Leitsatz (amtlich)

Ein Unternehmer braucht Gegenstände, die er zur Nutzung sowohl in seinem Unternehmen als auch in seinem nichtunternehmerischen Bereich erwirbt, nicht seinem Unternehmen zuzuordnen. Die beim Erwerb getroffene Zuordnung zum unternehmerischen oder zum nichtunternehmerischen Bereich wird durch Änderungen des jeweiligen Anteils der unternehmerischen/nichtunternehmerischen Nutzung jedenfalls solange nicht berührt, als nicht der Anteil einer der beiden Nutzungsarten unwesentlich wird.

 

Orientierungssatz

Als Hilfsgeschäft gehört zur Unternehmertätigkeit jede Tätigkeit, die die Haupttätigkeit mit sich bringt (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.1964 V 227/62 U). Damit wird insbesondere der Verkauf gebrauchter Einrichtungsgegenstände erfaßt. Bei den Hilfsgeschäften zur unternehmerischen Haupttätigkeit ist die Nachhaltigkeit aufgrund der Gesamtheit der Umsätze, zu denen es gehört, zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 11.4.1957 V 46/56 U). Die Steuerbarkeit des Hilfsgeschäfts setzt voraus, daß der Unternehmer einen zuvor dem unternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstand aus diesem Bereich abgibt.

 

Normenkette

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1, § 2 Abs. 1 S. 2; UStR 1988 Abschn. 20 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Entscheidung vom 20.07.1982; Aktenzeichen II 102/81)

 

Tatbestand

I. Der während des Revisionsverfahrens verstorbene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb jahrelang eine Gastwirtschaft, zunächst als Pächter, ab 1978 als Eigentümer. Die Umsätze aus diesen Unternehmen versteuerte der Kläger nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/73. Während seiner unternehmerischen Tätigkeit als Gastwirt unterhielt der Kläger regelmäßig einen PKW, den er überwiegend nichtunternehmerisch nutzte. Der PKW wurde jeweils ertragsteuerrechtlich dem Privatvermögen zugeordnet; die unternehmerische Nutzung wurde nicht erfaßt. 1977 erwarb der Kläger einen gebrauchten PKW (für 8 000 DM). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) unterblieb der Abzug der im Kaufpreis enthaltenen Umsatzsteuer als Vorsteuer. Auf Grund der im Anschaffungsjahr zu etwa 67 v.H. nichtunternehmerischen Nutzung des PKW wurde dieser ertragsteuerrechtlich dem privaten Bereich des Klägers zugeordnet. Im Februar 1979 verkaufte der Kläger den PKW für 5 400 DM ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer. Der Verkaufserlös wurde vom Kläger weder den Betriebseinnahmen noch den Umsätzen zugerechnet.

Für die Jahre 1977, 1978 und 1979 wurde folgende Nutzung des PKW festgestellt:

Jahr Fahrkilometer unternehmerische nichtunternehmerische

Nutzung Nutzung

1977 3 443 1 143 km = 33 % 2 300 km = 67 %

1978 8 527 5 116 km = 60 % 3 411 km = 40 %

1979 4 910 400 km = 8 % 4 510 km = 92 %

------ --------------- ----------------

16 880 6 659 km 10 221 km.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte im Umsatzsteuerbescheid 1979 auch aus dem Verkaufserlös Umsatzsteuer in Höhe von 578,57 DM (mit dem Steuersatz 12 v.H.) an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage statt. Das Urteil ist in der Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1982, 249 abgedruckt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 1 Abs.1 UStG 1973. Es vertritt weiterhin die Auffassung, der PKW sei als Gegenstand des Unternehmens steuerbar und steuerpflichtig verkauft (geliefert) worden. Dazu trägt es im wesentlichen vor: § 1 Abs.1 UStG 1973 räume dem Unternehmer kein Wahlrecht ein, ob er Lieferungen und sonstige Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführen wolle; das gelte auch für den Eigenverbrauch. Maßgebend für die Zuordnung müßten in erster Linie objektive Gesichtspunkte sein. Die Zuordnung könne nicht in das Belieben des Unternehmers gestellt werden. Ein Gegenstand, bei dem der unternehmerische Nutzungsanteil über 50 v.H. liege --also überwiege-- sei Gegenstand des Unternehmens (so FG Hamburg, Urteil vom 10.November 1971 VI 37/71, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1972, 263). Ob bei Anschaffung des Gegenstands Vorsteuer abgezogen worden sei, sei für die Zuordnung unerheblich. Denn ein Vorsteuerabzug könne auch wegen Anschaffung ohne Vorsteuerbelastung unterblieben sein. Der Wortlaut des § 1 Abs.1 UStG 1973 verlange für die Steuerbarkeit eines Umsatzes keinen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Vorsteuerabzug.

Ein Zuordnungswahlrecht des Unternehmers könne allenfalls angenommen werden, wenn der Gegenstand zu 50 v.H. oder weniger dem Unternehmen diene; nur hier schieden objektive Gründe für die Zuordnung zum Unternehmen aus. Da der Kläger aber den PKW im Jahr vor der Veräußerung überwiegend unternehmerisch genutzt habe, sei er Gegenstand des Unternehmens geworden und folglich in dessen Rahmen steuerbar und steuerpflichtig veräußert worden.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist unbegründet.

Der Kläger hat mit dem Verkauf des PKW im Streitjahr 1979 keine nach § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 steuerbare (und steuerpflichtige) Lieferung "im Rahmen seines Unternehmens" ausgeführt.

1. Nach § 2 Abs.1 Satz 2 UStG 1973 umfaßt das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist (nach Satz 3 der Vorschrift) jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (neben weiteren, hier nicht einschlägigen Voraussetzungen). Zur nachhaltigen Umsatztätigkeit des Klägers als Gastwirt gehörte der PKW-Verkauf nicht.

2. Der PKW-Verkauf fällt auch nicht als sog. "Hilfsgeschäft" in den Rahmen des Unternehmens des Klägers. Mit diesem Begriff hat die Rechtsprechung folgende Auslegung des § 2 Abs.1 Satz 2 UStG umschrieben: Als Hilfsgeschäft gehört zur Unternehmertätigkeit jede Tätigkeit, die die Haupttätigkeit mit sich bringt (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 28.Oktober 1964 V 227/62 U, BFHE 81, 100, BStBl III 1965, 34, mit Nachweisen). Damit wird insbesondere der Verkauf gebrauchter Einrichtungsgegenstände des Unternehmens (sog. Gegenstände des "Anlagevermögens", häufig der Verkauf gebrauchter PKW) erfaßt (vgl. entsprechend zum Gegenstand der Hilfsgeschäfte aus dem nichtunternehmerischen Bereich: BFH, Urteil vom 20.Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176, unter B 6.). Bei den Hilfsgeschäften zur unternehmerischen Haupttätigkeit ist die Nachhaltigkeit aufgrund der Gesamtheit der Umsätze, zu denen es gehört, zu beurteilen (BFH, Urteil vom 11.April 1957 V 46/56 U, BFHE 64, 594, BStBl III 1957, 222 - Verkauf eines PKW, der ausschließlich der Handelsvertretertätigkeit gedient hatte -; vgl. auch jetzt Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1988, Abschn.20 Abs.2).

Der Annahme eines steuerbaren (Hilfs-)Umsatzes steht entgegen, daß der PKW zuvor kein Gegenstand des Unternehmens des Klägers war. Ebenso wie die ausdrücklich geregelten Tatbestände des Eigenverbrauchs (vgl. § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.a und b UStG 1973) setzt die Steuerbarkeit eines Hilfsgeschäfts der hier zu beurteilenden Art voraus, daß der Unternehmer einen zuvor dem unternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstand aus diesem Bereich abgibt (vgl. zum Eigenverbrauch BFH, Urteil vom 28.Februar 1980 V R 138/72, BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309; vgl. ferner die Regelung in § 15a Abs.4 und 5 UStG 1973). Was unter Zuordnung zu verstehen ist, muß beim Hilfsgeschäft wie beim Eigenverbrauch aus der Regelung zum Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) entnommen werden. In den unternehmerischen Bereich gelangen grundsätzlich die Lieferungen und sonstigen Leistungen an einen Unternehmer, "die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind" (§ 15 Abs.1 UStG 1967). Voraussetzungen und Umfang dieser Zuordnung sind mangels gesetzlicher Umschreibung durch Auslegung zu bestimmen.

Wie der BFH bereits im Urteil vom 19.April 1979 V R 11/72 (BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420) ausgeführt hat, richtet sich die Zuordnung eines (sowohl nichtunternehmerischer als auch unternehmerischer Nutzung dienenden) Gegenstands zum Unternehmen nicht nach ertragsteuerrechtlichen Kriterien (Einordnung als Betriebs- oder Privatvermögen), weil das Umsatzsteuerrecht nicht von einer Unterscheidung nach Vermögensarten, sondern nach Tätigkeitsarten ausgeht; besteuert wird nur die unternehmerische Umsatzbetätigung. Der BFH hat vielmehr § 15 Abs.1 UStG 1967/73 als Zuordnungsvorschrift dahingehend ausgelegt, daß ein Gegenstand, der sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch (dies auch in abwechselnder Folge) verwendet werden kann --z.B. wie ein PKW--, dann als insgesamt für das Unternehmen angeschafft anzusehen ist, wenn der Unternehmer eine entsprechende Zuordnungsentscheidung getroffen hat. Eine Zuordnung zum Unternehmen darf der Unternehmer vornehmen, wenn der Gegenstand im Umfang des vorgesehenen Einsatzes für unternehmerische Zwecke in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. Die Bestimmungsfreiheit des Unternehmers findet jedoch dort ihre Grenzen, wo der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen nach den Umständen des einzelnen Falles nur eine so unwesentliche Bedeutung zukommen kann, daß der Gegenstand insgesamt als Teil des unternehmensfremden Bereichs anzusehen ist oder wo der Bezug einer Leistung nach den gesamten Umständen allein für die "private" (nichtunternehmerische) Nutzung bestimmt ist (vgl. insbesondere Urteile vom 18.Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, und vom 26.April 1979 V R 46/72, BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530).

Eine bestimmte "Unwesentlichkeitsgrenze" hat der Senat im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls nicht gezogen. Soweit im Urteil in BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420, die Möglichkeit der Zuordnung zum Unternehmen bejaht wird, wenn die Eingliederung eines bezogenen Leistungsgegenstands zum Unternehmen auf Grund der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands offensichtlich sei und daneben die nichtunternehmerische Nutzung ersichtlich zurücktrete und nicht das Maß von 25 v.H. überschreite, hat der Senat darauf hingewiesen, daß dies nur für die besonderen Voraussetzungen des Kleinunternehmers nach § 19 UStG 1967 gelte, nicht aber für den Regelversteuerer mit der Zuordnungsvorschrift des § 15 Abs.1 UStG 1967.

Die Zuordnung des Gegenstands zum unternehmerischen Bereich bei Anschaffung bleibt durch spätere Änderungen des Umfangs der nichtunternehmerischen im Verhältnis zur unternehmerischen Nutzung unberührt, es sei denn, der Gegenstand wird dem Unternehmen für nichtunternehmerische Zwecke entnommen (wobei die Voraussetzungen einer Entnahme im einzelnen hier offenbleiben können).

Die vorliegend zu entscheidende --umgekehrte-- Fragestellung, ob der Unternehmer den PKW, den er sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch verwendet, bei der Anschaffung insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen kann, läßt sich --unter Anerkennung der Zuordnungsfreiheit des Unternehmers-- schon damit bejahen, daß der Kläger die entsprechende Zuordnung getroffen hat. Indizien dafür sind, daß er bei Anschaffung des PKW auf den Vorsteuerabzug --der nach den Feststellungen des FG offenbar möglich war-- verzichtet und ferner den PKW auch ertragsteuerrechtlich als Privatvermögen behandelt hat. Die festgestellte tatsächliche Nutzung des PKW im Besteuerungszeitraum der Anschaffung (33 v.H. zu unternehmerischen und 67 v.H. zu nichtunternehmerischen Zwecken) steht der Zuordnungsentscheidung des Klägers für den nichtunternehmerischen Bereich nicht entgegen. Daß ein überwiegend nichtunternehmerisch genutzter Gegenstand nicht schon deswegen dem Unternehmen zuzuordnen ist, weil er (auch) für das Unternehmen notwendig ist, hat der Senat bereits im Urteil in BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420, unter 3., ausgesprochen.

Die bei Anschaffung des PKW durch den Kläger vorgenommene Zuordnung zum nichtunternehmerischen Bereich blieb bis zum Verkauf unberührt.

Eine Zuordnung des PKW durch "Einlage" in das Unternehmen nach der Anschaffung hat der Kläger nicht vorgenommen. Ob eine "Einlage" in das Unternehmen auf Grund objektiver Umstände und unbeschadet oder entgegen der Zuordnung durch den Unternehmer anzunehmen ist, wenn die nichtunternehmerische Verwendung des Gegenstands in einem Besteuerungszeitraum nur unwesentlich ist oder wenn der Gegenstand nach seiner Beschaffenheit nur der unternehmerischen Nutzung dienen kann und dient, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der Einsatz des PKW im Unternehmen des Klägers stieg zwar von 33 v.H. im Jahr 1977 auf 60 v.H. im Jahr 1978. Damit überwog zwar in diesem (einen) Jahr die unternehmerische Nutzung. Dieser Nutzungsanteil ist jedoch nicht so hoch, daß man schon von einer unwesentlichen nichtunternehmerischen Nutzung sprechen könnte. Dem bloßen "Überwiegen" (d.h. dem Überschreiten der 50 v.H.-Grenze) der unternehmerischen Nutzung kommt hier ebensowenig ausschlaggebende Bedeutung zu wie dem Überwiegen nichtunternehmerischer Nutzung im Fall der Zuordnung zum Unternehmen. Daraus könnte sich bezüglich eines Gegenstands --je nach Nutzungsanteilen-- eine wechselnde Folge von Zuführungsvorgängen (ohne Umsatzsteuerentlastung) und Entnahmevorgängen (mit Umsatzsteuerbelastung) ergeben, wie sie vom geltenden Umsatzsteuersystem nicht vorgesehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62177

BStBl II 1988, 649

BFHE 153, 171

BFHE 1989, 171

BB 1988, 1586-1588 (LT1)

DB 1988, 1635-1636 (LT)

DStR 1988, 550 (ST1)

HFR 1988, 525 (LT1)

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