Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält zwar nicht in der Begründung, aber im Ergebnis an dem Urteil des Reichsfinanzhofs Bd. 51 S. 238 der Amtl. Slg. (= Reichssteuerblatt 1942 S. 555) fest. Hiernach fällt dem durch eine Todesfallversicherung begünstigten Dritten auch dann erst mit dem Tode des Versicherungsnehmers der Erwerb in Gestalt des vollen Werts der Versicherungssumme an, wenn die Bezeichnung des Begünstigten für den Versicherungsnehmer unwiderruflich war.

Bei einer - alternativ oder ausschließlich - auf den Erlebensfall gestellten Lebensversicherung zugunsten eins Dritten wird die dem unwiderruflich Begünstigten vom Versicherungsnehmer zugedachte freigebige Zuwendung nicht schon mit dem Zeitpunkt der unwiderruflichen Begünstigung vollzogen, sondern der Erwerb des unwiderruflich Begünstigten tritt in Gestalt des vollen Werts der Versicherungssumme erst mit dem Zeitpunkt des Versicherungsfalles ein.

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 2/1/3, § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

A. -

Der Ehemann der Beschwerdegegnerin (Bgin.) hatte eine Lebensversicherung über die bei seinem Tode, spätestens aber am 31. März 1946 fällig werdende Summe von 100.000 RM abgeschlossen. Im Anschluß an die Vereinbarung von Gütertrennung zwischen der Bgin. und ihrem Ehemann und die übertragung von dessen Vermögen auf die Bgin. (- die entsprechenden Maßnahmen sind in der Zeit vom 18. bis 19. Oktober 1945 getroffen worden -) hat der Ehemann der Bgin. diese durch Schreiben vom 20. Oktober 1945 an die Versicherungsgesellschaft als unwiderruflich bezugsberechtigt aus dem Versicherungsvertrag bezeichnet. Gleichzeitig hat der Ehemann der Bgin. beantragt, den Ausschluß des Widerrufs der Bezugsberechtigung auf dem Versicherungsschein zu vermerken; die Versicherungsgesellschaft hat die unwiderrufliche Bezugsberechtigung unter dem Datum dieses Antrags in der Police vermerkt. Der Versicherungsfall ist durch Erreichung des im Versicherungsvertrag fest bestimmten Zeitpunkts vom 31. März 1946 eingetreten. Die Mitteilung der Versicherungsgesellschaft hierüber ist erst im Januar 1949 beim Finanzamt eingegangen. Das Finanzamt hat durch vorläufigen Bescheid vom 6. April 1949 für die von der Versicherungsgesellschaft auf die Versicherungssumme geleisteten Zahlungen von 50.000 Reichsmark und 4.250 Deutsche Mark Schenkungsteuer nach einem Erwerb von 92.500 Reichsmark (= 50.000 RM + 42.500 RM) unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 10.000 RM festgesetzt. Hiergegen hat die Bgin. Einspruch eingelegt und Freistellung von der Schenkungsteuer beantragt, da die Schenkung mit der Bezeichnung der Bgin. als unwiderruflich Bezugsberechtigte, somit vor Inkrafttreten des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr. 17 vollzogen sei und deshalb § 17 a Abs. 1 Ziff. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1934 zur Anwendung komme. Der Einspruch blieb erfolglos, auf Berufung hin hat das Finanzgericht die Bgin. auf Grund von § 17 a Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG 1934 von der Schenkungsteuer freigestellt. Gegen diese Entscheidung hat der Vorsteher des Finanzamts Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

B. -

Die Rb. des Finanzamtsvorstehers ist begründet.

Der vorliegende Fall zwingt zur Prüfung der Frage, ob an der Rechtsauffassung festzuhalten ist, die der Reichsfinanzhof zuletzt, d. h. in seinem Urteil III e 28/41 vom 26. Februar 1942 (Bd. 51 S. 238 der Amtl. Slg. = Reichssteuerblatt RStBl. - 1942 S. 555) hinsichtlich der erbschaftsteuerlichen Behandlung des Erwerbs Dritter auf Grund von Lebensversicherungsverträgen eingenommen hat. Der Reichsfinanzhof hat in dieser Entscheidung folgendes ausgesprochen: "Wenn der Erblasser eine Lebensversicherung auf den Todesfall zugunsten eines Dritten eingegangen ist, so ist der Anfall der Lebensversicherungssumme an den Dritten mit dem Tode des Erblassers auch dann erbschaftsteuerpflichtig, wenn der Lebensversicherungsvertrag (- genau: die Bezeichnung des aus dem Lebensversicherungsvertrag Begünstigten -) für den Erblasser unwiderruflich war." Der Reichsfinanzhof hat diese Auffassung in erster Linie auf die Erwägung gestützt, die Begründung eines unentziehbaren Versicherungsanspruchs (einer unwiderruflichen Begünstigung) bedeute für den Dritten (Begünstigten) in Wirklichkeit noch keinen Erwerb von Vermögensvorteilen, da der Versicherungsnehmer den Anspruch immer noch durch Einstellung der Prämienzahlungen je nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen ganz oder teilweise vereiteln könne. Der Lebensversicherungsvertrag gewinne also erst mit dem Tod des Erblassers für den bedachten Dritten (Begünstigten) greifbare wirtschaftliche Bedeutung. Letzteres ist aber zum mindesten mißverständlich. Auch schon vor Fälligkeit des Anspruchs aus einer Lebensversicherung hat der Lebensversicherungsvertrag für den Berechtigten einen wirtschaftlichen Wert, wie sich aus §§ 14, 67 Ziff. 6 des Bewertungsgesetzes - BewG - (Reichsbewertungsgesetz) ergibt, demnach insbesondere auch für den unwiderruflich als begünstigt Bezeichneten, dem der noch nicht fällige Anspruch aus dem Lebensversicherungsvertrag zuzurechnen ist. Allerdings stellt der im Sinne der §§ 14, 67 Ziff. 6 BewG (Reichsbewertungsgesetz) vorhandene wirtschaftliche Wert jeweils nur einen Zwischenwert (Durchgangswert) in der sich aus der rechtlichen und wirtschaftlichen Natur des Lebensversicherungsvertrags ergebenden allmählichen Entwicklung des Anspruchs aus dem Lebensversicherungsvertrag zu dem Endwert dieses Anspruchs dar. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß der Lebensversicherungsvertrag regelmäßig erst mit dem Tode des Erblassers seine objektiv endgültige wirtschaftliche Bedeutung für den Begünstigten erlangt. Nur dieser endgültige Erwerb ist aber Gegenstand der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG, weil erst er "mit dem Tode des Erblassers" erfolgt. Im übrigen ist Gegenstand der Zuwendung bei unentgeltlicher Begünstigung eines Dritten in einem auf den Todesfall abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Gegenleistung des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag, also auf die Zahlung der Versicherungssumme, weil der Versicherungsnehmer dem Bezugsberechtigten die Versicherungssumme verschaffen will (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 128 S. 187, 190). Es ist deshalb nicht angängig, aus dem Entwicklungsgang des Lebensversicherungsanspruchs den Zeitpunkt der unwiderruflichen Begünstigung herauszugreifen und letztere nach dem vorübergehenden Wertstand vom fraglichen Zeitpunkt als Schenkung unter Lebenden zu besteuern. § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG stellt sich für die Todesfallversicherung als Sondervorschrift dar, die keinen Raum für die Anwendung des § 3 Abs. 1 Ziff. 1, 2 ErbStG auf die unwiderrufliche Begünstigung eines Dritten läßt. Dem ersterwähnten vom Reichsfinanzhof in dem Urteil Slg. Bd. 51 S. 238 für maßgeblich erachteten Umstand, daß der Versicherungsnehmer den Anspruch des unwiderruflichen Begünstigten durch Einstellung der Prämienzahlungen unter Umständen vereiteln kann, kommt von dem hier vertretenen Standpunkt aus keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu. Das Urteil des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 51 S. 238 hat seine Auffassung über den Zeitpunkt des Eintritts der Steuerpflicht schließlich auch mit Ausführungen begründet, die hilfsweise eine Schenkung unter Leben annehmen. Auf diese Darlegungen braucht ebenfalls von dem vorstehend vertretenen Standpunkt aus nicht näher eingegangen zu werden, der erkennende Senat würde ihnen aber auch schon um deswillen nicht beitreten können, weil § 14 Abs. 4 BewG (Reichsbewertungsgesetz) die Anwendung der §§ 4, 8 BewG (Reichsbewertungsgesetz) ausschließt. Hiernach ergibt sich, daß nur im Ergebnis, nicht aber in der Begründung an dem Urteil des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 51 S. 238 festzuhalten ist.

II. Nun handelt es sich im vorliegenden Fall um eine sogenannte abgekürzte gemischte Versicherung auf den Todes- und den Erlebensfall, bei der letztgenannter Versicherungsfall, d. h. die Erreichung eines fest bestimmten Zeitpunkts (hier des 31. März 1946) eingetreten ist. Hiernach liegt auf Seiten der Bgin. selbstverständlich kein mit dem Tode des Zuwendenden gemachter Erwerb, sondern ein solcher unter Lebenden vor, o daß die Möglichkeit zur Anwendung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG entfällt, vielmehr § 3 Abs. 1 Ziff. 1, 2 ErbStG Platz greift. Bei dieser Sachlage ist daher nur fraglich, ob im Unterschied zu den auf Grund einer Todesfallversicherung eingetretenen Erwerben ein Erwerb schon im Augenblick der unwiderruflichen Begünstigung anzunehmen ist. Diese Frage muß verneint werden. Es ist kein innerer Grund ersichtlich, der zu einer abweichenden erbschaftsteuerlichen Behandlung reiner Todesfallversicherungen und gemischter Versicherungen der oben bezeichneten Art führen müßte. Auch für die alternativ abgeschlossene Versicherung auf den Erlebensfall ergibt sich die endgültige wirtschaftliche Bedeutung des Versicherungsvertrags für den unwiderruflich Begünstigten erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Wie im übrigen allein schon der einheitliche Abschluß der gemischten Versicherung auf den Todes- und den Erlebensfall erkennen läßt, kommt es nach dem oben erwähnten, vom Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 128 S. 187 aufgestellten Grundsatz dem Versicherungsnehmer bei der unwiderruflichen Begünstigung des Dritten darauf an, diesem auch für den Erlebensfall den Anspruch auf Zahlung der (vollen) Versicherungssumme zuzuwenden. Deshalb stellt bei der alternativen Versicherung auf den Erlebensfall erst der Eintritt des Versicherungsfalles und nicht schon die unwiderrufliche Begünstigung den Vollzug der dem Begünstigten von dem Versicherungsnehmer zugedachten Leistung dar. Entsprechendes würde darüber hinaus auch für den Fall der reinen Erlebensversicherung zu gelten haben.

Die Anwendung der vorstehend entwickelten Rechtsauffassung auf den vorliegenden Fall ergibt, daß die Zuwendung der Versicherungssumme an die Bgin. mit dem Eintritt des Versicherungsfalles am 31. März 1946, also nach dem Inkrafttreten des Kontrollratsgesetzes Nr. 17 vollzogen und damit gemäß § 14 Ziff. 1 ErbStG die Steuerpflicht erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden ist. Die Bgin. beruft sich für ihren Standpunkt, daß ihr Ehemann ihr den Anspruch auf die Versicherungssumme bereits mit dem Zeitpunkt der unwiderruflichen Begünstigung zugewandt habe, darauf, daß ihr Ehemann als Versicherungsnehmer den Anspruch auf die Versicherungssumme nicht mehr im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 51 S. 238 habe vereiteln können. Hierauf kommt es aber nach dem oben unter Nr. I. Ausgeführten nicht an. Auch aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 147/42 vom 17. Dezember 1942 (RStBl. 1943 S. 251) kann die Bgin. nichts für ihre Auffassung herleiten. In diesem Urteil hat der Reichsfinanzhof ausgesprochen, daß bei Abtretung von Rechten aus Lebensversicherungsverträgen an die Begünstigten regelmäßig Schenkung unter Lebenden im Zeitpunkt der Abtretung dieser Rechte vorliegt. Eine solche Abtretung hat aber im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht stattgefunden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob an der Auffassung des letztgenannten Urteils des Reichsfinanzhofs uneingeschränkt festzuhalten wäre. Schließlich kann auch der von der Bgin. angeführte Gesichtspunkt, ihr Ehemann habe ihr nicht nur ein unwiderrufliches Bezugsrecht bestellen, sondern eine darüber hinausgehende Rechtswirkung erzielen wollen, nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Es handelt sich im vorliegenden Falle nicht, wie die Bgin. meint, um die Auslegung gung der Willenserklärung (ß 133 BGB) des Ehemannes der Bgin. über deren Bezeichnung als unwiderruflich Bezugsberechtigte, sondern um die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften des § 3 Abs. 1 Ziff. 1, 2 ErbStG. Zwar läßt der zeitliche Zusammenhang der unwiderruflichen Begünstigung mit der übertragung des sonstigen Vermögens des Ehemannes der Bgin. auf diese erkennen, daß ihr mit sofortiger Wirkung der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag verschafft werden sollte, dies kann aber nichts daran ändern, daß nach dem oben Gesagten erbschaftsteuerlich erst der Eintritt des Versicherungsfalls selbst maßgebend ist.

Da nach dem oben Gesagten die Steuerpflicht im vorliegenden Fall erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 17 des Kontrollrats entstanden ist, kommt § 17 a ErbStG 1934 nicht mehr zur Anwendung. Die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 26. September 1950 war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 307 f. der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407459

BStBl III 1952, 240

BFHE 1953, 623

BFHE 56, 623

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge