Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der in § 92 LAG verwendete Begriff "Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts" umfaßt solche Verbindlichkeiten, die ihrem Wesen nach gemäß § 8 Nr. 1 GewStG zu den Dauerschulden gehören. Unerheblich ist es, daß eine solche Verbindlichkeit wegen anderer Vorschriften des GewStG nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Deshalb fällt auch eine langfristige ungesicherte Verbindlichkeit einer Organgesellschaft gegenüber dem beherrschenden Unternehmen unter § 92 LAG, obwohl die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG als Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens gilt, so daß es gewerbesteuerlich im Verhältnis der beiden Unternehmen zueinander keine Forderungen und Schulden gibt.

 

Normenkette

LAG § 92; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2, § 8 Nr. 1, § 12/2/1

 

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) übertrug am 16. Dezember 1954 ihr Vermögen unter Ausschluß der Liquidation auf ihre alleinige Aktionärin, die Klägerin zu 1), und wurde noch im Dezember 1954 im Handelsregister gelöscht. Der ursprüngliche Geschäftszweck der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) war auf Erwerb, Verwertung, Errichtung und Verwaltung von Geschäfts- und Kontorhäusern gerichtet. Sie war am 24. Juni 1948 Eigentümerin eines Grundstücks. Nach der Kriegszerstörung dieses Grundstücks hatte sie ihre Geschäftstätigkeit auf die mit der Verwaltung dieses Ruinengrundstücks anfallenden Arbeiten beschränkt. Am 15. November 1954 hat sie das Ruinengrundstück an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) veräußert. Auf dem Grundstück lasteten zwei Sicherungshypotheken von 1.500.000 RM und 500.000 RM, die am 24. Juni 1948 noch mit 1.500.000 RM bzw. 485.000 RM valutiert waren. Persönliche Schuldnerin der zugrunde liegenden Verbindlichkeiten war die Klägerin zu 1).

Das FA erteilte der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) wegen dieser Schuldnergewinne aus der Umstellung dieser dinglich gesicherten Verbindlichkeiten am 31. Januar 1955 einen vorläufigen Freistellungsbescheid. Dieser Bescheid enthielt den Vermerk: "Der Bescheid ist vorläufig, da insbesondere die RVO zu § 92 LAG noch aussteht".

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) hatte daneben am 17. August 1953 eine Erklärung zu HGA über Schuldnergewinne aus ungesicherten Verbindlichkeiten gemäß § 92 LAG eingereicht. In der dieser Erklärung beigefügten RM-Schlußbilanz (RMSB) war eine "Verbindlichkeit gegenüber nahestehender Gesellschaft" in Höhe von 274.606,80 RM ausgewiesen. Es handelte sich dabei um eine Schuld gegenüber der Klägerin zu 1). In der Erklärung selbst verneinte aber die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1), daß aus der Umstellung dieser Verbindlichkeit eine HGA-Pflicht nach § 92 LAG entstanden sei, weil es sich nicht um eine Dauerschuld im Sinne des Gewerbesteuerrechts handele. Sie verwies deswegen auf die Gewerbesteuerveranlagungen durch das zuständige FA. Im Mai 1955 beantragte die Erwerberin des Grundstücks, Klägerin zu 2), die Erteilung eines endgültigen Freistellungsbescheides. Dieser Antrag wurde vom FA abgelehnt. Die Klägerin zu 2) wandte sich mit einer Eingabe vom 5. Juli 1955 an das Landesfinanzamt (LFA) und bat, das FA anzuweisen, dem endgültigen Freistellungsbescheid unverzüglich zuzustimmen. In dem Bericht an das LFA vertrat das FA die Auffassung, daß HGA-Pflicht wegen der gesicherten Verbindlichkeiten bestehe. Das LFA wies jedoch durch Verfügung vom 31. August 1955 das FA an, den beantragten Freistellungsbescheid zu erteilen. Das FA kam dieser Weisung am 21. September 1955 nach und übersandte den endgültigen Freistellungsbescheid an den Bevollmächtigten der Klägerin zu 2).

Am 30. Januar fand eine Bucheinsicht zur Feststellung der ungesicherten Verbindlichkeiten gemäß § 92 LAG durch einen Betriebsprüfer des FA statt. Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, daß es sich bei der in der RMSB der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) mit 274.606,80 RM und der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) mit dem 10 : 1 umgestellten Betrag ausgewiesenen Verbindlichkeit um eine Dauerschuld im Sinne des Gewerbesteuerrechts handele und der Schuldnergewinn deshalb der HGA unterliege. Daraufhin wies das LFA durch Verfügung vom 17. Juli 1958 das FA an, den Freistellungsbescheid nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO durch einen HGA-Bescheid zu ersetzen, in dem auch der Schuldnergewinn aus dieser ungesicherten Verbindlichkeit zu berücksichtigen sei. Das FA erließ einen nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO berichtigten HGA-Bescheid vom 24. März 1959. Die Abgabenschuld am 25. Juni 1948 wurde auf 64.038,31 DM, die Abgabenschuld am 1. April 1952 auf 55.633,69 DM und die Halbjahresleistungen auf je 1.200,66 DM festgesetzt. Dieser Bescheid war an die Klägerin zu 2) gerichtet und wurde dieser zugestellt.

Die Klägerin zu 2) legte gegen diesen berichtigten Bescheid Einspruch ein. Sie hielt die Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO für unzulässig. Ein HGA-Bescheid könne nach dieser Vorschrift nicht berichtigt werden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß der Freistellungsbescheid seinerzeit auf Weisung des LFA ergangen sei. Es liege also, wenn überhaupt, so nur ein Fehler des LFA vor, der nicht vom LFA selbst als Aufsichtsbehörde aufgedeckt werden könne. Die Berichtigung verstoße zudem gegen Treu und Glauben. Sie sei auch sachlich nicht gerechtfertigt, weil Konzernverbindlichkeiten keine Dauerschulden im Sinne des GewStG seien. Das FA erließ einen nach § 225 AO berichtigten HGA- Bescheid vom 21. Mai 1964 an die Klägerin zu 1). Dieser Bescheid stimmt inhaltlich mit dem an die Klägerin zu 2) gerichteten Berichtigungsbescheid vom 24. März 1959 überein. Er enthält den Vermerk, daß dieser Bescheid den an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) gerichteten vorläufigen Freistellungsbescheid vom 31. Januar 1955 berichtige und endgültig sei. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zu 1) Einspruch ein und beantragte, beide Einspruchsverfahren zu verbinden. Zur Begründung verwies sie auf die Einspruchsbegründung der Klägerin zu 2).

Die Einsprüche waren ohne Erfolg. Dagegen waren die Berufungen erfolgreich. Das FG ist der Auffassung, daß der nach § 225 AO berichtigte Bescheid vom 21. Mai 1964 gegen die Klägerin zu 1) nicht hätte erlassen werden dürfen. Die Klägerin zu 1) sei nicht Abgabeschuldnerin, sie könne auch nicht als Haftende für die während der Eigentumsdauer ihrer Rechtsvorgängerin fällig gewordenen HGA-Leistungen in Anspruch genommen werden, weil diese bei Erlaß des Bescheids bereits verjährt gewesen seien. Ob die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zutreffend seien, könne dahingestellt bleiben. Denn die Berichtigung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Bei einer Organgesellschaft gelte die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG als Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens. Deshalb würden Schulden, die zwischen den an einem Organverhältnis beteiligten Unternehmen bestünden, gewerbesteuerlich nicht als Schulden behandelt. Sie könnten deshalb auch keine Dauerschulden sein, so daß die Voraussetzungen des § 92 LAG nicht gegeben seien.

Mit der Revision rügt der Beklagte, das FA, unrichtige Anwendung des § 92 LAG. Die für das Gewerbesteuerrecht geltende Vorschrift des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG könne auf die Entstehung der HGA aus ungesicherten Verbindlichkeiten keinen Einfluß haben. Ob es sich um Dauerschulden handele, ergebe sich ausschließlich aus § 8 Nr. 1 GewStG. Nach dieser Vorschrift sei die hier streitige Verbindlichkeit eine Dauerschuld.

Der BdF ist nach § 122 Abs. 2 FGO dem Verfahren beigetreten. Er schließt sich der Auffassung des Beklagten an und verweist dazu auch auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck des § 92 LAG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. -

Gegen den an die Klägerin zu 1) gerichteten endgültigen Bescheid vom 21. Mai 1964 bestehen in formeller Hinsicht keine Bedenken. Die Klägerin zu 1) kann zwar nicht mehr zu HGA-Leistungen herangezogen werden. Denn sie ist weder am 25. Juni 1948 noch später zu irgend einem Zeitpunkt Eigentümerin des Grundstücks gewesen, an dem die hier streitigen ungesicherten Verbindlichkeiten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 LAG als letztrangig gesichert behandelt werden. Eine persönliche Haftung für die HGA- Leistungen kommt für sie nur deshalb in Betracht, weil sie das Vermögen ihrer Rechtsvorgängerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen hat. Diese Haftung besteht aber nur für die HGA- Leistungen, für die auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) nach § 111 Abs. 3 LAG als Grundstückseigentümerin persönlich haftete. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) nur bis zum 15. November 1954 Eigentümerin des Grundstücks war, erstreckt sich ihre Haftung und die Haftung der Klägerin zu 1) nur auf die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen HGA-Leistungen. Diese Leistungen waren jedoch, wie die Vorentscheidung mit Recht ausgeführt hat, im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides vom 21. Mai 1964 längst verjährt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Verjährung auch gegenüber der Klägerin zu 1) durch den an ihre in diesem Zeitpunkt bereits im Handelsregister gelöschte Rechtsvorgängerin gerichteten vorläufigen Bescheid vom 31. Januar 1955 unterbrochen worden ist. Denn selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte nach § 147 Abs. 3 AO a. F. mit dem Ablauf des 31. Dezember 1955 eine neue Verjährungsfrist begonnen, die nach § 144 AO a. F. mit dem Ablauf des 31. Dezember 1960 geendet hätte. Innerhalb dieser neuen Verjährungsfrist liegt als Unterbrechungshandlung des FA nur die Bucheinsicht vom 30. Januar 1958 vor. Denn sowohl der endgültige Freistellungsbescheid vom 21. September 1955 als auch der nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO berichtigte Bescheid vom 24. März 1959 sind nicht gegen die Klägerin zu 1) gerichtet. Durch die Bucheinsicht begann mit dem Ablauf des 31. Dezember 1958 eine neue Verjährungsfrist, die mit dem Ablauf des 31. Dezember 1963 endete. Der gegen die Klägerin zu 1) gerichtete endgültige Bescheid ist also erst nach Ablauf auch dieser Verjährungsfrist ergangen.

Trotzdem mußte der Bescheid an die Klägerin zu 1) als Rechtsnachfolgerin der Grundstückseigentümerin vom 24. Juni 1948 ergehen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des BFH III 339/57 U vom 25. April 1958, BFH 67, 63, BStBl III 1958, 297, III 250/61 U vom 18. Oktober 1963, BFH 77, 711, BStBl III 1963, 581 und III 47/63 vom 24. Juni 1966, BFH 86, 394, BStBl III 1966, 520) ist der HGA-Bescheid in jedem Fall auch an den Grundstückseigentümer vom Währungsstichtag zu richten.

II. - In formeller Hinsicht bestehen auch gegen den an die Klägerin zu 2) gerichteten Bescheid keine Bedenken. Die Berichtigung war nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - 2 BvR 246/62, 257/62, 110/63, 111/63 vom 3. November 1965, BStBl I 1966, 181), können auch Lastenausgleichsabgabenbescheide nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO berichtigt werden. Die Berichtigung ist im Streitfall entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch nicht deswegen unzulässig, weil das FA den endgültigen Freistellungsbescheid vom 21. September 1955 auf Weisung des LFA erlassen hat. Die innerdienstliche Anweisung macht diesen Verwaltungsakt nicht zu einem vom LFA erlassenen Verwaltungsakt. Es bleibt ein Verwaltungsakt des FA. Enthält er Fehler, und werden diese vom LFA als Aufsichtsbehörde aufgedeckt, so ist eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zulässig. Die Finanzverwaltung hat auch dadurch, daß sie entsprechend dem im § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO enthaltenen gesetzlichen Gebot die Berichtigung vornahm, nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Das LFA hat durch die Fehleraufdeckung auch nicht gegen sein eigenes früheres Verhalten verstoßen. Denn seine Anweisung an das FA, einen endgültigen Freistellungsbescheid zu erteilen, bezog sich offensichtlich nur auf die dinglich gesicherten Verbindlichkeiten. Das geht daraus hervor, daß das FA in seinem Bericht an das LFA auch nur diese Verbindlichkeiten angesprochen und eine HGA-Pflicht hinsichtlich der bei ihnen entstandenen Schuldnergewinne zu Unrecht bejaht hatte.

III. - Die Berichtigung ist entgegen der Auffassung der Vorentscheidung auch sachlich nicht zu beanstanden. Die Klägerinnen bestreiten zu Unrecht, daß es sich bei den nach § 92 LAG zur HGA im Streitfall herangezogenen Verbindlichkeiten um Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts handelt.

Was unter einer Dauerschuld im Sinne des Gewerbesteuerrechts zu verstehen ist, ergibt sich aus § 8 Nr. 1 GewStG. Danach muß es sich um eine Schuld handeln, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängt oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dient. Bei der Begriffsbestimmung in § 8 Nr. 1 GewStG umfaßt nach ständiger Rechtsprechung der Tatbestand "Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen" als allgemeiner Tatbestand die anderen Tatbestände des § 8 Nr. 1 GewStG mit. Wesentlich ist für Dauerschulden, daß durch ihre Aufnahme dem Betrieb nicht nur vorübergehend fremde Mittel dienstbar gemacht werden (vgl. Abschnitt 47 Abs. 1 GewStR). Die Klägerinnen bestreiten nicht, daß die durch den Berichtigungsbescheid als ungesicherte Verbindlichkeit nach § 92 LAG zur HGA herangezogene Darlehnsschuld ihrem Wesen nach eine Dauerschuld in diesem Sinne ist. Sie sind jedoch der Meinung, daß diese Verbindlichkeit deswegen keine Dauerschuld "im Sinne des Gewerbesteuerrechts" sei, weil sie im Rahmen einer Organschaft von der Organtochtergesellschaft der Organträgerin geschuldet werde. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG sei gewerbesteuerlich die Organgesellschaft eine Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens, so daß es im Verhältnis der beiden Gesellschaften zueinander keine Forderungen und Schulden gebe. Diese Auffassung wird auch von der Vorentscheidung geteilt. Der Senat kann ihr jedoch nicht folgen. Es ist zwar richtig, daß der Wortsinn des § 92 LAG dieser Auffassung nicht unbedingt entgegensteht. Andererseits spricht dieser Wortsinn aber auch nicht zwingend für diese Auffassung. Die Vorschrift kann auch so ausgelegt werden, daß mit dem Begriff "Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts" zum Ausdruck gebracht werden soll, daß nur solche Schulden der HGA unterliegen, die ihrem Wesen nach Dauerschulden im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG sind, ohne daß es darauf ankommt, ob sie gewerbesteuerlich erfaßt werden. Weil der Wortsinn der Vorschrift somit nicht eindeutig ist, müssen bei ihrer Auslegung nach der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil III 99/64 U vom 9. Oktober 1964, BFH 80, 458, BStBl III 1964, 640) auch ihr Zweck und ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden.

Der BdF hat in seiner Stellungnahme zutreffend darauf hingewiesen, daß eine dem § 92 LAG entsprechende Vorschrift in dem ersten "Entwurf eines Gesetzes über den allgemeinen Lastenausgleich" (Bundestags-Drucksache 1800) nicht enthalten war. Nach diesem Entwurf hätten also die Schuldnergewinne der jetzt in § 161 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LAG bzw. für Berlin (West) in § 189 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LAG aufgeführten Unternehmen der KGA unterlegen. Die Freistellung dieser Unternehmen von der KGA und ihre Heranziehung zur HGA geschah, wie sich aus dem schriftlichen Bericht des Bundestags-Ausschusses für den Lastenausgleich (Bundestags-Drucksache 3300 S. 15) ergibt, auf besonderen Wunsch der Wohnungs- und Siedlungsunternehmen. Diesem Wunsch wurde entsprochen, weil bei diesen Unternehmen allgemein wegen der Zusammensetzung ihres Vermögens und der Art ihrer Einkünfte besondere Verhältnisse vorlagen, denen die Vorschriften über die KGA nicht gerecht wurden. Andererseits erschien es zwingend, bei diesen Unternehmen auch die ungesicherten Verbindlichkeiten zur HGA heranzuziehen, denn diese Verbindlichkeiten haben in der Regel der baulichen Finanzierung von Gebäuden gedient, und es ist den Unternehmen insoweit ein Sachvermögen unberührt von der Währungsreform erhalten geblieben.

Der BdF folgert aus dieser Entstehungsgeschichte mit Recht, daß auch nur langfristige ungesicherte Verbindlichkeiten bei diesen Unternehmen zur HGA herangezogen werden sollen. Denn nur bei langfristigen Verbindlichkeiten besteht der oben erwähnte Finanzierungszusammenhang. Es ist dem BdF auch darin zuzustimmen, daß bei Zugrundelegung dieses Zwecks die Verwendung des Begriffs "Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts" in § 92 LAG nur so verstanden werden kann, daß mit dieser Bezugnahme die langfristigen von den kurzfristigen Verbindlichkeiten abgegrenzt werden sollen. Unter "Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts" in § 92 LAG können deshalb nur solche Verbindlichkeiten verstanden werden, die ihrem Wesen nach gemäß § 8 Nr. 1 GewStG zu den Dauerschulden gehören. Alle anderen Vorschriften des Gewerbesteuerrechts über Steuergegenstand, Befreiungen usw. sind demnach ohne Bedeutung. Das gilt auch für die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG.

Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Urteil des Senats III 387/60 U vom 13. April 1962 (BFH 75, 26, BStBl III 1962, 279) Darlehen, die als verdecktes Stammkapital zu behandeln sind, keine Dauerschulden sind. Der Senat hat diese Auffassung damit begründet, daß verdecktes Stammkapital steuerlich wie Eigenkapital behandelt wird, mit der Folge, daß es z. B. auch bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen nicht als Schuld vom Rohvermögen abgezogen werden kann. Der Abgabepflichtige müsse also, wenn verdecktes Stammkapital bei der HGA als eine Verbindlichkeit behandelt würde, vom gleichen Betrag sowohl VA als auch HGA bezahlen. Eine solche doppelte Erfassung kommt aber bei der hier streitigen Verbindlichkeit gerade nicht in Betracht. Denn die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG hat nur für die Gewerbesteuer Bedeutung. Bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens und damit auch bei der VA wird die Organgesellschaft nicht als Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens behandelt, so daß die gegenseitigen Forderungen und Schulden angesetzt bzw. abgezogen werden können.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufungen der Klägerinnen waren als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 537

BFHE 1967, 143

BFHE 89, 143

StRK, LAG:92 R 5

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge