Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Alters- und Pflegeheim sind das für den Betrieb erforderliche Inventar und die für die Betreuung der Heiminsassen notwendigen Einrichtungen zusammen mit dem Gebäude wesentliche Grundlagen des Unternehmens.

2. Bilden unbewegliche und bewegliche Wirtschaftsgüter zusammen die wesentliche Grundlage eines Unternehmens, so liegt eine Geschäftsveräußerung im ganzen im Sinne des § 85 UStDB 1951 nicht vor, wenn dem Nachfolger nur die unbeweglichen Wirtschaftsgüter, nicht auch die beweglichen Wirtschaftsgüter, übereignet werden.

2. Die Zusammenfassung der Vereinbarungen über die Grundstücksveräußerung und über die Abgeltung eines durch Mietausfälle und Umzugskostenerstattungen an die Heiminsassen drohenden Schadens in einem Vertrage bewirkt nicht, daß die beiden Sachverhalte dadurch zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang werden, der insgesamt der Umsatzsteuer unterliegt.

2. Zahlungen, die zur Abgeltung von Schäden der genannten Art geleistet werden, sind nichtsteuerbarer Schadensersatz.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 85

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) unterhielt ein Alters- und Pflegeheim. Der Staat benötigte das Gelände des Heimes für eigene Zwecke. Er leitete gegen die Steuerpflichtige ein Enteignungsverfahren ein. Um die Enteignung zu vermeiden, verkaufte die Steuerpflichtige die Grundstücke an den Staat. Dieser zahlte Vertragsgemäß

a) für die Grundstücke ...DM

b) als Ersatz für den Wert der auf

beiden Grundstücken betriebenen Geschäfte ...DM

c) für Planungsschaden ...DM

insgesamt also ...DM

In der Umsatzsteuererklärung 1960 gab die Steuerpflichtige nur ihre laufenden Einnahmen aus dem Alters- und Pflegeheim als Umsatz an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) rechnete bei der Veranlagung dem erklärten Umsatz den oben angegebenen Betrag von ... DM hinzu. Das Entgelt für die Grundstücke von ... DM ließ es nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 steuerfrei; den Restbetrag von ... DM unterwarf es dem Steuersatz von 4 v. H.

Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Mit der Berufung (Klage) hatte die Steuerpflichtige zum Teil Erfolg.

Das FG folgte zwar nicht der Auffassung der Steuerpflichtigen, es habe sich bei dem Verkauf der Grundstücke um eine Geschäftsveräußerung im ganzen gehandelt. Es kam aber zu der Überzeugung, der im Veranlagungszeitraum als Planungsschaden gezahlte Betrag sei nichtsteuerbarer Schadensersatz; er sei als Ersatz für den durch die Drohung der Enteignung entstandenen Verlust an Mieteinnahmen gezahlt worden, ohne daß ihm eine Leistung der Steuerpflichtigen gegenübergestanden habe. Die Vorinstanz setzte daher die Steuer entsprechend herab.

In der als Revision zu behandelnden Rb. (§§ 184 Abs. 2 Nr. 1, 115 ff. FGO) vertritt die Steuerpflichtige die Auffassung, der streitige Vorgang sei als Geschäftsveräußerung im ganzen anzusehen; deshalb dürfe der für den Wert des Geschäfts gezahlte Betrag von ... DM gemäß § 85 UStDB 1951 nur dem Steuersatz von 1 v. H. unterworfen werden.

Mit der als Anschlußrevision zu behandelnden Anschlußbeschwerde wendet sich das FA gegen die Herabsetzung der Umsatzsteuer. Es ist der Auffassung, der Staat habe den Betrag für den Planungsschaden aufwenden müssen, um die Grundstücke zu erhalten und deren vorzeitige Räumung zu erlangen. Die Errechnung des Schadens (voraussichtliche Mietausfälle; Umzugskostenerstattungen, die die Steuerpflichtige den Heiminsassen zahlen mußte) stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Infolgedessen könne das Entgelt für den Planungsschaden nicht echter Schadensersatz sein.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Die Revision der Steuerpflichtigen ist nicht begründet.

Zu Unrecht meint die Steuerpflichtige, die Veräußerung der Grundstücke sei als Geschäftsveräußerung im ganzen zu beurteilen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951). Eine solche Veräußerung ist gegeben, "wenn ein Unternehmen ... im ganzen übereignet wird" (§ 85 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1951). Danach erfüllt nur die Übereignung des gesamten Unternehmens oder zumindest seiner wesentlichen Grundlagen an einen Erwerber die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift. Welche Gegenstände im Einzelfall als wesentliche Grundlagen des Betriebes anzusehen sind, ist Tatfrage. Die Steuerpflichtige hat dem Staat die Grundstücke mit den aufstehenden Gebäuden übereignet, nicht aber die Heimeinrichtungen. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gebäude erst zusammen mit den für die Beherbergung und Beköstigung der Heiminsassen erforderlichen Heimeinrichtungen einen lebensfähigen Betrieb bzw. dessen wesentliche Grundlage ausmachen. Das Betriebsgrundstück gehört zwar mindestens dann zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens, wenn es für einen bestimmten Zweck hergerichtet ist. Bei einem Alters- und Pflegeheim sind aber auch das für den Betrieb erforderliche Inventar und die für die Betreuung der Heiminsassen notwendigen Einrichtungen wesentliche Grundlagen des Unternehmens. Bilden unbewegliche und bewegliche Wirtschaftsgüter zusammen die wesentliche Grundlage eines Unternehmens, so liegt eine Geschäftsveräußerung im ganzen im Sinne des § 85 UStDB 1951 nicht vor, wenn dem Nachfolger nur die unbeweglichen oder nur die beweglichen Wirtschaftsgüter übereignet werden. Zulässige und begründete Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen in der Vorentscheidung sind von der Steuerpflichtigen nicht vorgebracht worden. Liegt aber keine Geschäftsveräußerung im ganzen vor, dann ist das Begehren der Steuerpflichtigen, ihr gemäß § 85 Abs. 4 UStDB 1951 den Steuersatz von 1 v. H. zuzubilligen, unbegründet.

II.

Auch die Anschlußrevision hat keinen Erfolg.

Dem FA ist darin zuzustimmen, daß ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang grundsätzlich nicht in einzelne Leistungen aufgespalten werden darf und daß eine Zahlung immer dann als Entgelt zu behandeln ist, wenn zwischen der Leistung des Unternehmers und dem von ihm vereinnahmten Entgelt ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die Vorinstanz hat jedoch nicht gegen diese Grundsätze verstoßen, indem sie den Teilbetrag, den der Staat als Ersatz für den Planungsschaden gezahlt hat, als Schadensersatz beurteilte.

Eine Aufteilung des Aufwandes des Erwerbers ist erforderlich, wenn mehrere, unterschiedlich zu behandelnde Leistungen vorliegen und nur der eine Teil des Aufwandes mit der Leistung im Zusammenhang steht, der andere dagegen nicht. Die Zusammenfassung der Vereinbarungen über die Grundstücksveräußerung und über die Abgeltung des Planungsschadens in einem Vertrag bewirkt entgegen der Auffassung des FA nicht, daß die beiden Sachverhalte dadurch zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang werden.

Die Leistung der Steuerpflichtigen bestand in der Übereignung der Grundstücke. Entgelt ist, was der Erwerber aufwendet, um die Verfügungsmacht an den Grundstücken zu erlangen. Regelmäßig wird der gesamte Aufwand des Erwerbers auch das Entgelt für den Veräußerer sein. Auszuscheiden sind jedoch solche Einnahmen des Veräußerers, die kein Leistungsentgelt darstellen und die nur aus Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitsgründen in einem Vertrage zusammengefaßt werden. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse. Bezeichnen die Beteiligten Teile des Aufwandes nur formal nicht als Kaufpreis, so ist eine Aufteilung unbeachtlich. Soll dagegen der Aufwand tatsächlich etwas anderes als die Leistung des Veräußerers abgelten, so muß die Besteuerung den tatsächlichen Verhältnissen folgen. Entgegen der Auffassung des FA kommt es für die Beurteilung der Frage, ob zwischen Leistung und Aufwand ein Zusammenhang besteht, nicht auf die subjektive Meinung eines Beteiligten, sondern auf die objektiven tatsächlichen Verhältnisse an. Die Vorinstanz ist zu der Überzeugung gekommen, der als Ersatz für Planungsschaden bezeichnete Betrag sei nicht für die Übereignung der Grundstücke gezahlt worden. Die Vorinstanz konnte zu dieser Beurteilung gelangen. Selbst wenn die Behauptung des FA zutrifft, "ohne die Aufwendung dieses Betrages hätte es die Steuerpflichtige sicherlich auf das Enteignungsverfahren ankommen lassen", würde damit zwar erwiesen werden, daß die Steuerpflichtige nur dadurch verkaufsgeneigt zu stimmen war, daß sie auch hinsichtlich ihrer Schadensersatzansprüche zufriedengestellt wurde. Es kann daraus aber nicht geschlossen werden, der Aufwand sei nicht für den Planungsschaden gezahlt worden, sondern stelle ein zusätzliches Entgelt für den Grundstücksverkauf dar.

Die weitere Behauptung des FA, der Ersatz für den Planungsschaden sei aufgewendet worden, um damit die Zustimmung der Veräußerin zu einem freiwilligen Verkauf der Grundstücke und eine gegenüber dem Enteignungsverfahren frühzeitigere Inbesitznahme zu erreichen, ist neues tatsächliches Vorbringen, mit dem das FA in der Revisionsinstanz nicht mehr gehört werden kann.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 758

BFHE 1968, 191

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