Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Wer sich entschließt zollbares Zollgut nicht zu gestellen, zu dessen Gestellung er verpflichtet ist, verfügt bereits in dem Zeitpunkt, in dem er den Entschluß dazu faßt, über das Zollgut erstmalig vorschriftswidrig so, als wäre es im freien Verkehr, und bringt dadurch die Zollschuld zum Entstehen.

 

Normenkette

ZG § 45 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat am 8. Oktober 1951 beim Verkaufe einer Jahresuhr in dem Juweliergeschäft ihres Schwagers zum Preise von 79 DM an Besatzungsangehörige neben 23 DM baren Geldes 800 unverzollte und unversteuerte amerikanische Zigaretten für den Rest des Kaufpreises von 56 DM von diesen in Zahlung genommen und die Zigaretten unter dem Verkaufstisch aufbewahrt. Die Zigaretten wurden "noch keine halbe Stunde später" bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume durch Zollbeamte von der Bfin. vorgezeigt und von den Zollbeamten beschlagnahmt.

Die Bfin. hat bei ihrer sofortigen Vernehmung erklärt, sie habe gewußt, daß sie amerikanische Zigaretten nicht als Entgelt für Waren annehmen dürfe, sie habe ohne überlegung gehandelt. Drei Tage später hat sie unaufgefordert beim Hauptzollamt angegeben, sie habe zur zollamtlichen Gestellung der Zigaretten vom Augenblick der Annahme bis zu ihrer Beschlagnahme "keine Gelegenheit" gehabt, da sie infolge Abwesenheit ihres Schwagers allein im Geschäft gewesen sei.

Streitig ist, ob die Abgabenschuld für die 800 Zigaretten durch erstmalige vorschriftswidrige Verfügung über die Zigaretten entstanden und die Bfin. Zollschuldnerin geworden ist.

Das Hauptzollamt hat mit Steuerbescheid vom 12. Oktober 1951 für die Zigaretten 448,85 DM Eingangsabgaben gefordert. Die Vorinstanz hat den Steuerbescheid des Hauptzollamts durch Anfechtungsentscheidung bestätigt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) konnte keinen Erfolg haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Einfuhrzollschuld entsteht nach § 45 Abs. 1 Ziff. 2 des Zollgesetzes (ZG) dadurch, daß über zollbares Zollgut erstmalig vorschriftswidrig so verfügt wird, als wäre es im freien Verkehr. Zollschuldner ist nach § 47 Abs. 1 Ziff. 2 ZG, wer über das Zollgut erstmalig vorschriftswidrig verfügt. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften über die Entstehung der Zollschuld und über die Person des Zollschuldners sind im vorliegenden Falle gegeben.

Die unverzollten und unversteuerten Zigaretten der amerikanischen Soldaten, die von der Bfin. an Stelle von Geld in Zahlung genommen wurden, sind mit ihrer übernahme durch die Bfin. aus dem Bereiche der Besatzungsmacht ausgetreten und damit zollbares Zollgut geworden (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II z 5/48 S vom 23. Juni 1948, und Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II z 14/48 vom 30. September 1948, Die Steuer 1948 Sp. 282, 480). Dieses Zollgut war nach § 13 ZG der zuständigen Zollstelle zu gestellen. Jedes Verfügen über das Zollgut, durch das die vorgeschriebene Gestellungspflicht verletzt wird, ist ein vorschriftswidriges Verfügen im Sinne des § 45 Abs. 1 Ziff. 2 ZG (vgl. § 62 der Allgemeinen Zollordnung). Dieses vorschriftswidrige Verfügen besteht in dem Unterlassen der Gestellung, das als positives Tun zu werten ist. Das Unterlassen wird ausgelöst durch den Willensentschluß, das Zollgut nicht zu gestellen. Dieser innere Vorgang enthält und erfüllt zugleich den objektiven Tatbestand der Nichtgestellung des Zollguts. Wer den Entschluß faßt, Zollgut nicht zu gestellen, zu dessen Gestellung er verpflichtet ist, verfügt deshalb bereits in diesem Zeitpunkt erstmalig vorschriftswidrig über das Zollgut. Die Zollschuld ist dadurch endgültig entstanden. Der Entschluß, das Zollgut nicht zu gestellen, kann nach außen durch ein Willenserklärung erkennbar werden, oder durch eine Handlung, aus der sich das Vorhandensein dieses Willens ergibt. Er kann aber auch durch Indizien festgestellt werden. Das ist im vorliegenden Falle geschehen. Die Vorinstanz hat auf Grund von Indizien aus ihrer freien, aus der Beweisaufnahme geschöpften überzeugung (ß 278 der Reichsabgabenordnung - AO -) tatsächlich festgestellt, daß die Bfin. bereits bei der übernahme der Zigaretten von den amerikanischen Soldaten den Willen gehabt hat, die Zigaretten nicht zu gestellen. Diese tatsächlichen Feststellungen, die unter zutreffender Anwendung der Denkgesetze und der Erfahrungssätze getroffen sind, binden den Bundesfinanzhof (ß 288 AO). Die Einwendungen der Rb., es sei nicht erwiesen, daß die Bfin. nicht den Willen gehabt habe, die Zigaretten zu gestellen, es sei ihr auch nicht klar gewesen, wie sie sich zu verhalten habe, um rechtmäßig in den Besitz der Zigaretten zu gelangen, wenden sich gegen diese tatsächlichen Feststellungen. Sie sind deshalb für die Rechtsbeschwerdeinstanz unbeachtlich. Die Bfin. hat nach diesen Feststellungen mit der übernahme der Zigaretten den Entschluß der Nichtgestellung der Zigaretten gefaßt und damit über die Zigaretten erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wären sie im freien Verkehr, d. h. die Zigaretten so behandelt, als wären sie bereits zum freien Verkehr zollamtlich abgefertigt worden. Damit ist die Zollschuld bereits in diesem Zeitpunkt endgültig entstanden und die Bfin. gemäß § 47 Abs. 1 Ziff. 2 ZG Zollschuldnerin geworden. Es ist deshalb unwesentlich, daß "noch keine halbe Stunde später" die Zigaretten von den Zollbeamten beschlagnahmt wurden und die Bfin. zur Gestellung der Zigaretten nun nicht mehr in der Lage war.

Die Zollvorschriften über die Entstehung der Zollschuld und über die Person des Zollschuldners gelten entsprechend für die Tabaksteuer und für die Umsatzausgleichsteuer (ß 13 des Tabaksteuergesetzes, § 15 des Umsatzsteuergesetzes). Die Anfechtungsentscheidung der Vorinstanz ist sonach zu Recht ergangen. Die Rb. war aus diesen Gründen, wie geschehen, als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

BStBl III 1953, 26

BFHE 1954, 70

BFHE 57, 70

StRK, ZG:45/1 R 11

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