Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Kalamitätsnutzungen im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 sind alle Nutzungen, die infolge von Naturereignissen anfallen, sofern die Naturereignisse zu einem Holzanfall führen, der über den in dem forstwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig durch natürliche Vorgänge ungewollt entstehenden Schadensanfall von Holz (sogenannte Scheitholz- oder Totalitätsanfälle) hinausgeht. 2. Zu den Kalamitätsnutzungen rechnen auch die Anfälle aus Einzelhieben mindestens dann, wenn das schädigende Naturereignis gleichzeitig zu Flächenhieben und zu Einzelhieben geführt hat. Es bedarf dann nicht der Feststellung, ob die Einzelhiebe zu einer nachhaltigen Schädigung des stehengebliebenen Bestandes geführt haben. 3. Muß ein nach einem Naturereignis stehengebliebener Bestand nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen eingeschlagen werden (sogenannte Kalamitätsfolgehiebe), so werden die daraus anfallenden Nutzungen steuerlich nur als Kalamitätsnutzungen begünstigt, wenn der Forstwirt sie nicht in die planmäßige Holznutzung der nächsten Jahre einbeziehen kann, insbesondere aber, wenn nicht hiebreife Bestände eingeschlagen werden müssen. 4. Zur pauschalen Ermittlung der Totalitätsanfälle in einem Forstbetrieb.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3, § 34b

 

Tatbestand

Streitig sind zwei Punkte, nämlich 1. wie Kalamitätsnutzungen von Schäden durch betriebsübliche Abgänge abzugrenzen sind und 2. ob zu den Kalamitätsnutzungen auch Nutzungen aus Beständen gehören, die nach einer Kalamität stehengeblieben sind, aber eingeschlagen werden, um die Gesamtfläche wieder aufforsten zu können oder weil sie als Restbestände besonders windgefährdet sind.

I. Sachverhalt Durch Orkane am 17. / 18. Juli 1953 und am 17. Januar 1954 entstanden in den Forsten der Bgin. große Schäden durch Windbruch. Die Bgin. hatte dem Finanzamt zunächst einen Anfall von 10 301 fm gemeldet, war dann jedoch nach der amtlichen Prüfung im Jahre 1955 damit einverstanden, daß rund 2070 fm davon abgesetzt wurden; diese entfielen mit 412 fm auf Hiebfolgehiebe, mit 38 fm auf Hiebe wegen Rotfäule und 1620 fm auf übliche Abgänge (sogenannte Scheitholz- oder Totalitätshiebe). Streitig ist, ob ( 8231 fm laut dem berichtigten Antrag der Bgin. ./. 6137 fm laut der Feststellung des amtlichen Forstsachverständigen -) 2094 fm zu den Kalamitätsnutzungen im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 rechnen. Das Finanzamt behandelte sie als ordentliche Nutzungen, und zwar 130 fm als Kalamitätsfolgehiebe und 1964 fm als Anfälle aus Einzelhieben, durch die der Wert des verbleibenden Bestandes keinen Schaden erlitten habe. Es verteilte den unstreitig erzielten forstwirtschaftlichen Gewinn von 1 295 402 DM wie folgt:

a) Kalamitaetsnutzungen 606.917 DM b) Ausserordentliche Nutzungen aus privatwirtschaftlichen Gruenden 92.925 DM c) Ordentliche Nutzungen 595.560 DM insgesamt 1.295.402 DMDas Finanzgericht gab der Berufung statt und verteilte - entsprechend der Auffassung der Bgin. - die Einkuenfte wie folgt:

a) Kalamitaetsnutzungen 962.998 DM b) Ausserordentliche Nutzungen aus privatwirtschaftlichen Gruenden 92.925 DM c) Ordentliche Nutzungen 239.479 DM insgesamt 1.295.402 DMII. Entscheidung des Finanzgerichts Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung, die in der Zeitschrift "Die Information" L (1960 S. 103) auszugsweise veröffentlicht ist, im wesentlichen wie folgt: Zu Punkt 1:

Kalamitätsnutzungen seien alle dem Waldbestand schädlichen Naturereignisse, die eine den forstwirtschaftlichen Grundsätzen zuwiderlaufende vorzeitige Waldnutzung verursachten (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 540/39 vom 23. August 1939, RStBl 1939 S. 1056), oder - anders ausgedrückt - Nutzungen, die objektiv durch ein auf höherer Gewalt beruhendes Naturereignis verursacht seien (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 29/52 S vom 7. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 345, Slg. Bd. 59 S. 348). Die Schäden, die durch eine Kalamität in jedem Fall entstünden, könnten und brauchten aber nicht im einzelnen festgestellt zu werden. Bei Schäden durch ein und denselben Windwurf könne man auch nicht zwischen Flächenwürfen und Einzelwürfen unterscheiden; auch die Anfälle aus Einzelwürfen gehörten in solchen Fällen zu den Kalamitätsnutzungen. Der Begriff "Kalamitätsnutzung" sei großzügig auszulegen, um die Forstwirtschaft weitgehend in den Genuß der Tarifvergünstigung zu bringen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 476-478/53 U vom 31. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 229, Slg. Bd. 59 S. 52). Der amtliche Forstsachverständige meine, die Tarifvergünstigung für Kalamitätsnutzungen solle einen Ausgleich für die Schäden am verbleibenden Bestand gewähren, die in Ermangelung eines Bestandsvergleichs nicht in Erscheinung träten. Diese Auffassung sei zu eng. Die Steuervergünstigung trage auch dem Umstand Rechnung, daß der Reinerlös für Kalamitätsholz oft geringer sei als Erträge aus planmäßigen Waldnutzungen und daß auch sonstige Nachteile entstünden, z. B. durch Zersplitterung, Sommereinschlag (Verstrickung, Stammtrocknis), Sortierungsverlust, Werbungskosten (Aufräumung), überangebot bei schlechter Konjunktur usw. Die Unterscheidung des Finanzamts zwischen Holznutzungen mit und ohne Beeinträchtigung des verbleibenden Bestandes möge an sich gerechtfertigt sein; sie finde aber im Gesetz keine Stütze. Das Gesetz kenne bei ungewollten, durch Naturereignisse anfallenden Nutzungen nur zwei Arten, nämlich Kalamitätsnutzungen bei Vorliegen höherer Gewalt und gemäß Abschn. 160 Abs. 5 EStR 1953 Nutzungen, die sich im Rahmen der regelmäßigen Abgänge hielten (sogenannte Scheitholz- oder Totalitätsanfälle); die letztgenannten würden in § 34 b Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1955 als "die in der Forstwirtschaft regelmäßig entstehenden Schäden" bezeichnet; dazu gehörten z. B. einzelne Dürrhölzer, von Käferfraß oder Blitzschlag getroffene einzelne Bäume usw. Diese Anfälle würden gewöhnlich vom Gesamtanfall mit Pauschsätzen abgesetzt und als ordentliche Nutzung versteuert. Die Besorgnis des Finanzamts, daß Forstwirte, um die Ausgangsmenge für den Pauschabzug möglichst hoch zu halten, jeden dürren Kronenast, den der Sturm zu Boden geworfen habe, als Kalamität meldeten, lasse sich dadurch ausräumen, daß die Pauschsätze für die einzelnen Betriebe abgestuft würden. Die Bgin. habe, gemessen an den bis 1953 geltenden Pauschsätzen von 2 und 4 v. H. des Hiebsatzes, die Totalitätsanfälle eher zu hoch als zu niedrig angesetzt; sie habe sich aber zur Vereinfachung bereit erklärt, in Höhe dieser Vomhundertsätze keine Kalamitätsnutzungen anzunehmen. Dagegen bestünden keine Bedenken. Zu Punkt 2:

Die 130 fm stammten aus eingeschlagenen Restbeständen, die nach den beiden Windwürfen stehengeblieben seien. Die Bgin. sei im Interesse einer ordnungsmäßigen Waldbewirtschaftung, vor allem zur zusammenhängenden Aufforstung der Flächen, gezwungen gewesen, die Restbestände alsbald einzuschlagen; hätte sie die Bestände weiter stehenlassen, so hätte sie auch mit dem Verlust dieser besonders windgefährdeten Bestände in absehbarer Zukunft rechnen müssen. Die forstwirtschaftliche Beurteilung, ob ein Restbestand eingeschlagen werden müsse, könne zwar verschieden sein. Im Streitfall sei aber die Hiebnotwendigkeit nicht bestritten und bei der Geringfügigkeit des Restbestandes und der Notwendigkeit der Wiederaufforstung der ganzen Fläche auch nicht bestreitbar. Die 130 fm rechneten deshalb ebenfalls zu den Kalamitätsnutzungen. III. Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts und Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen

Der Vorsteher des Finanzamtes rügt unrichtige Auslegung des § 34 Abs. 3 EStG 1953. Er faßte seine Auffassung wie folgt zusammen: Zu Punkt 1:

Der Kalamitätscharakter einer Nutzung ergebe sich, wenn nicht der ganze Bestand geworfen werde aus der schädigenden Wirkung des Naturereignisses auf den verbleibenden Bestand, der die letzte Einheit der forstwirtschaftlichen Produktion sei. Zu der nicht steuerbegünstigten Totalität rechneten auch einzelne Anfälle infolge von Naturereignissen, z. B. vereinzelte Windbrüche. Die in Abschn. 160 Abs. 5 EStR 1953 in der Klammer aufgezählten kleineren Schäden seien nur typische Beispiele; andere regelmäßige kleiner Abgänge könnten aber auch darunter fallen. Einzelanfälle im Rahmen normaler Durchforstung rechneten immer zu den regelmäßigen Abgängen. Zu Punkt 2:

Der Einschlag von hiebreifenahen Restbeständen, die nach einer Kalamität stehengeblieben seien, sei in der Regel keine Waldnutzung infolge höherer Gewalt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 und § 34 b Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1955; denn es fehle die unmittelbare Einwirkung des Naturereignisses auf das stehende Holz. Nur Folgehiebe in hiebreifeferne Bestände könnten als Kalamitätsnutzung behandelt werden.

Der Bundesminister DER Finanzen, der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, führte im wesentlichen aus: Zu Punkt 1:

Die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 für Kalamitätsnutzungen sei wegen der Außergewöhnlichkeit der Art, nicht der Menge dieser Nutzungen geschaffen worden. Sie wolle nicht nur tarifliche Härten infolge der Einkommensmassierung durch überhiebe ausgleichen, die durch die Unmöglichkeit des Bestandsvergleichs und Nichtberücksichtigung der Wertminderung beim verbleibenden Bestand entstünden, sondern sie berücksichtige auch etwaige durch die Kalamität verursachte betriebswirtschaftliche Schäden. Die Feststellung eines konkreten Schadens sei aber nicht Voraussetzung für die Tarifvergünstigung (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 476-478/53 U a. a. O.).

Die Klammeraufzählung der Ereignisse in § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953, die zu Kalamitätsnutzungen führen könnten, sei nicht erschöpfend; es seien auch noch andere Naturereignisse denkbar. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 29/52 S a. a. O. müßten "Kalamitätsnutzungen" auf einem Naturereignis beruhen; Schäden, die durch normale Natureinflüsse entstünden, gehörten zum Risiko aller Betriebe, die von der Natur abhängig seien; dadurch anfallende Nutzungen seien nicht begünstigt; der Forstwirt müsse mit Nutzungen aus derartigen Schäden rechnen. Naturereignisse träfen ihn dagegen unerwartet. Nur Nutzungen, die auf Grund von Naturereignissen gezogen würden, die also unvorhersehbar und unabwendbar seien, gehörten zu den Kalamitätsnutzungen. Zu ihnen rechneten nicht, wie § 34b Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1955 später klargestellt habe, Schäden, die in der Forstwirtschaft regelmäßig entstünden. Als "regelmäßig entstehende Schäden" sehe das Gesetz aber nur kleinere Schäden an; größere Schäden seien als Nutzungen infolge höherer Gewalt immer tarifbegünstigt (Heinz, Anm. 8 zu § 34 b EStG 1955, in Sonderdruck EStDV 1955 in Deutsche Steuer- Zeitung Ausgabe C). Unter der Herrschaft des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 hätten nach Abschn. 160 Abs. 5 EStR 1953 nicht zu den steuerbegünstigten Kalamitätsnutzungen gezählt Schadensfälle an einzelnen Bäumen, z. B. einzelne Dürrhölzer, Schäden durch Blitzschlag, soweit sie sich im Rahmen der regelmäßigen Abgänge hielten; denn diese zwar auch ungewollten Holznutzungen kämen bei normalem Ablauf immer vor und träfen den Forstwirt nicht unerwartet. Nach einiger Zeit würde auf Grund von Erfahrungen die voraussichtliche Höhe solcher Schadensnutzungen auch schätzbar sein. Die Forstwirte meldeten gewöhnlich alle Schäden als Kalamitätsnutzungen an; es lasse sich nachträglich nicht mehr immer einwandfrei feststellen, welcher Teil durch die Kalamität und welcher Teil durch regelmäßige Schäden angefallen sei. Bei der nachträglichen Schätzung des Kalamitätsschadens werde deshalb von den gemeldeten Holznutzungen die Menge abgezogen, die prozentual erfahrungsgemäß durch regelmäßige Schäden anfalle. Wende man allerdings bestimmte Prozentsätze gleichmäßig für alle Forstbetriebe an, so käme man zu falschen Ergebnissen. In den meisten Oberfinanzdirektionen im Bundesgebiet werde der Umfang der durch regelmäßige Schäden entstandenen Nutzungen je nach den Gefahren des forstwirtschaftlichen Standorts und je nach dem Zustand des Waldes, seinen Holzarten, dem Alter der Bestände usw. im einzelnen Betrieb verschieden veranschlagt.

Die Feststellung eines wertmäßigen Schadens an dem nach einer Kalamität verbliebenen Bestand stoße auf dieselben Schwierigkeiten, derentwegen ein Bestandsvergleich für das stehende Holz unterbleibe. Im Streitfall könnte man die Nichtberücksichtigung der Einzelhiebe nur darauf stützen, daß es sich bei ihnen um Scheitholz- oder Totalitätsanfälle über die angesetzte Pauschmenge von 1620 fm hinaus handele. Die Begin. habe sich mit einem Pauschabzug von 1620 fm für Totalitätsschäden einverstanden erklärt, während sie die restlichen 1964 fm aus Einzelhieben als Kalamitätsnutzungen ansehe. Eine nachträgliche mengenmäßige Feststellung, welche Holznutzungen als Kalamitätsnutzungen auf die beiden Windwürfe zurückzuführen und welche Holznutzungen unabhängig davon durch regelmäßig im Betrieb aufgetretene Schäden verursacht seien, sei im Streitfall wohl nicht möglich. Bei der nachträglichen Schätzung sei es zweckmäßig, von den Erfahrungen mehrerer Jahre auszugehen, um festzustellen, in welcher Höhe ungewollte Holznutzungen durch regelmäßige Schäden bei normalem Naturablauf im Betrieb der Bgin. zu verzeichnen waren. Ob danach eine größere Menge als 1620 fm abgezogen werden müßte, sei ungewiß. Die Nutzungen, die infolge der beiden Orkane aus Flächenhieben und Einzelhieben hätten gezogen werden müssen, seien jedoch insgesamt Kalamitätsnutzungen. Zweifelhaft sei, ob man Kalamitätsnutzungen annehmen könne, wenn nur Einzelhiebe und nicht auch gleichzeitig Flächenhiebe vorgenommen worden seien; jedenfalls lasse sich nachträglich schwer feststellen, ob bloße Einzelhiebe durch ein Naturereignis oder durch regelmäßige Schäden im Forstbetrieb verursacht worden seien. Diese Frage sei jedoch im Streitfall nicht zu entscheiden, da hier jedenfalls durch die beiden Naturereignisse gleichzeitig große Flächenhiebe erforderlich geworden seien. Zu Punkt 2:

Nutzungen, die nach einer Kalamität aus verbliebenen Beständen gezogen würden, seien Kalamitätsnutzungen, wenn zwischen der Kalamität und dem Folgehieb ein unmittelbarer und zwingender Zusammenhang bestehe. Das sei schon dann der Fall, wenn die Restbestände nach Windwürfen windgefährdeter seien als vorher; denn es müsse damit gerechnet werden, daß diese Reste schon bald wieder zu Kalamitätsnutzungen führten. Sei das der Fall, so sei der Folgehieb notwendig.

Bedeutsam sei aber, ob es sich bei dem unbeschädigten Holz um hiebreifes Holz handele, das bereits in die Vornutzung oder in die Endnutzung einbezogen werden könne. Diese Frage sei nicht nur nach der subjektiven Planung des Forstwirts, sondern auch nach den objektiven Nutzungsmöglichkeiten zu beurteilen. Ein Forstwirt beziehe solche Restbestände, wenn sie hiebreif seien, in seine laufende Hiebplanung ein; eine Kalamität liege dann nicht vor. Anders sei es, wenn die Restbestände verhältnismäßig junge Bestände seien, die noch keiner Normalnutzung zugeführt werden könnten. Dann entstehe durch den Einhieb eine ungewollte Nutzung, die durch die Kalamität verursacht sei und deren Schadensfolgen denen der Kalamität gleichkämen, so daß solche Nutzungen auf einer Kalamität beruhten.

Im Streitfall seien die Restbestände wohl unbeschädigtes und hiebreifenahes Holz in marktgängigen Sortimenten gewesen. Dann sei, obwohl ein mittelbarer Zusammenhang der Folgenutzung mit der Kalamität gegeben sei, nicht einzusehen, weshalb eine solche Nutzung als Kalamität begünstigt werden solle. Davon gehe auch wohl das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1142/28 vom 11. Dezember 1929 (RStBl 1930 S. 218) aus. Deshalb seien die streitigen 130 fm keine Kalamitätsnutzung.

 

Entscheidungsgründe

IV. Entscheidung des Senats

Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird die Vorentscheidung aufgehoben und zu anderweiter Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Zu Punkt 1:

Mit Recht leiten das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs her, daß zu den Kalamitätsnutzungen alle Nutzungen rechnen, die auf Naturereignisse der in § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 genannten Art oder ähnliche Ereignisse höherer Gewalt zurückgehen und zu einem Holzanfall führen, der über die mit dem Forstbetrieb verbundenen natürlichen und üblichen Schäden (sogenannter Scheitholz- oder Totalitätsschäden) hinausgeht. Bei Holzanfällen auf Grund von Naturereignissen kommt es nicht darauf an, ob größere zusammenhängende Flächen mit einem Schlag betroffen und abgeholzt werden müssen oder ob aus größeren Beständen nur einzelne Teile oder Stämme vernichtet werden oder ob - wie es wohl im vorliegenden Fall war - in einem Revier im Zentrum des Orkans ganze Flächen und an den Rändern nur größere oder kleiner Teile zerstört werden. Ob steuerbegünstigte Kalamitätsnutzungen vorliegen, kann - entgegen der Auffassung des Finanzamts - vor allem auch nicht davon abhängen, ob der stehengebliebene Bestand, wenn infolge des Naturereignisses nur einzelne Bäume geschlagen werden mußten, nachhaltig geschädigt ist. Bei der Eigenart der Forstwirtschaft wären solche Schäden kaum zuverlässig festzustellen. Im übrigen geht der Gesetzgeber, wie das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen zutreffend darlegen, davon aus, daß durch Kalamitäten immer Schäden verschiedener Art entstehen, die sich mangels eines Bestandsvergleichs für das stehende Holz steuerlich nicht voll auswirken und deshalb durch die Tarifermäßigung ausgeglichen werden sollen. Die vom Finanzamt vertretene Auslegung, daß Einzelnutzungen, die zwar auf eine Kalamität zurückgehen, aber den verbliebenen Bestand nicht nachhaltig geschädigt haben, nicht nach § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 begünstigt werden dürften, wird dem Sinn des Gesetzes nicht gerecht, wie auch der Bundesminister der Finanzen annimmt.

Dem Bundesminister der Finanzen ist auch darin beizutreten, daß Schäden, die im üblichen Rahmen des forstwirtschaftlichen Risikos liegen, nicht begünstigt werden können. Abschn. 160 Abs. 5 EStR 1953 enthält insoweit eine zutreffende Auslegung des Gesetzes. Die Verwaltungsanweisung umfaßt sachlich im wesentlichen die Schäden, die in § 34 b Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1955 als regelmäßig entstehende Schäden bezeichnet werden. Dem Bundesminister der Finanzen ist zuzustimmen, daß damit aber nur regelmäßig entstehende kleinere Schäden gemeint sein können; denn größere Schäden müssen nach dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 EStG 1953 auf jeden Fall begünstigt werden. Größere Schäden in diesem Sinne sind Schäden, die durch Naturereignisse zu einem Holzanfall führen, der die im Betrieb erfahrungsgemäß regelmäßig durch Naturereignisse anfallenden ungewollten Nutzungen mengenmäßig erheblich übersteigt.

Es besteht kein Bedenken, wenn die Verwaltungsbehörden, sofern die nachträgliche genaue mengenmäßige Einzelermittlung der tarifbegünstigten Kalamitätsnutzungen und der nicht begünstigten Totalitätsnutzungen unmöglich oder nur mit besonderen Schwierigkeiten durchführbar ist, gemäß § 217 AO durch Schätzung ermitteln, welcher Teil des Gesamtanfalls auf regelmäßige Schäden (Totalitätsschäden) zurückgeht. Wenn die Verwaltungsbehörden dabei Pauschsätze zugrunde legen, so bleiben sie im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens, wobei allerdings, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht ausführt, unzulässige Verallgemeinerungen zu vermeiden und die individuellen Verhältnisse und die Erfahrungen während einer längeren Reihe von Jahren im einzelnen Betrieb angemessen zu berücksichtigen sind.

Das Finanzgericht meint, im Streitfall seien die von der Bgin. abgesetzten 1620 fm eine ausreichende Schätzung der Totalitätsschäden; nach den bis 1953 geltenden Pauschsätzen von 2 bis 4 v. H. des Hiebsatzes seien 1620 fm sogar eher zuviel als zuwenig. Wenn auch die Schätzung der Totalitätsschäden vorwiegend eine Frage der tatsächlichen Feststellung ist, so ist doch ungewiß, ob das Finanzgericht bei seiner Schätzung die individuellen Verhältnisse des Betriebs der Bgin. ausreichend berücksichtigt hat.

Bei der erneuten Prüfung muß es versuchen festzustellen, ob nach mehrjährigen Erfahrungen im Betrieb der Bgin. der angewandte Pauschsatz angemessen ist. Zu Punkt 2:

Der Senat tritt dem Bundesminister der Finanzen darin bei, daß es nach Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG 1953 nicht berechtigt ist, Kalamitätsfolgehiebe in jedem Fall steuerlich zu begünstigen. Auch wenn nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen ein Restbestand, der nach einer Kalamität stehengeblieben ist, zwangsläufig eingeschlagen werden muß, so besteht doch gegenüber einer Kalamitätsnutzung der wesentliche Unterschied, daß der Forstwirt es in der Hand hat, wann er den Restbestand einschlagen will. Er kann ihn in der Regel in die betriebsplanmäßige Holznutzung der nächsten Jahre einbeziehen. Nur wenn das nicht möglich ist, besonders also, wenn nicht hiebreife Restbestände eingeschlagen werden müssen, liegen Kalamitätsnutzungen vor.

Da das Finanzgericht Kalamitätsfolgehiebe stets als tarifbegünstigt angesehen hat und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und in welchem Umfang die eingeschlagenen Restbestände hiebreife Hölzer umfaßten, muß das Finanzgericht bei der erneuten Prüfung entsprechende Feststellungen treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410047

BStBl III 1961, 276

BFHE 1962, 18

BFHE 73, 18

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