuerfrei gewesen wäre. Ergänzung zu BFHE 121, 99.

 

Normenkette

GrESWG Bayern 1969 Art. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 14. Februar 1973 eine Eigentumswohnung (13,244/1 000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und einem zugehörigen Kellerraum), die nach der Fertigstellung im August 1973 von ihr bezogen wurde. Durch Nachtragsvereinbarung vom 13. März 1975 hat die Klägerin sodann einen im Kellergeschoß gelegenen 9,7 qm großen Hobbyraum (0,736/1 000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Hobbyraum), der Ende 1973 benutzbar geworden war, zu der Eigentumswohnung hinzuerworben. Die Stadt A hat durch Ergänzungsbescheid vom 2. Juli 1975 bestätigt, daß der Hobbyraum mit der Wohnung der Klägerin eine wirtschaftliche Einheit bildet und mit ihr zusammen Grundsteuervergünstigung genießt. Das beklagte Finanzamt hat für die Eigentumswohnung Grundsteuervergünstigung für die Zeit ab 1. Januar 1974 gewährt. Die beantragte Fortschreibung des Einheitswerts der Wohnung wegen des Hinzuerwerbs des Hobbyraums hat das Finanzamt abgelehnt, weil die Fortschreibungsgrenze nicht erreicht worden sei.

Das Finanzamt hat den Erwerb des Hobbyraums zur Grunderwerbsteuer herangezogen, weil die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 4 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau -GrESWG- in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1969 S. 176 -GVBl 1969, 176-), geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 13. März 1972 (GVBl 1972, 71) nicht gegeben seien. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat Erfolg gehabt. Das Finanzgericht hat den angefochtenen Steuerbescheid aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Finanzgericht zugelassene Revision des Beklagten ist unbegründet.

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einem Hobbyraum durch die Klägerin ist gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG von der Grunderwerbsteuer befreit. Nach dieser Vorschrift ist u. a. der erste Erwerb einer Eigentumswohnung von der Grunderwerbsteuer befreit, sofern die Eigentumswohnung grundsteuerbegünstigt ist. Zu einer Eigentumswohnung in diesem Sinne gehören auch die der Wohnung zugeordneten Nebenräume (vgl. § 42 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 der Zweiten Berechnungsverordnung). Dies sind vor allem die Zubehörräume. Auch der einer bestimmten Wohnung zugeordnete Hobbyraum gehört demnach zu dieser Wohnung.

Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn das Sondereigentum an der Wohnung und das Sondereigentum an dem Hobbyraum mit verschiedenen Miteigentumsanteilen an dem Grundstück verbunden sind (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 15. Dezember 1976 II R 58/76, BFHE 121, 99, BStBl II 1977, 329).

Der Senat hat bereits in dem genannten Urteil ausgesprochen, daß die Steuerfreiheit gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG auch bei dem Hinzuerwerb eines Hobbyraums nicht ausgeschlossen ist, wenn die Wohnung und die zur Wohnung gehörenden Zubehörräume bis zur Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnanlage erworben werden. Nichts anderes gilt, wenn der Hinzuerwerb des Zubehörraumes nach der Bezugsfertigkeit der Wohnung innerhalb der durch Art. 1 Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 GrESWG bestimmten Fünfjahresfrist erfolgt. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Art. 1 Nr. 4 GrESWG nach seinem Sinn und Zweck.

Ist eine Eigentumswohnanlage erstellt worden, so können die Eigentumswohnungen mit ihren Zubehörräumen innerhalb der Fünfjahresfrist steuerfrei erworben werden. Kann eine Eigentumswohnung zugleich mit Zubehörraum noch gegen Ende dieser Frist steuerfrei erworben werden, so gibt es keine triftigen Gründe, den fristgerechten Hinzuerwerb eines Zubehörraums zu einer früher erworbenen Eigentumswohnung nicht von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Mag auch der Erwerb des Zubehörraumes für sich allein nicht als Erwerb einer Eigentumswohnung angesehen werden können, so reicht es aber für die Anwendung der Vorschrift aus, daß der spätere Kauf des Zubehörraumes und der vorangegangene Kauf der Eigentumswohnung zusammen als erster Erwerb einer Eigentumswohnung (nebst Zubehörraum) beurteilt werden können.

Voraussetzung ist allerdings, daß auch die Eigentumswohnung selbst, zu der der Zubehörraum später hinzuerworben worden ist, im Zeitpunkt des Hinzuerwerbes noch die Voraussetzungen für einen steuerfreien Erwerb dieser Wohnung erfüllt. Wäre die Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Hinzuerwerbs z. B. nicht mehr steuerbegünstigt, so könnte auch der Hinzuerwerb eines Zubehörraumes nicht steuerfrei sein. Ein solcher Fall liegt allerdings nicht vor.

Aus Art. 1 Nr. 6 GrESWG ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Diese 1969 geschaffene Sondervorschrift betrifft ausschließlich den Hinzuerwerb von Garagengrundstücken. In ihrem Anwendungsbereich geht diese Sondervorschrift den allgemeinen Befreiungsvorschriften zwar vor. Dies bedeutet aber nicht, daß damit die Anwendung des Art. 1 Nr. 4 GrESWG auf den Erwerb anderer Zubehörräume ausgeschlossen wäre. Insoweit verbleibt es bei der Anwendbarkeit u. a. des Art. 1 Nr. 4 GrESWG in den in dieser Entscheidung gezogenen Grenzen.

Daß der von der Klägerin erworbene Hobbyraum grundsteuerbegünstigt ist, wie dies Art. 1 Nr. 4 GrESWG vorschreibt, hat das Finanzgericht zu Recht bejaht. Zwar ist der Hobbyraum trotz des Anerkennungsbescheides nicht ausdrücklich von dem dem Erwerb folgenden Stichtag an von der Grundsteuer freigestellt worden (vgl. hierzu das Urteil vom 8. August 1973 II R 92/66, BFHE 110, 373, BStBl II 1974, 38). Dadurch aber, daß die Wertfortschreibung des Einheitswerts der Eigentumswohnung wegen des Hinzuerwerbs des Hobbyraumes mangels Überschreitung der Wertgrenze abgelehnt worden ist, war eine ausdrückliche Freistellung des Hobbyraums von der Grundsteuer nicht möglich und auch nicht erforderlich. Es reicht unter diesen Umständen aus, daß der Hobbyraum in den Anerkennungsbescheid der Stadt A einbezogen worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72717

BStBl II 1978, 316

BFHE 1978, 377

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