Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ausfuhrhändler, der eine neue Sache (Sacheinheit) bildet aus Teilen, die er von verschiedenen Herstellern bezogen hat, kann Ausfuhrhändlervergütung nicht beanspruchen.

2. Der Begriff der Sacheinheit ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen.

 

Normenkette

UStG § 16 Abs. 1; UStDB § 12 Abs. 1 S. 3, § 70 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Bfin. im Vergütungszeitraum II/1958 für die Ausfuhr von ihr aus erworbenen Einzelteilen zusammengestellten Spannungsprüfern Ausfuhrhändlervergütung beanspruchen kann.

Ein Spannungsprüfer besteht aus fünf Teilen, dem Plastikgehäuse mit Klinge und Kappe, einem Clip, einem elektrischen Birnchen, einer Feder und einem Widerstand. Die Bfin. hat diese Einzelteile von verschiedenen Unternehmern erworben, in ihrem Betrieb zu einem Spannungsprüfer zusammengestellt und als solchen veräußert. Das Finanzamt hat den Antrag abgelehnt, weil nach seiner Auffassung durch das Zusammenfügen der einzelnen Teile eine neue Sache (Sacheinheit) entstanden sei, weshalb nach § 70 Abs. 2 Ziff. 2 UStDB 1951 Ausfuhrhändlervergütung nicht gewährt werden könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungberufung der Bfin. blieb ohne Erfolg. Auch ihre Rb. ist nicht begründet.

Nach der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl 1957 I S. 6, BStBl 1957 I S. 131) ist § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB mit Wirkung vom 1. Januar 1957 dahin ergänzt worden, daß nunmehr auch das Zusammenstellen von erworbenen Gegenständen zu Sachgesamtheiten nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung gilt. Entsteht jedoch durch die Maßnahmen des Unternehmers eine Sacheinheit, so greift diese Erleichterung nicht durch. Die Frage, ob der von der Bfin. zusammengefügte Spannungsprüfer eine Sache ist, so daß die von mehreren Herstellern bezogenen Gegenstände als bloße Teile einer Sache kein eigenes rechtliches Dasein führen können, ist nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen, dem der Sachbegriff (vgl. §§ 90 ff. BGB) entstammt (vgl. das Urteil des erkennenden Senats V 158/59 U vom 12. April 1962, BStBl 1962 III S. 261). In diesem Urteil hat der Senat in Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 21. Aufl., § 93 Anm. 2 und die dort aufgeführte Rechtsprechung) auch ausgesprochen, daß eine Sacheinheit auch bestehen kann, wenn die zusammengefügten Teile leicht wieder voneinander getrennt werden können. Es werden dann allerdings in der Regel besondere Umstände vorliegen müssen, die zu der Annahme führen, daß die einzelnen Teile trotz leicht lösbarer Verbindung, solange diese Verbindung dauert, nur noch unselbständige Stücke des Ganzen sind (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 87, S. 43, 45, Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 11. Aufl., § 93 Anm. 18 und 19).

Im Streitfall spricht für eine Sacheinheit der Umstand, daß die Bfin. ein Werkzeug in den Handel gebracht hat, das von jedem verständigen und unvoreingenommenen Beurteiler in Übereinstimmung mit den Anschauungen des Verkehrs als eine Sache angesehen werden wird; denn bei Betrachtung dieses Werkzeugs treten die Einzelteile völlig hinter dem Ganzen der körperlichen Einheit zurück. Der Hohlraum des Gehäuses ist so bemessen, daß die lose eingeführte Feder, die Birne und der Widerstand darin den für die Verwendung angemessenen Platz finden; alle diese Teile werden erst durch ihre Verbindung ihrer eigentlichen Bestimmung, die Spannung zu messen, zugeführt und die ganze Sache würde ohne den einen oder anderen Teil ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Bei dieser Beurteilung kann es nicht darauf ankommen, daß sich z. B. die Birne schneller abnutzt und eher erneuert werden muß als andere Teile; unerheblich ist es auch, daß einzelne Teile auch gesondert gehandelt werden und nachbestellt werden können. Dies ist auch bei anderen zusammengesetzten Sachen, z. B. einem Kraftfahrzeugmotor oder einem Fahrrad, der Fall, Gegenstände, die im Verkehr, solange die Verbindung, die nicht von vornherein als eine bloß vorübergehende gedacht ist, dauert, als eine Sache angesehen werden.

In dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 IV A/2 -- S 4015 -- 10/57 (BStBl 1957 I S. 235), auf den sich die Bfin. stützen zu können glaubt, ist nichts anderes gesagt. Die von der Bfin. in bezug genommenen Ausführungen befassen sich mit einer jederzeit leicht zu lösenden Verbindung von erworbenen Gegenständen unter dem Gesichtspunkt des jetzt zulässigen Zusammenstellens zu einer Sachgesamtheit. In den Absätzen 8 und 10 des gleichen Abschnitts (S. 237) ist die vom Senat geteilte Feststellung getroffen, daß die Bildung einer Sacheinheit, die sich nach bürgerlichem Recht beurteilt, durch die Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB nicht zugelassen ist.

Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

Die Bfin. hat mündliche Verhandlung beantragt; es erschien dem Senat jedoch angezeigt, vorerst einen Bescheid nach § 294 Abs. 2 AO zu erlassen.

II. Urteil

Die mündliche Verhandlung hat keine Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Wenn sich die Bfin. erneut auf von der Verwaltung erlassene Entscheidungen, insbesondere auf die in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 für Taschenlampen getroffene Regelung beruft und eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung befürchtet, so ist demgegenüber darauf hinzuweisen, daß gerade in Bearbeitungsfragen der Heranziehung ähnlicher Tatbestände sehr enge Grenzen gesetzt sind. So ist auch die Frage, ob ein Unternehmer durch seine Maßnahmen eine neue Sache (Sacheinheit) geschaffen hat, grundsätzlich bei jeder Art von Gegenständen für sich zu beurteilen.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 199

BFHE 1963, 548

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