Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerbescheid (Gewerbesteuermessbescheid) ist nicht dadurch als vorläufig gekennzeichnet, daß die Erläuterungen über die Abweichung von der Erklärung einen Hinweis auf die Erläuterungen in einem anderen (Körperschaftsteuer-)Bescheid enthalten, der vorläufig ergangen ist.

Die "Ersetzung" des Gewerbesteuermeßbescheides durch einen neuen Bescheid nach § 35 b GewStG ist eine Folgeänderung und führt nicht zu einer Wiederaufrollung des Steuerfalles.

 

Normenkette

AO § 100; GewStG § 8 Ziff. 6, § 35b; AO §§ 234, 232

 

Tatbestand

In dem Gewerbesteuermeßbescheid für 1960 vom 11. Dezember 1961 der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen - Stpfl. -), einer GmbH, wurden u. a. nach § 8 Ziff. 6 GewStG Geschäftsführergehälter zugerechnet. Der Gewerbesteuermeßbescheid enthielt in der Spalte "II Erläuterungen" nach dem im Formular vorgedruckten Satz "Die Festsetzung des Steuermeßbetrags weicht von der Erklärung in folgenden Punkten ab" den handschriftlichen eingefügten Vermerk: "Hinweis auf den Körperschaftsteuer-Bescheid.

In diesem Körperschaftsteuerbescheid 1960 vom 13. Dezember 1961 war von einem zu versteuernden Einkommen von 363.960 DM ausgegangen worden. Der bei den Akten befindliche Berechnungsbogen enthält auf der Vorderseite den Stempelaufdruck: "vorläufiger". Der Bescheid selbst enthielt nach dem vorgedruckten Satz folgende Erläuterungen:

"Die Unverzinslichkeit der an die OHG gegebenen Mieterdarlehen war unter Berücksichtigung der bisherigen Handhabung als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen. Zurechnung 16.000 DM. Der Bescheid ergeht hinsichtlich der Bezüge des Geschäftsführers und der Mietaufwendungen vorläufig gemäß § 100 AO."

Gegen diesen Körperschaftsteuerbescheid legte die Stpfl. Einspruch ein. Sie trug u. a. vor, ihr Einspruch richte sich auch gegen die Zurechnung der Gesellschafter-Geschäftsführerbezüge beim Gewerbeertrag. Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) forderte die Stpfl. auf, mitzuteilen, ob die Ausführungen in dem Schreiben vom 13. Februar 1962, mit dem sie sich auch gegen die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Geschäftsführerbezüge gewandt hatte, als Rechtsmittel gegen den Gewerbesteuermeßbescheid aufzufassen seien. Die Stpfl. teilte hierauf mit, daß die änderung des Gewerbesteuermeßbescheides sich nach § 35 b GewStG ergebe und sie nicht ein eigenes Rechtsmittel gegen den Gewerbesteuermeßbescheid habe einlegen wollen. Der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid wurde vom FA für begründet erachtet. Die änderung des körperschaftsteuerlichen Gewinns beruht auf der änderung verdeckter Gewinnausschüttungen.

Daraufhin erließ das FA einen neuen Gewerbesteuermeßbescheid, in dem statt des ursprünglich ausgewiesenen Gewinnes aus Gewerbebetrieb der aus dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid sich ergebende Gewinn übernommen wurde. Die übrigen Feststellungen und Berechnungen des ursprünglichen Gewerbesteuermeßbescheids, besonders die Hinzurechnungen nach § 8 Ziff. 6 GewStG, wurden unverändert übernommen. Dieser Bescheid trug die Aufschrift: "Berichtigung nach § 35 b Gewerbesteuergesetz" und war erläutert mit: "Die Berichtigung beruht auf dem geänderten Körperschaftsteuer-Bescheid 1960 (§ 35 b Gewerbesteuergesetz)."

Die Sprungberufung gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.

Mit der als Revision zu behandelnden Rb. wird geltend gemacht, der Gewerbesteuermeßbescheid 1960 vom 11. Dezember 1961 sei vorläufig im Sinne von § 100 AO. Der darin enthaltene "Hinweis auf den Körperschaftsteuer-Bescheid" könne nur so aufgefaßt werden, daß unter dem Gewerbesteuermeßbescheid der gleiche Wortlaut geschrieben gelten soll wie unter dem Körperschaftsteuerbescheid. Zudem wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt, da in dem neuen Bescheid eine Zurechnung auf Grund der verfassungswidrigen Norm des § 8 Ziff. 6 GewStG nicht zulässig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Dem Finanzgericht (FG) ist darin zu folgen, daß der erstmalige Gewerbesteuermeßbescheid nicht vorläufig war. Ein vorläufiger Bescheid muß als vorläufig gekennzeichnet sein, jedenfalls muß der Steuerpflichtige eindeutig ersehen können, daß der Bescheid noch nicht endgültig sein soll. Der Hinweis auf den Körperschaftsteuerbescheid als Erläuterung für Abweichungen von der Erklärung kann eine Vorläufigkeit des Gewerbesteuermeßbescheides nicht begründen. Die Vorläufigkeit muß aus dem Bescheid selbst zu ersehen sein. Der Hinweis bedeutet auch nicht die vollinhaltliche übernahme des bezogenen Bescheides und kann nicht zur Identifizierung der Texte im Gewerbesteuermeßbescheid und im Körperschaftsteuerbescheid führen - wie die Stpfl. meint. Mit der Vorinstanz ist vielmehr anzunehmen, daß der Hinweis nur die Abweichung im Bescheid von der eingereichten Gewerbesteuererklärung erläutert.

Der Bescheid ist auch bestandskräftig, denn er ist unstreitig nicht angefochten worden. Der angefochtene Bescheid ist darum ein Folgebescheid gemäß § 35 b GewStG, der durch die änderung des körperschaftsteuerlichen Gewinns veranlaßt ist. Die Berichtigung nach § 35 b GewStG führt aber nicht zu einer Wiederaufrollung des Steuerfalles. Die Folgeänderung beschränkt sich vielmehr auf die änderung der einzelnen Berechnungsgrundlage (Urteil des BFH I 175/64 S vom 20. Januar 1965, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 81 S. 635 - BFH 81, 635 -, BStBl III 1965, 228). Die Stpfl. irrt, wenn sie meint, bei einer änderung nach § 35 b GewStG ergehe ein dem Inhalt nach in allen Punkten neuer Bescheid; nur soweit die Folgeänderung reicht, werden die Besteuerungsgrundlagen ausgewechselt, im übrigen bleibt der frühere Bescheid unberührt. Das bedeutet, daß die Stpfl. an die Unanfechtbarkeit des früheren Bescheides gebunden bleibt, soweit nicht die Folgeänderung Platz greift.

Wie der Senat im Urteil I 286/62 U vom 7. Oktober 1964 (BFH 81, 286, BStBl III 1965, 103) im Anschluß an die Rechtsprechung des V. Senats des BFH (vgl. Urteil V 244/61 S vom 22. November 1962, BFH 76, 87, BStBl III 1963, 31) ausgeführt hat, steht der Anwendung des § 234 AO alter Fassung auch nicht entgegen, daß der ursprünglich festgesetzte Gewerbesteuermeßbetrag zum Teil auf einer inzwischen durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für nichtig erklärten Norm beruht. Hieran wird festgehalten. Schließlich ist das FG auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Feststellung der Nichtigkeit einer Norm durch das BVerfG nicht zum Wegfall eines Besteuerungsmerkmals im Sinne des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG führt. Der Senat hat diese Auffassung bereits im Urteil I 294/62 U vom 7. Oktober 1964 (BFH 80, 508, BStBl III 1964, 657) vertreten und im Urteil I 143/64 S vom 28. Oktober 1964 (BFH 81, 542, BStBl III 1965, 196) mit ausführlicher Begründung bestätigt.

Richtig ist, daß nach dem Urteil des erkennenden Senates I 175/64 S, a. a. O., eine änderung nach § 35 b GewStG Hinzurechnungen insoweit erfaßt, als diese nach Grund und Höhe von der Gewinnermittlung berührt werden. Die Vorinstanz hat aber in übereinstimmung mit den Akten festgestellt, daß die vorgenommenen Gewinnänderungen nicht auf änderungen der Geschäftsführervergütungen zurückzuführen sind. Die Stpfl. irrt darum, wenn sie meint, der änderungsbescheid bekunde eine andere Rechtsauffassung zu den Geschäftsführerbezügen. Die Geschäftsführerbezüge sind unverändert geblieben. Die Folgeänderung beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Höhe des gewerblichen Gewinns, durch den die im ursprünglichen Gewerbesteuermeßbescheid erfolgte Hinzurechnung nach § 8 Ziff. 6 GewStG nicht berührt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412309

BStBl III 1967, 131

BFHE 1967, 290

BFHE 87, 290

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