Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung im Datenverarbeitungsbereich

 

Leitsatz (NV)

Ein durch externen Rechner gesteuertes elektrisches Bildverarbeitungssystem hat eine andere (eigene) Funktion als die Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine; es gehört nicht zu Tarifst. 84.53 B, sondern zu Tarifst. 85.22 C II GZT.

 

Normenkette

GZT Tarifst. 84.53 B, 85.22 C II; Vorschrift 3 B zu Kap. 84

 

Tatbestand

Durch die der Klägerin von der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) wurde ein als ,,Real-Time Image Processing System T" (T) bezeichnetes, zum Speichern und Manipulieren von Bild- und Farbsignalen bestimmtes Erzeugnis als ,,anderes" elektrisches Gerät der Tarifst. 85.22 C II des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zugewiesen. Nach der Warenbeschreibung in der vZTA enthält T in einem Einschubgehäuse verschiedene, aus elektrischen und elektronischen Bauelementen aufgebaute Baugruppen (u. a. Hochgeschwindigkeitseingabeschnittstelle mit vorgeschaltetem A/D-Wandler, Bildspeicher, Rechner, Prozessor). Über Eingabeschnittstelle und Wandler werden Bildinhalte, die von anderen Geräten stammen (z. B. Kamera), in den Bildspeicher ,,eingelesen". Die gespeicherten Informationen können mittels des Rechners und des Prozessors verschiedenen Operationen unterworfen werden. Die Informationen werden über einen D/A-Wandler in analoge Signale umgewandelt und auf einem - externen - Farbmonitor dargestellt. Programmsteuerung und Signalaustausch werden von einem gleichfalls nicht zu T gehörenden Rechner veranlaßt. Die OFD stützte die Tarifierung darauf, daß T ein in Kapitel 85 GZT anderweit weder genanntes noch inbegriffenes ,,Gerät" mit eigenständiger Funktion (Manipulation gespeicherter Bildinformationen) sei; eine in der Datenverarbeitung übliche Speicher-/Verarbeitungseinheit - Tarifnr. 84.53 - liege nicht vor. Diese Tarifauffassung bestätigte die OFD durch Einspruchsentscheidung vom . . .

Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, T gehöre zu Tarifst. 84.53 B GZT, weil die nicht nur im Digi-Design-System, sondern universell einsetzbare Ware als Systemkomponente einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine der Vorschrift 3 B zu Kapitel 84 entspreche. T sei ein von dem Hauptrechner gesteuerter Subrechner, der dessen Funktion erweitere und wie dieser codierte Daten verarbeite; die Programme, die der Hauptrechner auch allein durchführen könnte, würden so schneller abgewickelt. T eigne sich auch in besonderem Maße für rechenintensive Graphikprogramme, habe aber keine eigene andere Funktion als der Hauptrechner. Durch die Verwendung eines Graphikprogramms werde eine Datenverarbeitungsanlage noch nicht zu einem ,,Bildverarbeitungsgerät". T sei nur bei Anschluß an eine andere Datenverarbeitungsmaschine funktionsfähig, könne unmittelbar an die Zentraleinheit des Hauptrechners angeschlossen werden und vom System verwendbare codierte Daten annehmen und liefern (Annahme und Rückgabe codierter Daten von der und an die Zentraleinheit des Hauptrechners; Umsetzung von Eingabeinformationen in einen verarbeitungsfähigen Code durch eigene ,,Logik"). Zwischen ,,üblicher" und ,,unüblicher" Datenverarbeitung dürfe nicht unterschieden werden.

Zusätzlich berief sich die Klägerin auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. X vom Institut für . . . der Universität Y. Nach dieser Stellungnahme ist T für gewisse Anwendungen in der Bilddatenverarbeitung als notwendiges und sinnvolles Subsystem des Datenverarbeitungssystems anzusehen; ferner fällt die beschaffenheitsbedingte Funktion von T zur Bildverarbeitung in den Bereich der Datenverarbeitung.

Die OFD entgegnete, T erfülle nicht die Anforderungen von Vorschrift 3 B b zu Kapitel 84, weil die Aufbereitung von Bild- und Farbsignalen nicht mehr dem Bereich ,,Datenverarbeitung" zugeordnet werden könne. T sei kein artspezifischer Teil eines automatischen Datenverarbeitungssystems, sondern eine Teilkomponente eines computerunterstützten Bildverarbeitungssystems. Die Durchführung bestimmter Rechenoperationen bei der Signalaufbereitung (mittels eingebauter Rechner) sei nur eine Arbeitsmethode für die Erledigung der speziellen Aufgaben, für die T konzipiert sei.

Die OFD hat die Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die vZTA mit Ablauf des Jahres 1987 infolge der Zolltarifrechtsänderungen ab 1. Januar 1988 außer Kraft getreten ist.

Die Klägerin beantragt nunmehr die Feststellung, daß die vZTA rechtswidrig war. Sie begründet ihr Interesse an der begehrten Feststellung u. a. mit dem Hinweis, die streitige Auslegungsfrage sei auch unter dem neuen Zolltarifrecht von Bedeutung. Ohne eine Feststellung müßte die Frage in einem künftigen Klageverfahren gegen eine neue vZTA geklärt werden.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

Die Voraussetzungen nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen vor. Die angefochtene vZTA hat sich erledigt (vgl. § 23 Abs. 3 des Zollgesetzes); auch die Klägerin hat dies anerkannt. Ihr berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat die Klägerin in hinreichender Weise dargetan (zu den Anforderungen Senat, Urteil vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, 570, BStBl II 1980, 593). Mit der Klägerin kann angenommen werden, daß hinsichtlich der Tarifierung von Waren der in der erledigten vZTA behandelten Art durch das neue Zolltarifrecht eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten ist (vgl. die Positionen 8471 und 8543 sowie Anm. 5 B zu Kapitel 84 der Kombinierten Nomenklatur - KN -).

Die OFD hat keinen gegenteiligen Standpunkt vertreten. Es ist davon auszugehen, daß sie auch für das neue Recht an der von ihr bisher vertretenen Tarifauffassung festhalten wird.

2. Die Klage ist nicht begründet.

Die OFD hat die Ware richtig tarifiert. Diese gehört nicht zu Tarifnr. 84.53, sondern zu Tarifst. 85.22 C II GZT.

a) T ist keine Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich um eine periphere Einheit zur Kapazitätserweiterung eines Systems, hier der Kapazität einer Zentraleinheit (vgl. Erläuterungen zum Zolltarif - ErlZT - zu Tarifnr. 84.53 Teil I Rdnrn. 24, 66), vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Ansicht könnte zutreffen, wenn ein bloßer ,,Subrechner" (allgemeiner Beschaffenheit) vorläge, der zolltariflich einer peripheren Einheit in Form einer speziellen Recheneinheit gleichzustellen wäre. T stellt sich indessen im Hinblick auf die Funktion und die dieser entsprechende Ausstattung nicht als ,,Einheit" dar.

Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen in Form von Systemen müssen als Teile des Systems den Anforderungen gemäß Vorschrift 3 B zu Kapitel 84 GZT genügen (vgl. auch Senat, Urteil vom 26. November 1985 VII K 19/84, BFHE 145, 280, 283). Zu ihnen gehört, daß sie ihrer Beschaffenheit nach als Teile für ein solches System bestimmt sind, wozu vor allem erforderlich ist - außer bei Stromversorgungseinheiten -, daß sie Daten in einer vom System verwendbaren Form - als Code oder als Signale - empfangen oder liefern können (Vorschrift 3 B b zu Kapitel 84). Dafür müssen spezifische Beschaffenheitsmerkmale vorhanden sein, die erkennen lassen, daß die Einheit, die Teil des Systems sein soll, zu dem System in seiner Eigenschaft als Datenverarbeitungsmaschine gehört (Senat, Urteil vom 10. November 1987 VII K 10/84, BFHE 151, 276, 279).

Nach den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen kann davon ausgegangen werden, daß die besonderen Erfordernisse hinsichtlich des Empfangs/der Lieferung systemverwendbarer - digitaler - Daten im Streitfalle gegeben sind. Damit allein kann eine Zuweisung zu Tarifnr. 84.53 jedoch noch nicht begründet werden. Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen in Form eines Systems müssen auch im übrigen ihrer Beschaffenheit nach (,,hardware") als Teil für ein solches System bestimmt sein. Daran fehlt es insbesondere bei Maschinen mit eigener (anderer) Funktion, die an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen werden und mit ihr zusammenarbeiten (vgl. Erläuterungen, a.a.O., Rdnr. 8 sowie den damit übereinstimmenden 4. Erwägungsgrund der Einreihungsverordnung (EWG) Nr. 551/81 der Kommission vom 25. Februar 1981, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 56/20; nunmehr gleichlautend als Rechtsvorschrift Anm. 5 B Satz 4 zu Kapitel 84 KN). Derartige Geräte - etwa eigenständige Zeichengeräte (Senat, Urteil vom 12. Juli 1988 VII K 43/87 NV) - sind der für ihre Funktion in Betracht kommenden Tarifnummer zuzuweisen, ggf. der zutreffenden Sammelposition.

Wann eine solche, über die einer ,,Einheit" hinausgehende Funktion vorliegt, läßt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der im Einzelfall maßgebenden Besonderheiten entscheiden (vgl. in diesem Zusammenhang auch Senat, Urteil vom 26. April 1988 VII R 116/85, BFHE 153, 265, 269 - Digitalisierungsgeräte). Der Senat hält T nach der vorliegenden Beschaffenheit für ein Gerät mit eigener (anderer) Funktion; er verneint eine ,,anwendungsneutrale Beschaffenheit", wie sie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist. Eine derartige Beschaffenheit kann nach dem von der Klägerin vorgelegten Herstellerprospekt nicht festgestellt werden. Vielmehr sprechen die darin enthaltenen Angaben über die Ausstattung von T (,,. . . contains specialized hardware meant to acquire, process and display real-time imagery") für eine nach der Beschaffenheit gegebene ,,andere" Funktion von T (Bildverarbeitungssystem zur Auswertung von Bildmaterial in verschiedenen Bereichen; vgl. zu den Einsatzgebieten für interaktive Bildverarbeitung Kucera in Jahrbuch der Elektronikindustrie 1987, 783). Die Verwendung zur Bildverarbeitung ist nach Ansicht des Senats, unbeschadet der Frage, ob die Bildverarbeitung technologisch dem Bereich der Datenverarbeitung zuzurechnen ist, zolltariflich eine ,,andere" Funktion. ,,Anwendungsneutral" kann T danach nur insoweit sein, als mehrere Verwendungen bei der Bildverarbeitung in Betracht kommen, darunter (insbesondere) für das sog. Digi-Design-System, für das T sich, wie von der Klägerin eingeräumt, besonders eignet. Diese Eignung ergibt sich aus der besonderen Beschaffenheit von T, seiner Ausstattung mit speziellen Bildverarbeitungsmodulen (wie ,,Pipeline Image Processor" und Bildspeicher). Sie erscheint auch durch das von der Klägerin vorgelegte Schreiben des Herstellers bestätigt, aus dem sich ergibt, daß T spezifische Prozesse (,,specific processes") durchführt ,,based on hardware dedicated to accelerating computations that generalized EDP equipment are not designed to produce quickly". Zwar kann eine ,,Einheit" allein mit Rücksicht auf ihre besondere Kapazität nicht als Gerät mit eigener Funktion beurteilt werden - Hochleistungsrechner als solche bleiben automatische Datenverarbeitungsmaschinen -, doch muß anderes gelten, wenn diese besonderen Eigenschaften - hier: Geschwindigkeit bei der Berechnung von Bildpunkten (,,pixel") - auf eine zolltariflich außerhalb reiner Datenverarbeitung liegende Verwendung (Bildverarbeitung) ausgerichtet sind.

Eine eigene - andere - Funktion kann der zu tarifierenden Ware auch dann nicht abgesprochen werden, wenn sie auf das Zusammenwirken mit dem Hauptrechner angewiesen ist (Senat, Urteil vom 30. April 1987 VII K 5-6/86, BFHE 150, 104, 106; vgl. auch Urteil vom 8. Februar 1966 VII 145/62, BFHE 85, 573 f.). Auf die zwischen den Parteien streitig erörterte Frage, ob T nur bei einem Anschluß an den Hauptrechner (,,host computer") oder - auch - selbständig funktioniert, kommt es sonach nicht an.

b) Die Ware gehört zu Tarifst. 85.22 C II GZT - ,,andere", in Kapitel 85 anderweit weder genannte noch inbegriffene elektrische Maschinen usw. -. Sie hat, wie für diese Zuweisung vorausgesetzt (BFHE 150, 104 f. mit Hinweisen; vgl. nunmehr den Wortlaut der Position 8543 KN), eine eigene Funktion. Da es an einer dieser entsprechenden spezifischen Tarifnummer oder -stelle fehlt, mußte die Ware der zutreffenden Sammelposition - Tarifnr. 85.22 GZT - zugeordnet werden (vgl. ErlZT, a.a.O.; jetzt Anm. 5 B Satz 5 zu Kapitel 84 KN).

3. Da sich im Streitfalle keine Fragen zur Auslegung des GZT stellen, ist wegen der Tarifierung eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht veranlaßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416275

BFH/NV 1989, 677

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