Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für eine Flugreise in die USA zur Vorbereitung der Einäscherung eines dort verstorbenen nahen Angehörigen und Überführung der Urne in die Bundesrepublik Deutschland sind keine außergewöhnlichen Belastungen i. S. des § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG 1971 § 33

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1971 (Streitjahr) erklärten sie u. a. 8 647,64 DM als außergewöhnliche Belastung. Dieser Betrag umfaßt Aufwendungen in Höhe von 2 852,92 DM für die Einäscherung der Leiche des Bruders des Ehemannes (Kläger), für die Überführung der Urne von New York/USA nach K und für deren dortige Bestattung und Aufwendungen von 5 794,72 DM für eine gemeinsame Flugreise der Kläger nach New York und einen dortigen knapp zweiwöchigen Aufenthalt. Der Bruder des Klägers war im Jahr 1971 alleinstehend und ohne nähere Angehörige in New York verstorben. Die Reise diente dazu, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um den Toten seinem Wunsch entsprechend nach Deutschland zu überführen und einen eventuell vorhandenen Nachlaß abzuwickeln. Für die Nachlaßregulierung bestellten die Kläger in New York einen Rechtsanwalt. Nach dessen Mitteilung war der Nachlaß überschuldet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein und erhoben Sprungklage vor dem Finanzgericht (FG). Das FA stimmte der Sprungklage zu, nachdem es durch Änderungsbescheid die Einäscherungs-, Überführungs- und Bestattungskosten in Höhe von 2 853 DM als außergewöhnliche Belastung anerkannt hatte. Die Kläger erklärten darauf den Änderungsbescheid zum Gegenstand der Klage und beantragten darüber hinaus die Berücksichtigung der Reise- und Aufenthaltskosten als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 5 794,72 DM.

Das FG wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Bestattungsaufwendungen stellten grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung dar, da es sich um Nachlaßverbindlichkeiten handele. Die Kosten für die Teilnahme an der Beerdigung eines in Übersee verstorbenen Bruders seien bereits dem Grunde nach nicht zwangsläufig, da ein Absehen von der Teilnahme in diesen Fällen angesichts der weiten Entfernung als verständlich und entschuldbar angesehen werde, so daß eine unvermeidbare Zwangslage nicht bestehe (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1960 VI 183/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 126). Wenn die Aufwendungen für die Teilnahme an einer Beerdigung nicht als zwangsläufig anzusehen seien, müsse das entsprechend für die durch eine Reise veranlaßten Kosten zur Vorbereitung der Überführung eines Toten gelten. Die Anordnung der Überführung hätten die Kläger auch von K aus treffen können. Die Aufwendungen seien zudem hinsichtlich der Regelung des Nachlasses nicht zwangsläufig erwachsen, da diese Aufgaben im allgemeinen von sachverständigen Personen durchgeführt würden und es der Anwesenheit der Kläger nicht bedurft hätte.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die ihnen erwachsenen Aufwendungen seien zwangsläufig entstanden. Es sei notwendig gewesen, die Verbrennung der Leiche und die Überführung der Urne entsprechend dem letzten Willen des Verstorbenen zu veranlassen. Dies habe viele Behördengänge erfordert und wäre von K aus nicht möglich gewesen, da sie gar nicht gewußt hätten, an welche Stellen sie sich hätten wenden sollen. Nur durch ihre Anwesenheit habe die Urne so schnell überführt werden können. Die Aufbewahrung der Leiche bis zur Genehmigung der Einäscherung, die ohne ihre Anwesenheit erheblich später erteilt worden wäre, hätte höhere Kosten verursacht. Im übrigen habe sich die Verkehrsauffassung hinsichtlich der räumlichen Entfernung seit dem Ergehen des BFH-Urteils VI 183/60 mit der Verbesserung des Luftverkehrs geändert. Die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen hinsichtlich der Regelung des Nachlasses könne dahinstehen, da der Hauptgrund der Reise nicht die Regelung eines eventuellen Nachlasses, sondern die Erfüllung des letzten Wunsches des Verstorbenen nach einer Beisetzung in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Im übrigen sei der Streitfall nicht mit der Entscheidung VI 183/60 vergleichbar, da dort Aufwendungen anläßlich der Teilnahme an einer Beerdigung streitig gewesen seien. Im Urteilsfall handele es sich dagegen um die Kosten für die Veranlassung der Einäscherung der Leiche und die Überführung der Urne.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Kosten der Reise und des Aufenthaltes in den USA als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 33 Abs. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger, dem zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen, eine steuerliche Vergünstigung wegen außergewöhnlicher Belastung erhalten. Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen nach § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß Ausgaben für die Beerdigung eines Angehörigen in der Regel als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, soweit sie nicht aus dem Nachlaß bestritten werden können oder durch Ersatzleistungen gedeckt sind (Urteil vom 23. November 1967 IV R 143/67, BFHE 91, 149, BStBl II 1968, 259).

Dem FG ist im Streitfalle darin zu folgen, daß es die Berücksichtigung der von den Klägern als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten der Reise nach New York und des dortigen Aufenthalts abgelehnt hat.

Es kann dahinstehen, ob für die Kläger eine Verpflichtung zur Erbringung dieser Aufwendungen i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG bestanden hatte, der sie sich aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen konnten. Der BFH hat eine derartige sittliche Verpflichtung zur Teilnahme an der Beerdigung des einzigen in Übersee verstorbenen Bruders verneint mit der Begründung, daß ein Fernbleiben von dem Begräbnis in einem solchen Fall allgemein als verständlich und entschuldbar angesehen werde und auf Grund der Entfernung eine sittliche Verpflichtung i. S. einer unvermeidlichen Zwangslage nicht angenommen werden könne (Urteil VI 183/60).

Im Streitfall fehlt den noch streitigen Aufwendungen das Merkmal der Zwangsläufigkeit bereits deshalb, weil die Reise- und Aufenthaltskosten den Umständen nach nicht notwendig waren und auch die Grenze der Angemessenheit i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG überschreiten. Bei Ausgaben im Zusammenhang mit einem Todesfall ist in der Regel der persönlichen Anschauung des Steuerpflichtigen ein größerer Spielraum zu gewähren als in sonstigen Fällen. Denn die Ausgestaltung eines Begräbnisses gehört zu den höchstpersönlichen Angelegenheiten des Kostenträgers (BFH-Urteil vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S, BFHE 56, 773, BStBl III 1952, 298). Gleichwohl dürfen derartige Kosten mit Rücksicht auf die steuerliche Gleichmäßigkeit und soziale Gerechtigkeit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit als notwendig und angemessen anzusehen sind. § 33 EStG soll, wie die wesensverwandte Vorschrift des § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. der §§ 163 und 227 der Abgabenordnung (AO 1977), dazu dienen, unbillige Härten bei der Besteuerung zu verhindern (BFH-Urteil vom 9. April 1965 VI 23/65 S, BFHE 82, 535, BStBl III 1965, 441). Mit dem Billigkeitscharakter dieser Vorschrift wäre es unvereinbar, Begräbniskosten unbeschränkt als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung hat der BFH entschieden, daß Behandlungskosten, die nur deshalb in außergewöhnlichem Umfang entstehen, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Steuerpflichtigen dies erlauben, nur in Höhe eines zu schätzenden angemessenen Betrages zu einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG führen dürfen (Urteil vom 3. Dezember 1964 IV 47/62 U, BFHE 81, 251, BStBl III 1965, 91). Von gleichen Grundsätzen ist im Streitfall auszugehen. Verhältnismäßig hohe Aufwendungen, wie sie den Klägern im Zusammenhang mit dem Todesfall entstanden sind, können sich nur auf Grund besonderer Umstände in der gesamten Höhe als außergewöhnliche Belastung und damit teilweise zu Lasten der Allgemeinheit auswirken. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, daß die Reise- und Aufenthaltskosten nicht notwendig und angemessen i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG waren, um dem Verstorbenen ein gebührendes Begräbnis zuteil werden zu lassen. Die Anwesenheit der mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertrauten Kläger in New York war zur Regelung des Todesfalles nicht erforderlich. Sie hätten dies vielmehr sachgerechter und auch kostengünstiger durch die Beauftragung der zuständigen Stellen und der mit der Ausführung derartiger Aufgaben im allgemeinen betrauten sachkundigen Personen, etwa eines Bestattungsunternehmens, von K aus in die Wege leiten und abwickeln können. Auch hinsichtlich der Nachlaßregelung war, wie die Kläger selbst einräumen, die Reise nach New York nicht erforderlich, da sie hiermit einen Rechtsanwalt betraut hatten, den sie ebenfalls von Deutschland aus hätten beauftragen können.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 558

BFHE 1979, 64

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