Leitsatz (amtlich)

Die Gestaltung, daß ein Ehegatte ein Kfz erwirbt und seinem Ehegatten für dessen Unternehmen vermietet, ist nicht deswegen unangemessen i.S. des § 42 AO 1977, weil der "vorgeschaltete" Ehegatte den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs.3 UStG 1980 in Anspruch nehmen kann. Dieser Vorschrift kann dem Grunde nach keine Beschränkung auf bestimmte Begünstigungsvorstellungen des Gesetzgebers entnommen werden.

 

Orientierungssatz

1. Das Umsatzsteuerrecht erfaßt als Steuerpflichtiger (Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980) jede Person, die nach den Voraussetzungen der Vorschrift sich --gleich gegenüber wem-- unternehmerisch betätigt.

2. Will das FA die Besteuerung unter Berufung auf § 42 AO 1977 abweichend von der Steuererklärung vornehmen, so trägt es insoweit die Feststellungslast; eine Vermutung für Rechtsmißbrauch besteht allgemein nicht (vgl. BFH-Beschluß vom 4.8.1987 V B 16/87). Lediglich in Ausnahmefällen kann sich nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung im Hinblick auf bestimmte wiederkehrende Rechtsgestaltungen eine --widerlegbare-- Vermutung der Steuerumgehung ergeben, wenn für die Gestaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.

3. Zweck des mit dem UStG 1980 eingeführten Steuerabzugsbetrags nach § 19 Abs. 3 UStG 1980 war es, die Nachteile auszugleichen, die sich aus dem Wegfall der bis zum Jahre 1979 für Kleinunternehmer geltenden Bruttoumsatzbesteuerung ergaben; ferner sollte ein gleitender Anstieg der Umsatzsteuerbelastung bewirkt werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.2.1988 X R 87/82).

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 19 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die im Steuerberatungsbüro ihres Ehemannes (des Prozeßbevollmächtigten) tätig ist, erwarb im Jahre 1980 einen gebrauchten PKW zum Preis von 30 500 DM einschließlich Umsatzsteuer (26 991,15 DM zuzüglich 3 508,85 DM Umsatzsteuer). Der PKW wurde am 23.Juni 1980 auf den Namen der Klägerin zugelassen. Die Klägerin finanzierte die Anschaffung mit einem Überziehungskredit (33 000 DM). Als Sicherheit hinterlegte sie den Kfz-Brief.

Mit Mietvertrag vom 23.Juni 1980 vermietete die Klägerin den PKW an ihren Ehemann (Steuerberater) bis zum 30.Juni 1983 zu einem monatlichen Mietzins von zunächst 1 060 DM zuzüglich 13 v.H. Umsatzsteuer, ab 1.Oktober 1980 1 225 DM zuzüglich 13 v.H. Umsatzsteuer und Überweisungskosten von 0,25 DM. Der Mieter hatte die Kosten der Unterhaltung einschließlich Steuer und Versicherung (Haftpflicht und Vollkasko) sowie von der Versicherung nicht gedeckte Reparaturkosten bei Verkehrsunfällen zu tragen. Der Klägerin war es gestattet, das Fahrzeug zu besonderen Anläßen selbst zu nutzen. Eine solche Eigennutzung sollte einen Monat zuvor angezeigt werden und war auf 30 Tage im Kalenderjahr begrenzt. Der Mietzins war vom Mieter vierteljährlich zur Mitte des Quartals zu entrichten; im Falle der Eigennutzung durch die Vermieterin sollte eine Mietzinszahlung entfallen.

Für 1980 erklärte die Klägerin eine negative Umsatzsteuerschuld in Höhe von 2 583,35 DM aufgrund der Mietentgelte in Höhe von 7 119 DM (Umsatzsteuer: 925,47 DM) und der Vorsteuern in Höhe von 3 508,85 DM, die ihr für den Erwerb des PKW in Rechnung gestellt worden waren. Für das Jahr 1981 erklärte die Klägerin --unter Anwendung des Steuerabzugsbetrags von 80 v.H. nach § 19 Abs.3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) auf die Umsatzsteuer in Höhe von 1 870,18 DM-- Umsatzsteuer in Höhe von 374 DM auf Mietentgelte in Höhe von 13 681 DM und auf Eigenverbrauch in Höhe von 705 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte nach einer Umsatzsteuersonderprüfung den Mietvertrag wegen Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) nicht an mit der Begründung, er sei nur abgeschlossen worden, um der Klägerin den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs.3 UStG 1980 zukommen zu lassen.

Mit der weiteren Begründung, die Klägerin schulde die ihrem Ehemann in den Rechnungen über den Mietzins ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs.3 UStG 1980, setzte das FA gegen die Klägerin für 1980 Umsatzsteuer in Höhe von 925 DM und für 1981 in Höhe von 1 778 DM fest.

Nach erfolglosem Einspruch beantragte die Klägerin mit der Klage, die Umsatzsteuer für 1980 und 1981 wie erklärt festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat im wesentlichen folgende Auffassung: § 42 AO 1977 sei erfüllt, weil der von der Klägerin und ihrem Ehemann beschrittene Weg für das angestrebte Ziel (Anschaffung eines für die Berufstätigkeit des Ehemannes zu nutzenden PKW) völlig ungewöhnlich sei und beachtliche außersteuerliche Gründe für diese Gestaltung nicht dargelegt worden seien. Die Gestaltung sei im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 19 Abs.3 UStG 1980 vorgenommen worden (auch wenn diese wegen des Vorsteuerüberschusses noch nicht für das Jahr 1980, sondern erst für das Jahr 1981 in Betracht gekommen sei). Angesichts der Höhe der vereinbarten Miete hätte die Anwendung des § 19 Abs.3 UStG 1980 zur Folge, daß der mietende Ehegatte (Unternehmer) die ihm für die Mietumsätze in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in voller Höhe als Vorsteuerüberschuß erhalte, während die Klägerin als Vermieterin für die Jahre ab 1981 nur 20 v.H. der Umsatzsteuer an das FA abführen müßte.

Das Normalbild in einem Fall wie dem vorliegenden sei, daß der berufstätige Ehemann das für seine Berufsausübung benötigte Fahrzeug selbst erwerbe. Der Ehemann wäre im Hinblick auf die von ihm aufgewendeten Kosten in der Lage gewesen, die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs selbst zu finanzieren. Zumindest wäre es der normale Weg gewesen, daß ihm die Ehefrau die Finanzierung durch selbstschuldnerische Bürgschaft oder durch das Auftreten als Mitdarlehensnehmerin eröffnet hätte.

Der Steuerabzugsbetrag als degressive Steuerermäßigung sei als steuerliche Hilfe für Kleinunternehmer im Wettbewerb mit ihren umsatzstärkeren Konkurrenten (Regelversteuerern) eingeführt worden. Diese Zielsetzung komme in Fällen der vorliegenden Art nicht zum Tragen. Eine Wettbewerbslage mit Kfz-Vermietungsunternehmen bestehe nicht. Von einer allgemeinen Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr auf diesem Sektor könne bei der Vermietung eines einzelnen PKW an den Ehemann keine Rede sein. Es handle sich ausschließlich um eine der gesetzgeberischen Zielsetzung des Vorsteuerabzugs und der Steuerabzugsregelung widersprechende Inanspruchnahme von Steuervorteilen.

Die Klägerin habe nach Maßgabe des § 42 Satz 1 AO 1977 keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt. Sie könne daher weder die ihr für die Anschaffung des PKW in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen noch stehe ihr der Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs.3 UStG 1980 zu. Die Klägerin schulde die ihrem Ehemann in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs.2 (nicht Abs.3) UStG 1980; denn sie habe die Steuer rechtsirrtümlich für --nicht offensichtlich-- steuerfreie Leistungen und gutgläubig hinsichtlich ihrer Unternehmereigenschaft ausgewiesen. Ihr stehe daher die Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 14 Abs.2 Satz 2 UStG 1980 offen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 19 UStG 1980 und § 42 AO 1977. Sie trägt dazu u.a. vor: Eine Vertragsgestaltung sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Beschluß vom 29.November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272) nicht schon deshalb als mißbräuchlich anzusehen, weil die Beteiligten mit ihr den Zweck verfolgten, eine Steuervergünstigung zu erreichen. Die Inanspruchnahme des gesetzlich vorgesehenen Kürzungsbetrags nach § 19 Abs.3 UStG 1980 könne nicht Gestaltungsmißbrauch begründen. Überdies sei der Kürzungsbetrag nicht angestrebt worden, sondern ein geringer Steuerspareffekt im Rahmen der außersteuerlichen Gründe der Gestaltung (eigene Einkünfte und Vermögensbildung bei der Vermieterin, insbesondere Wegfall der Kapitalbindung und des Risikos aus dem Halten des Fahrzeugs beim Mieter).

Im Ertragsteuerrecht würden Mietverträge zwischen nahen Angehörigen nicht als Gestaltungsmißbrauch angesehen. Auch bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung im Ertragsteuerrecht dürfe nicht von der --wenn auch widerlegbaren-- Vermutung ausgegangen werden, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen (Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschluß vom 12.März 1985 1 BvR 571/81 u.a., BStBl II 1985, 475; Betriebs-Berater --BB-- 1985, 1050).

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und, sinngemäß, ihren Klageanträgen stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es hält das FG-Urteil im wesentlichen für zutreffend, geht aber davon aus, daß der Umsatzsteuerausweis in Mietzinsrechnungen durch die Klägerin als Nichtunternehmerin den Steuertatbestand des § 14 Abs.3 und nicht des Abs.2 UStG 1980 erfülle.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entgegen der Auffassung des FG können die angefochtenen, auf § 42 AO 1977 gestützten Steuerfestsetzungen für die Jahre 1980 und 1981 nicht bestätigt werden.

1. Die Klägerin war in den Streitjahren Unternehmer i.S. des § 2 Abs.1 UStG 1980. Sie betätigte sich selbständig gewerblich oder beruflich. Die während der Streitjahre durchgeführte (für mehrere Jahre vereinbarte) entgeltliche PKW-Vermietung war eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs.1 Satz 3 UStG 1980).

Bei der Steuererklärung für 1980 konnte die Klägerin daher die Vorsteuer aus der Anschaffung des PKW gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 abziehen. Die Lieferung des PKW an sie erfolgte "für ihr Unternehmen", nämlich für die unternehmerische Vermietung des PKW an den Ehemann. Gegen die Zuordnung des PKW zum Unternehmen der Klägerin bestehen auch im Hinblick auf die (von vornherein festgelegte) Möglichkeit einer beschränkten Eigennutzung keine Bedenken (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 25.März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Dem Vorsteuerabzug stand nicht § 19 Abs.1 Satz 4 UStG 1980 im Wege; denn die Klägerin hatte auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs.1 UStG 1980 verzichtet (§ 19 Abs.2 Satz 1 UStG 1980).

Für 1981 konnte die Klägerin die auf die Vermietungsumsätze und den Eigenverbrauch entfallende Umsatzsteuer um den sog. Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs.3 UStG 1980 kürzen, weil ihr Umsatz im laufenden Kalenderjahr (§ 19 Abs.3 Satz 2 i.V.m. Abs.4 UStG 1980) 60 000 DM nicht überstieg.

2. Die hier zu beurteilende Gestaltung der Anschaffung des Kfz durch die Klägerin und dessen Vermietung an ihren Ehemann ist nicht mißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977.

a) Nach § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Will das FA die Besteuerung unter Berufung auf § 42 AO 1977 abweichend von der Steuererklärung vornehmen, so trägt es nach der Rechtsprechung des BFH insoweit die Feststellungslast; eine Vermutung für Rechtsmißbrauch besteht allgemein nicht (vgl. BFH, Beschluß vom 4.August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756, mit Nachweisen). Lediglich in Ausnahmefällen kann sich nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung im Hinblick auf bestimmte wiederkehrende Rechtsgestaltungen eine --widerlegbare-- Vermutung der Steuerumgehung ergeben, wenn für die Gestaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Der Senat sah einen derartigen Ausnahmefall bei der sog. Zwischenvermietung für gegeben an (BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756). Er stützte dies darauf, daß die Steuerbefreiung des § 4 Nr.12 UStG 1980 auf der vom Gesetzgeber angenommenen üblichen Gestaltung beruhe, daß Wohnungen zu Wohnzwecken (vom Letztverbraucher) verwendet würden; die Einschaltung eines (diesen Zweck nicht erfüllenden) Zwischenmieters und der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an diesen sei demgegenüber ungewöhnlich und auch unangemessen i.S. des § 42 AO 1977, wenn nicht Gründe für die Angemessenheit der --gemessen an der eindeutig erkennbaren gesetzlichen Wertung-- ungewöhnlichen Gestaltung durch den Steuerpflichtigen dargelegt würden.

Damit ist der Streitfall --entgegen der Auffassung des FG (dem sich das FG des Saarlandes, Urteil vom 8.April 1987 1 K 214/86, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 432, und FG Nürnberg, Urteil vom 15.Dezember 1987 II 185/85, EFG 1988, 444, angeschlossen haben)-- nicht vergleichbar.

b) Daß der Ehemann der Klägerin den PKW nicht selbst (für sein Unternehmen) erwarb, sondern dazu die Klägerin, seine Ehefrau, sozusagen "vorschaltete", die durch die Vermietung an den Ehemann zur (Klein-)Unternehmerin wurde und gemäß § 19 Abs.2 UStG 1980 auf die Nichtbesteuerung nach § 19 Abs.1 UStG 1980 verzichtete, ist keine Abweichung von einer "angemessenen" Sachverhaltsgestaltung, die der Gesetzgeber als Regelungsgrundlage des § 19 Abs.3 UStG 1980 angesehen haben könnte.

Zum einen erfaßt das Umsatzsteuerrecht als Steuerpflichtigen (Unternehmer i.S. des § 2 Abs.1 UStG 1980) jede Person, die nach den Voraussetzungen der Vorschrift sich --gleich gegenüber wem-- unternehmerisch betätigt. Mit der "Vorschaltung" der Klägerin zum Erwerb und zur Vermietung des PKW wurde im übrigen keine Umsatzbesteuerung von Umsätzen bei einer anderen Person (hier dem Ehemann) vermieden; vielmehr wurden dadurch steuerpflichtige Umsätze zusätzlich ausgelöst.

Soweit darüber hinaus die Klägerin aufgrund der hier zu beurteilenden Gestaltung die Voraussetzungen zum Abzug der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer erhielt, ergibt sich daraus ebenfalls keine Umgehung des Steuergesetzes; auch der Ehemann wäre zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er den PKW selbst für sein Unternehmen angeschafft und verwendet hätte; denn die Verwendung hätte nicht im Rahmen steuerfreier Umsätze stattgefunden (§ 15 Abs.2 UStG 1980).

c) Soweit die Klägerin im Streitjahr 1981 den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs.3 UStG 1980 in Anspruch nahm, ist dies ebenfalls nicht rechtsmißbräuchlich. Auch wenn man hier von einer nicht notwendigen und sogar rechtspolitisch unerwünschten Gestaltung ausgehen sollte, reicht dies nicht aus, eine von § 42 AO 1977 vorausgesetzte unangemessene Gestaltung zu bejahen (vgl. unter 2.a).

Zweck des mit dem UStG 1980 eingeführten Steuerabzugsbetrags nach § 19 Abs.3 UStG 1980 war es, die Nachteile auszugleichen, die sich aus dem Wegfall der bis zum Jahre 1979 für Kleinunternehmer geltenden Bruttoumsatzbesteuerung ergaben; ferner sollte ein gleitender Anstieg der Umsatzsteuerbelastung bewirkt werden (vgl. BFH, Urteil vom 24.Februar 1988 X R 87/82, BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622, unter II.3.g) mit Nachweisen).

Die Regelung des § 19 Abs.3 UStG 1980 wurde zwischenzeitlich durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) mit Wirkung ab 1.Januar 1990 ersatzlos gestrichen. Sie hatte sich als nicht gerechtfertigt erwiesen, weil der Steuerabzugsbetrag wie eine Subvention wirkte, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Kleinunternehmers zu berücksichtigen. Eine gezielte und damit auch wirtschaftlich sinnvolle Förderung von Unternehmern durch den Steuerabzugsbetrag erwies sich als nicht möglich (vgl. BTDrucks 11/2157, II.Besonderer Teil, zu Art.12 --UStG--, zu Nr.8, zu Buchst.b). Zudem wurden die zur Erlangung des Steuerabzugsbetrags vorgenommenen "Betriebsaufspaltungen" --wie z.B. im Streitfall-- als unerwünscht angesehen, zumal dadurch eine Vermehrung der Kleinunternehmer nur im Hinblick auf den Steuerabzugsbetrag eintrat (vgl. u.a. Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Verfügung vom 16.Juli 1981, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1981, 242; Dickkopf, BB 1988, 956; Kruhl, UR 1988, 370; Reiß, Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1988/89, 43, 68 ff.; Wilke, UR 1988, 188). Den wiedergegebenen Aufhebungsgründen ist --zur Umschreibung des Regelungsbereichs des § 19 Abs.3 UStG 1980-- nichts hinzuzufügen. Die Beseitigung der Ausnahmeregelung durch den Gesetzgeber war geboten. Eine vergleichbare allgemeine Korrektur durch die Rechtsprechung war nicht möglich.

Die Geltung der "degressiven Steuervergünstigung" für alle regelversteuernden Kleinunternehmer entsprach --jedenfalls objektiviert-- dem Willen des Gesetzgebers. Die allgemeine Fassung der Vorschrift des § 19 Abs.3 UStG 1980 und der uneingeschränkte Geltungsbereich bewirken nicht nur, daß --wie der X.Senat im Urteil in BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622, unter II.3.f) zutreffend ausführte-- rechtspolitische Bedenken hiergegen nicht durch Auslegung der Vorschrift zur Geltung gebracht werden können; eine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ist nicht ersichtlich (vgl. BFH, Beschluß vom 21.November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, unter C.I.b)ee). Daraus folgt auch, daß solche rechtspolitischen Bedenken nicht durch die Annahme (insbesondere nicht mit Hilfe einer Vermutung) von Rechtsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 durchgesetzt werden können. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Gestaltung nur in der "Vorschaltung" eines Unternehmers besteht, der den Steuerabzugsbetrag in Anspruch nehmen kann (was dem "nachgeschalteten" Unternehmer nicht möglich gewesen wäre), soweit im übrigen durch die Gestaltung entgegen erkennbaren gesetzlichen Intentionen Steuervergünstigungen anderer Art nicht erreicht und Steuerbelastungen anderer Art nicht umgangen werden sollten.

Da § 19 Abs.3 UStG 1980, wie bereits ausgeführt, eine vom Gesetzgeber als angemessen vorausgesetzte bestimmte Gestaltung der Verhältnisse nicht erkennen läßt, im Vergleich zu der die Gestaltung der hier streitigen Verhältnisse unangemessen erschiene, scheidet die Anwendung des § 42 AO 1977 aus (vgl. auch Reiß, Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1988/89, 43, 69 f.).

Das FA hat im übrigen keine sonstigen Gründe dargelegt, die gegen die Angemessenheit der Gestaltung der Leistungsverhältnisse und für eine einschränkende Anwendung des § 19 Abs.3 UStG 1980 in diesem Fall sprächen. Die von der Klägerin und ihrem Ehemann gewählte Gestaltung des Einsatzes von Anlagegegenständen kann auch dann nicht als rechtsmißbräuchlich (unangemessen) angesehen werden, wenn sie nur bezweckt haben sollte, die vom Gesetzgeber vorgesehene Umsatzsteuervergünstigung des § 19 Abs.3 UStG 1980 zu erreichen (vgl. auch BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272, unter C.III.).

3. Der Senat kann nicht durcherkennen. Die beantragte, erklärungsgemäße Steuerfestsetzung setzt voraus, daß das vereinbarte Mietentgelt für die Vermietungsleistungen der Klägerin nicht unter der sog. Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs.5 Nr.1 i.V.m. § 10 Abs.4 Satz 1 Nr.2 UStG 1980 liegt. Da die Klägerin die Vermietungsleistungen als Einzelunternehmer an ihren Ehemann als eine ihr nahestehende Person ausführte (§ 10 Abs.5 Nr.1 UStG 1980), gilt für diese Umsätze entsprechend die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs.4 Satz 1 Nr.2 UStG 1980 mit "den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten", wenn diese Bemessungsgrundlage das (vereinbarte) Entgelt nach § 10 Abs.1 UStG 1980 übersteigt. Das FG hat letztere --aus seiner bisherigen Sicht zu Recht-- unterbliebenen Feststellungen nachzuholen.

4. Beide Beteiligten haben zwar auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Senat hielt es gleichwohl für angebracht, durch Vorbescheid zu entscheiden (§ 90 Abs.3 i.V.m. § 121 FGO), um dem Bundesminister der Finanzen Gelegenheit zu geben, in Kenntnis der Gründe des Vorbescheids dem Verfahren beizutreten (§ 122 Abs.2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62819

BFH/NV 1989, 53

BStBl II 1990, 100

BFHE 158, 166

BFHE 1990, 166

BB 1990, 121

BB 1990, 121-122 (LT1)

DB 1990, 27-28 (LT)

DStR 1989, 780 (KT)

HFR 1990, 208 (LT)

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