Entscheidungsstichwort (Thema)

Sog. große Witwen- / Witwerrente als lebenslängliche Leibrente

 

Leitsatz (NV)

Eine nach § 1268 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RVO gezahlte sog. große Witwen- / Witwerrente ist jedenfalls dann keine auf eine bestimmte Zeit beschränkte (abgekürzte) Leibrente, wenn sie voraussichtlich gezahlt wird, bis der / die Bezugsberechtigte das 45. Lebensjahr vollendet hat (§ 1268 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO; Anschluß an BFH-Urteil vom 8. März 1989 - X R 16/ 85, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551).

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; EStDV § 55 Abs. 2; RVO § 1263 Abs. 2, § 1268 Abs. 2

 

Tatbestand

Die am 6. Dezember 1931 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem 25. März 1962 verwitwet. Sie hatte damals . . . Kinder. Das jüngste Kind wurde 1960 geboren. Ihm stand eine Waisenrente zu. Es wurde von der Klägerin über das Jahr 1976 hinaus erzogen. Die Klägerin erhielt zunächst eine sog. große Witwenrente gemäß § 1268 Abs. 2 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Zu dem Zeitpunkt, als das Recht der Tochter auf eine Waisenrente entfiel, hatte die Klägerin das 45. Lebensjahr vollendet; sie bezieht nunmehr weiterhin die große Witwenrente nach § 1268 Abs. 2 Nr. 1 RVO.

Für die im Streitjahr 1983 bezogene Rente in Höhe von 6 252 DM ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) einen Ertragsanteil von 58 v. H. (§ 22 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes 1983 - EStG -). Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 348.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, die von ihr bezogene Rente habe im Dezember 1976 begonnen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verlange die Besteuerung nach objektiven Merkmalen unter Ausschaltung von ,,Zufälligkeiten". Es sei zufällig, ob zu dem Zeitpunkt, in dem die Witwe 45 Jahre alt werde, waisenrentenberechtigte Kinder vorhanden seien oder nicht. Nach Auffassung der Verwaltung seien das Vorhandensein von Kindern, deren Lebensalter und Ausbildungswünsche oder die Bereitschaft der Witwe, ihre Kinder ausbilden zu lassen, letzten Endes bestimmend für die Besteuerung der Rente. Daher sei davon auszugehen, daß ab Vollendung des 45. Lebensjahres des Bezugsberechtigten generell eine neue Leibrente beginne; erst ab diesem Zeitpunkt werde die Rente ohne weitere Bedingung ausgezahlt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben sowie unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom 19. April 1984 die Rente zu einem Ertragsanteil von 46 v. H. zu besteuern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 8. März 1989 X R 16/85 (BStBl II 1989, 551) entschieden, daß eine nach § 1268 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RVO gezahlte sog. große Witwen- / Witwerrente jedenfalls dann keine auf eine bestimmte Zeit beschränkte (abgekürzte) Leibrente ist, wenn sie voraussichtlich gezahlt wird, bis die / der Bezugsberechtigte das 45. Lebensjahr vollendet hat (§ 1268 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO). Die große Witwen- /Witwerrente beginnt mit Eintritt des maßgeblichen Versicherungsfalles - hier: dem Tode des Ehemannes am . . . 1962 - und endet - grundsätzlich - mit dem Tode des Bezugsberechtigten. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Entscheidung X R 16/85 verwiesen. Der Senat läßt dahingestellt, ob der Auffassung von Abschn. 167 Abs. 6 Sätze 3 und 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 (EStR 1984) gefolgt werden kann, daß die kleine Witwenrente (§ 1268 Abs. 1 RVO) eine abgekürzte Leibrente ist. Ferner braucht nicht entschieden zu werden, ob eine große Witwenrente, die ein unter 45 Jahre alter Berechtigter wegen Erziehung eines waisenberechtigten Kindes bezieht, als abgekürzte Leibrente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a letzter Satz EStG i. V. m. § 55 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) zu versteuern ist, wenn die Zahlung der Waisenrente ,,voraussichtlich" aufhört, bevor der Steuerpflichtige das 45. Lebensjahr vollendet hat (so Abschn. 167 Abs. 6 Satz 9 EStR 1984).

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 284

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge