Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnung der aufgrund eines Praxispachtvertrages gezahlten Pachtzinsen zum Gewerbeertrag

 

Leitsatz (NV)

Die von einer Steuerberatungs-GmbH aufgrund eines Praxispachtvertrages gezahlten Pachtzinsen sind auch insoweit dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen, als sie auf den Praxiswert (Kundenstamm) entfallen.

 

Normenkette

BGB § 581; GewStG § 8 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1982 gegründete GmbH. Ihr Gegenstand war auch in den Streitjahren 1986 bis 1989 der Betrieb einer Steuerberatungskanzlei. Am 19. März 1985 wurde Steuerberatera zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt.a war Inhaber einer in gemieteten Räumen betriebenen Steuerberatungspraxis. Steuerberater B erwarb diese Praxis (Praxiswert und -einrichtung) vona und überließ sie mit Verträgen vom 19. März 1985 und 20. Februar 1986 ab dem 1. April 1985 der Klägerin zur Nutzung. Die Klägerin übernahm ferner zum 1. April 1985 die gemieteten Praxisräume und das Büropersonal der früheren Praxis des A.

Nach dem "Nutzungs- und Betreuungsvertrag" vom 20. Februar 1986 sollte die Klägerin für die Nutzung des Praxiswertes für 1986 und 1987 je ... DM und für die Überlassung der Praxiseinrichtung für 1986 bis 1991 je ... DM an B entrichten. Die Entgelte sollten nach Ablauf der erwähnten Zeiträume neu festgelegt werden. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, sollte jedoch mit einer Frist von drei Monaten zum jeweiligen Jahresende kündbar sein. Bei Beendigung der Nutzungsüberlassung sollte die Klägerin "den ihr überlassenen und eventuell noch vorhandenen bzw. in den folgenden Jahren originär erworbenen Praxiswert ... an (B) zurück- bzw. übertragen" und alle dann noch bestehenden Verträge (Miete, Personal etc.) zugunsten des B freigeben (Vertrag vom 19. März 1985).

Bei der Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge und der Gewerbesteuer 1986 bis 1989 für den Gewerbetrieb der Klägerin rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gemäß § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) die an B gezahlten Entgelte von jeweils ... DM dem Gewinn zur Hälfte wieder hinzu. In diesem Punkt blieben die Einsprüche gegen die im Anschluß an eine Außenprüfung geänderten Bescheide 1986 und 1987 sowie die Bescheide 1988 und 1989 ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, die Klägerin habe eine Praxis (Unternehmen) gepachtet und folglich sämtliche Entgelte aufgrund eines Pachtvertrages i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG gezahlt.

Mit der auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Klägerin nur gegen die Hinzurechnung der Hälfte der Entgelte für die Überlassung des Praxiswertes.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Gewerbesteuermeßbescheide 1986 und 1987, den Gewerbesteuermeßbescheid 1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie den Gewerbesteuermeßbescheid 1989 dahin abzuändern, daß die Hinzurechnungen in Höhe von je ... DM entfallen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Recht entschieden, daß auch die Entgelte für die Überlassung des Praxiswertes als Pachtzinsen dem Gewinn der Klägerin zur Hälfte hinzuzurechnen sind.

1. Nach § 8 Nr. 7 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind.

2. Sämtliche vom FA dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte zugerechneten Entgelte stellen Pachtzinsen i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG dar. Sie sind Entgelte für die Pacht einer Steuerberaterpraxis. Bei dem zwischen B und der Klägerin abgeschlossenen "Nutzungs- und Betreuungsvertrag" handelt es sich um einen Pachtvertrag. Maßgeblich dafür, ob ein Vertrag als Pachtvertrag i. S. des § 8 Nr. 7 GewStG zu beurteilen ist, sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Juni 1983 I R 113/79, BFHE 139, 286, BStBl II 1984, 17, m. w. N.). Ein Pachtverhältnis i. S. des § 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist gegeben, wenn sich der Verpächter durch Vertrag verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuß der Früchte während der Pachtzeit zu gewähren, und der Pächter sich verpflichtet, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

a) Nach § 581 BGB können Unternehmen als Sach- und Rechtsgesamtheiten mit den immateriellen Werten gepachtet werden. Dies ist auch für freiberufliche Unternehmen grundsätzlich anerkannt (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 3. Oktober 1924 III 171/24, Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht 1925, 373 zur Verpachtung einer Zahnarztpraxis; Staudinger/Sonnenschein, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 581 Rdnr. 87 f.). Ebenso hat der BFH entschieden, daß der an eine freiberufliche Praxis gebundene Praxiswert (Mandantenstamm) mit der Praxis übertragen oder verpachtet werden könne (Urteile vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36, 40; vom 30. März 1994 I R 52/93, BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903 betreffend eine Steuerberaterpraxis).

Daraus folgt, daß bei einer Praxispacht die entgeltliche Überlassung der Praxis und des Praxiswertes (Kundenstammes) einheitlich als pachtvertragliche Regelungen zu beurteilen sind. Die Annahme, daß ein Praxis pachtvertrag allein in bezug auf den Praxiswert (Mandantenstamm) pachtfremde Elemente enthält, ist ausgeschlossen. Nichts anderes ergibt sich aus der Verpflichtung des Pächters, den Pachtgegenstand nach Ablauf der Pachtzeit zurückzugeben (§§ 581 Abs. 2, 556 Abs. 1 BGB). Die Rückgabe des Praxiswertes (Kundenstammes) ist entgegen der Auffassung der Klägerin tatsächlich möglich. Der Umstand, daß während der Pachtzeit der Kundenstamm sich verändert und der gepachtete Praxiswert sich verflüchtigen kann, steht dem nicht entgegen. Bei einem jährlich kündbaren Pachtvertrag kann von einem vollständigen Verbrauch des Praxiswertes während der Pachtzeit nicht gesprochen werden. Im übrigen hat der Senat die Möglichkeit der Verpachtung bereits mit der zusätzlichen Erwägung bejaht, daß der Praxiswert (Kundenstamm) nicht Gegenstand eines Darlehensvertrages sein könne, weil es aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei, einen Praxiswert (Mandantenstamm) gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben (vgl. Urteil in BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903, 906).

b) Das FG ist ferner zu Recht davon ausgegangen, daß eine Verpachtung der Praxiseinrichtung und des Praxiswertes (Mandantenstammes) als Praxisverpachtung beurteilt werden kann, wenn der Pächter die übrigen sachlichen und organisatorischen Grundlagen der Praxis (Räume und Personal) übernimmt.

c) Danach ist die Würdigung des FG, daß der hier zu beurteilende Vertrag die wesentlichen Elemente eines Pachtvertrages aufweist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Annahme einer Pacht hängt auch in bezug auf den Praxiswert (Mandantenstamm) entscheidend davon ab, ob die Einzelpraxis als solche fortbesteht und der Pächter fremde Mandate betreut (vgl. Senatsurteil in BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903, 906). Hiervon konnte das FG im Streitfall schon deshalb ausgehen, weil die Klägerin bei Ablauf des Vertragsverhältnisses zur Rückgabe der Praxiseinrichtung und des in diesem Zeitpunkt bestehenden Praxiswertes (Mandantenstammes) sowie zur Freigabe der bestehenden Verträge (Miete, Personal) verpflichtet war. Für eine entgeltliche Praxisübertragung ist nach den Feststellungen des FG und dem Vortrag der Klägerin nichts ersichtlich. Demzufolge hat die Klägerin sowohl die überlassenen als auch die von ihr gewonnenen neuen Mandate als fremde betreut.

3. Die übrigen Voraussetzungen des § 8 Nr. 7 GewStG sind ebenfalls erfüllt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 438

ZKF 1998, 58

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