Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Geräten für die drahtgebundene Datenübertragung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur zolltariflichen Abgrenzung zwischen elektrischen Geräten für die drahtgebundene Telegrafentechnik und Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen.

2. Geräte, deren Gesamtfunktion in der Datenfernübertragung innerhalb eines Kommunikationsnetzes besteht, sind ungeachtet datenverarbeitender Zwischenfunktionen keine Einheiten ... (1.).

3. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigung der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskunft.

 

Normenkette

KN (1991) Unterpos. 8517 8200; KN (1991) Unterpos. 8471 9910; KN (1991) Unterpos. 8473 3090; KN Anm. 5B zu Kap. 84; FGO § 100 Abs. 1 S. 4

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin unter dem 13. Dezember 1991 vier verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über Protocol Processor ..., Packet Switch ... und Intelligent Packet Node ... - nachfolgend als Geräte 1 bis 3 bezeichnet - sowie Fast Packet Switch Model ... - nachfolgend als Gerät 4 bezeichnet - unter Zuweisung dieser Erzeugnisse jeweils zu Unterposition 8517 8200 der Kombinierten Nomenklatur (KN): elektrische Geräte für die drahtgebundene Telegrafentechnik, nicht für Trägerfrequenzsysteme. Bei den mit Anzeigen, Schaltern, Anschlußbuchsen, Stromversorgung und gedruckten, mit aktiven und passiven Bauelementen usw. bestückten Schaltungen versehenen Geräten 1 bis 3 handelt es sich nach den Warenbeschreibungen in den vZTA um unterschiedliche Konzentrator/(Vor-)Schalt- und Vermittlungsrechner zum Konzentrieren von Endgeräten und für die drahtgebundene Datenübertragung. Das ähnlich ausgestattete Gerät 4 wird als Einheit zur drahtgebundenen Signalübertragung beschrieben. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Warenbeschreibungen verwiesen (...). Eine Einreihung in die Position 8471 - Einheiten von automatischen Datenverarbeitungsmaschinen - lehnte die OFD in allen Fällen ab, weil die zur Datenübertragung dienenden Geräte insgesamt eine eigene, nicht die Datenverarbeitung betreffende Funktion hätten. In ihrer Einspruchsentscheidung vom 10. November 1992 führte die OFD ergänzend aus, unmaßgeblich sei, daß die Geräte im Rahmen ihrer Gesamtfunktion Datenverarbeitungen ausübten; entscheidend sei vielmehr die nicht in Datenverarbeitung bestehende Gesamtfunktion - Datenübertragung -, die die datenverarbeitende Zwischenfunktion zurücktreten lasse (Hinweis auf Anm. 5B Abs. 3 zu Kap. 84).

Die von der Klägerin hiergegen erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wird nunmehr, nachdem die Unterposition 8517 82 weiter aufgegliedert worden ist und infolge dieser Tarifänderung - KN 1993 - die vZTA ungültig geworden sind - Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 des Rates vom 20. Juni 1990 über die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten Auskünfte über die Einreihung von Waren in die Zollnomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 160/1) -, als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführt.

Die Klägerin meint, die Geräte seien nicht der Position 8517, die Geräte 1 bis 3 vielmehr der Unterposition 8471 9910 - andere periphere Einheiten - und das Gerät 4 der Unterposition 8473 3090 - andere Teile/Zubehör für Maschinen der Position 8471 - zuzuweisen. Die Hauptfunktionsbaugruppe der universell einsetzbaren (Multifunktions-)Geräte 1 bis 3 sei ein Mikrocomputer mit Zentraleinheit und Speicher. Nur eine der mit den Geräten erfüllbaren Funktionen falle in den Bereich der drahtgebundenen Fernsprech- und Telegrafentechnik, ihre Hauptverwendung sei dagegen mit der Funktion programmierbare Peripherie-/Steuer- bzw. Anpaßeinheit zu umschreiben (Hinweis auf Sachverständigengutachten...), wobei Teilfunktionen der Zentraleinheit, also solche der Datenverarbeitung, wahrgenommen würden. Zu dieser gehöre auch die funktionsbedingte Verbindung (Datenübertragung in codierter Form, ohne Datenmodulation). Zur Übertragung (Senden) von Daten seien die Geräte selbst nicht unmittelbar verwendbar. Sie würden in verschiedenen EG-Mitgliedstaaten in die Position 8471 eingereiht. Auch das für die Datenübertragung (Multiplex-System) bestimmte Gerät 4 nehme eine Teilfunktion der Datenverarbeitung wahr.

Die OFD führt aus, die Geräte 1 bis 3 dienten allein zur Abwicklung der mit der Datenfernübertragung im Rahmen fernmeldetechnischer Netzwerke unmittelbar zusammenhängenden Arbeiten. Das schließe Datenaufbereitung, Gerätesteuerung und Leitungsverbindung ein. Ohne Bedeutung sei, daß sie nicht unmittelbar selbst zur Datenfernübertragung imstande seien, sondern an Geräte angeschlossen werden müßten, die den Zugang zu öffentlichen oder privaten Datenfernübertragungsleitungen herstellen. Auch das - eigenständige - Gerät 4 werde bei der Datenfernübertragung eingesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die der Klägerin erteilten vZTA sind ungültig geworden. Sie haben sich damit anders als durch Rücknahme erledigt (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Fortsetzungsfeststellungsklage, auf die die Klägerin auch von ihrer mit einer Anfechtung verbundenen Verpflichtungsklage übergehen durfte, ist zulässig, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der nunmehr begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse ist, bezogen auf eine ungültig gewordene vZTA, anzunehmen, wenn der Kläger eine neue vZTA für die Waren beantragen will und eindeutig feststeht, daß eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten und davon auszugehen ist, daß die OFD an der von ihr bislang vertretenen Tarifauffassung bei der Erteilung einer neuen vZTA festhalten wird (Senat, Urteil vom 5. April 1990 VII K 1/89, BFHE 161, 217, 219, BStBl II 1990, 990). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin würde, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt, bei nur prozessualer Erledigung neue vZTA beantragen. Materiellrechtlich kommt es weiterhin auf die Abgrenzung zwischen Einheiten und Maschinen mit eigener Funktion - hier der Position 8517 - an, wobei die Aufgliederung der Unterposition 8517 82 keine Rolle spielt. Die OFD ist bei ihrer Tarifauffassung geblieben.

2. In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Die ursprünglich angefochtenen vZTA waren nicht rechtswidrig, vielmehr hat die OFD die Geräte zutreffend - als Erzeugnisse der früheren Unterposition 8517 8200 - tarifiert. Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen bzw. Zubehör zu solchen liegen nicht vor.

a) Die Geräte 1 bis 3 sind keine Einheiten von automatischen Datenverarbeitungsmaschinen. Zolltariflich müssen solche Einheiten (als Teile eines vollständigen Systems) ihrer Beschaffenheit nach als Teil für ein solches System bestimmt sein; Maschinen - mit eigener Funktion -, in die eine automatische Datenverarbeitungsmaschine eingebaut ist oder die an eine solche Maschine angeschlossen werden und mit ihr zusammenarbeiten, gehören nicht zu Position 8471, sondern sind anderweitig, in erster Linie in die ihrer Funktion entsprechende Position, einzureihen (Anm. 5B zu Kap. 84). Eine eigene (andere) Funktion schließt danach die für Einheiten vorausgesetzte Beschaffenheit aus (Senat, Urteile vom 14. Februar 1989 VII K 14/87, BFH/NV 1989, 677; vom 17. September 1991 VII K 13/90, BFH/NV 1992, 351, und vom 24. November 1992 VII K 1/92, BFH/NV 1993, 759). Maßgebend ist insoweit die Gesamtfunktion; besteht diese nicht in Datenverarbeitung (Behandeln von Daten), sondern etwa in Datenübertragung, so kommt es auf datenverarbeitende Zwischenfunktionen nicht an (BFH/NV 1992, 351 - Netzwerk-Komponenten -).

Nach diesen zolltariflichen Grundsätzen muß den Geräten eine eigene (andere) Funktion zugesprochen werden. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, daß die Geräte nach ihrer Beschaffenheit die Weitergabe der Daten in drahtgebundener Fernsprech- und Telegrafentechnik ermöglichen. Unabhängig davon, ob darin ihre Hauptverwendung zu sehen ist, läßt sich bereits daraus entnehmen, daß eine Verwendbarkeit für die drahtgebundene Telegrafentechnik - als eigene Funktion - gegeben ist. Dies wird auch durch die vorliegenden Prospekte bestätigt, aus denen sich ergibt, daß die Geräte nach Bauart und sonstiger Ausstattung - hardware - speziell für eine Verwendung im Bereich der Datenfernübertragung geeignet sind (z.B. access/ concentration to X.25 networks). Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es mag sein, daß sich die Geräte ohne Berücksichtigung ihrer eigenen anderen Funktion als periphere Einheiten bzw. Steuer- und Anpaßeinheiten (vgl. Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 8471 Rz. 28.0, 55.0) darstellen könnten. Für ihre zolltarifliche Bewertung maßgebend ist jedoch, wie ausgeführt, die Gesamtfunktion, die hier eine andere als die der Datenverarbeitung ist. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, daß (im Rahmen der Gesamtfunktion) datenverarbeitende Zwischenfunktionen, ggf. unter Anschluß an die Zentraleinheit (vgl. Anm. 5B Abs. 1 Buchst. a zu Kap. 84), wahrgenommen werden (mit Sicherung gegen Übertragungsfehler; Zusammenfassung der Pakete; Steuerung der Übermittlung) und ob insoweit das besondere Beschaffenheitserfordernis nach Anm. 5B Abs. 1 Buchst. b zu Kap. 84 - Empfang/ Lieferung systemverwendbarer Daten - gegeben ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich hier nicht um Datenübertragung innerhalb der Datenverarbeitung, sondern umgekehrt um Datenverarbeitung im Rahmen von Daten(fern-)übertragung innerhalb eines Kommunikationsnetzes.

Nach ihrer hiernach maßgebenden Funktion sind die Erzeugnisse elektrische Geräte für die drahtgebundene Telegrafentechnik der Position 8517. Sie sind aufgrund ihrer Beschaffenheit speziell für diese Technik bestimmt (vgl. ErlHS zu Position 8517 Rz. 02.0), auch wenn sie nicht selbst eine Datenfernübertragung vornehmen. Multifunktionsmaschinen (Anm. 3 zu Abschn. XVI) liegen im Hinblick auf die einzige Funktion der Geräte (Datenübertragungssteuerung) nicht vor. Als Geräte für Trägerfrequenzsysteme (Unterposition 8517 4000) können sie nicht angesehen werden, da sie weder Trägerfrequenzen erzeugen noch eine Signalumsetzung vornehmen. Es blieb mithin nur übrig, sie - wie geschehen - der früheren Unterposition 8517 8200 zuzuordnen.

b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das Gerät 4 (Einheit zur drahtgebundenen digitalen Signalübertragung - Multiplex -). Dieses ist im Hinblick auf seine Funktion weder Einheit noch Zubehör für automatische Datenverarbeitungsmaschinen (Unterposition 8473 30). Es ist auch nicht etwa wegen seiner Wirkungsweise im Multiplex-Verfahren als Trägerfrequenzgerät anzusehen. Diese Wirkungsweise begründet nicht den Ausschluß von Unterposition 8517 82; vgl. Nr. 2 des Anhangs zur Einreihungsverordnung (EWG) Nr. 396/92 der Kommission vom 18. Februar 1992 (ABlEG L 44/9), betreffend ein (anderes) zu der vorbezeichneten Unterposition gehörendes Multiplex-Gerät.

3. Die Auslegung der hier maßgeblichen zolltariflichen Vorschriften erscheint dem Senat nicht zweifelhaft. Die Abfertigung womöglich gleichartiger Waren gemäß ihrer Anmeldung (Geräte 1 bis 3: Position 8471) in anderen Mitgliedstaaten, ohne ersichtliche zollamtliche Überprüfung, vermag Zweifel nicht zu begründen. Der Senat sieht sich danach nicht veranlaßt, der Anregung der Beteiligten zu folgen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419511

BFH/NV 1994, 673

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