Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

übernimmt eine Personenvereinigung, die mit einer inländischen Kapitalgesellschaft eine BGB-Gesellschaft (z. B. einen Schiffahrtspool) bildet, ganz oder zum Teil die Reingewinne und Verluste der Kapitalgesellschaft, so sind die Verlustübernahmen gesellschaftsteuerpflichtig, wenn die Personenvereinigung wegen der Beteiligung am Gewinn gemäß § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Ziff. 3 KVStG 1934 als Gesellschafterin der Kapitalgesellschaft angesehen werden muß.

 

Normenkette

KVStG § 2 Ziff. 2, § 2/1/2, §§ 4, 6 Abs. 1 Ziff. 3, § 6/2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Verlustübernahmen durch die Mitglieder eines Schiffahrtspools, von denen nur eines Gesellschafter der die Geschäfte eines Poolsekretärs wahrnehmenden Kapitalgesellschaft ist, Gesellschaftsteuer begründen.

Die beschwerdeführende GmbH (Bfin.), deren Gesellschaftszweck der Betrieb einer Reederei ist, ist die Organtochter ihrer alleinigen Gesellschafterin, der Y.-KG (KG), mit der sie einen Ergebnisübernahmevertrag (EüV) abgeschlossen hat. Die Bfin. betreibt mit gecharterten Schiffen einen regelmäßigen Liniendienst. Eigene Schiffe besitzt sie nicht. Ihr Stammkapital beträgt 20.000 DM.

Die KG, als Muttergesellschaft der Bfin., und die nicht an letzterer als zivilrechtliche Gesellschafterin beteiligte X.-Reederei GmbH (GmbH) einerseits sowie die Bfin. andererseits schlossen am 11. April 1950 eine Vereinbarung, wonach sie eine Interessengemeinschaft zur Verstärkung und zum Ausbau des von der Bfin. betriebenen Liniendienstes bildeten. Die Bfin. verpflichtete sich in diesem Vertrag, den Liniendienst mit von der KG und der GmbH gecharterten Schiffen zu betreiben und nur mit Zustimmung dieser beiden Gesellschaften ihren Schiffsbestand mit fremden Charterschiffen zu ergänzen, soweit es zur rationellen Durchführung des Liniendienstes erforderlich ist. Für ihre Tätigkeit steht der Bfin. vertragsgemäß eine Agenturprovision von 2 v. H. der Bruttofrachten zu. Diese Provision hat sie an die Y.-OHG abzuführen, da sie selbst nicht das nötige eigene Personal und die technischen Einrichtungen zur Durchführung der mit dem Liniendienst zusammenhängenden Arbeiten besitzt. Für etwaige eigene Verpflichtungen kann die Bfin. nicht auf die KG oder die GmbH zurückgreifen. Für jeden Dampfer hat sie an die KG und die GmbH eine im Einzelfall zu vereinbarende Tagesmiete zu zahlen, deren Höhe sich nach der Leistungsfähigkeit der Schiffe (Tonnage, Geschwindigkeit, Treibstoffverbrauch) richtet. Charterschiffe fremder Reedereien hat die Bfin. auf Grund der für sie jeweils festgelegten Charterbedingungen besonders abzurechnen. Vierteljährlich hat die Bfin. darüber hinaus den überschuß der Frachteinnahmen über die Ausgaben, also ihren Reingewinn, "im Verhältnis der vereinbarten Tagesmieten und der Beschäftigungsdauer der Schiffe" an die KG und die GmbH "als zusätzliche Chartermiete" zu verteilen. Bei etwa sich ergebenden Verlusten ermäßigen sich die Chartermieten im gleichen Verhältnis zu Lasten der KG und der GmbH (ß 6 Abs. 4 letzter Satz des Vertrages). Ein etwaiger Reingewinn oder Reinverlust aus dem Einsatz fremder Schiffe ist dagegen von der KG und der GmbH je zur Hälfte zu übernehmen.

Anläßlich von Kapitalverkehrsteuer-Prüfungen wurde festgestellt, daß von der KG und der GmbH in den Jahren 1949 und 1950 folgende im Liniendienst entstandenen Verluste

---------- KG ---------- GmbH ---------- insgesamt ---------- DM ----------- DM --------------- DM 1949 ---- 32.487,69 --- 32.487,68 ------ 64.975,37 1950 --- 328.630,50 -- 327.441,35 ----- 656.071,85 und außerdem im Jahre 1950 von der KG allein nicht den Liniendienst betreffende Unkosten von insgesamt 11.535,76 DM übernommen wurden.

Das Finanzamt zog die Bfin. wegen dieser Leistungen der KG und der GmbH in getrennten Steuerbescheiden zur Gesellschaftsteuer nach dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 2 Ziff. 1 KVStG 1934 zur Gesellschaftsteuer heran, und zwar wegen der Leistungen der KG von zusammen 372.653,95 DM (= 32.487,69 DM + 328.630,50 DM + 11.535,76 DM) zu einer Steuer von 5.589,80 DM und wegen der Leistungen der GmbH von zusammen 359.928,35 DM (= 32,487 DM + 327.441,35 DM) zu einer Steuer von 5.398,90 DM.

Die mit rechtzeitiger Einwilligung des Vorstehers des Finanzamts eingelegten Sprungberufungen, die das Finanzgericht zur gemeinsamen Entscheidung verband, blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz war in ihrem in der Deutschen Verkehrsteuer-Rundschau 1961 S. 42 veröffentlichten Urteil der Meinung, durch den Vertrag von 11. April 1950 sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden, die zusammen mit der Bfin. wirtschaftlich eine Einheit (Doppelgesellschaft) gebildet habe. Infolgedessen seien die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft auch als Gesellschafter der Bfin. anzusehen (Urteil des Reichsfinanzhofs II 69/40 vom 18. Dezember 1941, RStBl 1942 S. 44). Selbst wenn man aber, was im Streitfall nicht vorliege, annehmen wolle, nicht die Gesellschafter, sondern die BGB-Gesellschaft habe die Verluste übernommen, seien diese Leistungen aus den vom Reichsfinanzhof im Urteil II A 89/36 vom 2. April 1937 (RStBl 1937 S. 639) - Abschnitt II der Gründe - genannten Erwägungen nicht als Leistungen der Gesellschafter an das Kartell (BGB-Gesellschaft), sondern gemäß § 4 KVStG 1934 als Leistungen an ihren Vermögensträger, die Kapitalgesellschaft, also an die Bfin., anzusehen. Lägen demnach auch Leistungen von Gesellschaftern an die Bfin. vor, so müsse doch noch geprüft werden, ob diese Leistungen im Gesellschaftsverhältnis begründet seien oder ob sie auf einem Leistungsaustausch auf Grund eines neben dem Gesellschaftsverhältnis bestehenden Vertragsverhältnisses beruhen. Das Finanzgericht nahm an, daß die Verlustübernahmen als Leistungen im Sinne von § 2 Ziff. 2 KVStG 1934 anzusehen seien, da die Bfin. keine Ein- und Verkaufsgesellschaft sei, für die der Reichsfinanzhof bestimmte Leistungen als gesellschaftsteuerfrei bezeichnet habe (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 477/33 vom 12. April 1935, RStBl 1935 S. 748), und da die Leistungen im Interesse der gemeinsamen Sache zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks, also aus gesellschaftlichen Gründen erbracht worden seien.

Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie macht geltend, daß, abgesehen von der Unkostenübernahme der KG im Jahre 1950 auf Grund des EüV, gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen nicht vorlägen, da das Finanzgericht zu Unrecht angenommen habe, im Streitfall bestehe eine Doppelgesellschaft im vorerwähnten Sinne; es habe auch unzutreffenderweise ein Auftragsverhältnis und einen Leistungsaustausch zwischen der Bfin. einerseits sowie der KG und der GmbH andererseits verneint.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.

I. Ergebnisübernahmen durch die KG: Mit Recht trägt die Bfin. vor, daß das Finanzgericht zwischen den auf Grund des EüV und den auf Grund des Vertrages vom 11. April 1950 übernommenen Leistungen der KG hätte unterscheiden müssen. Indes kann auch eine getrennte Betrachtung der Rechtsvorgänge zu keinem anderen als dem vom Finanzgericht gefundenen Ergebnis führen:

Auf Grund des EüV. Wie auch die Bfin. nicht bezweifelt, hat die übernahme der Unkosten der Bfin., die nicht durch Einnahmen gedeckt sind und die nicht mit dem Liniendienst zusammenhängen, durch die KG auf Grund des EüV Gesellschaftsteuerpflicht begründet. Die Steuerforderung besteht daher hinsichtlich einer Bemessungsgrundlage von 11.535,76 DM zu Recht.

Auf Grund des Poolvertrages.

Wenn den Ausführungen der Vorinstanz auch nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist, aus welcher Vereinbarung, dem EüV oder dem Vertrag vom 11. April 1950, sie die Leistungsverpflichtungen der KG in den Jahren 1949 und 1950 herleitet, spricht die Gesamtheit der Gründe doch wohl - zutreffend - dafür, daß es sich bei den Leistungen um die übernahme von Mindererlösen im Sinne von § 6 Abs. 4 letzter Satz des Vertrages vom 11. April 1950 gehandelt hat.

Zuzustimmen ist dem Finanzgericht auch darin, daß diese Leistungen von der KG, also einer Gesellschafterin, erbracht wurden, nicht aber von der BGB-Gesellschaft, die keine Kapitalausstattung erhielt. Es liegt somit eine Leistung einer Gesellschafterin an die Bfin., eine inländische Kapitalgesellschaft, vor.

Diese Leistungen sind entgegen der Meinung der Bfin. auch auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt worden. Wie der erkennende Senat in den Urteilen II 269/52 U vom 24. April 1953 (BStBl 1953 III S. 173, Slg. Bd. 57 S. 445) und II 140/58 vom 4. Oktober 1961 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 Nr. 28 S. 31) im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgesprochen hat, unterliegen Leistungen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft im Rahmen des Gesellschaftszwecks zuwendet, der Gesellschaftsteuer, da eine Gesellschaft in diesem Rahmen nicht Beauftragte, Agentin oder Kommissionärin des Gesellschafters sein kann. Unstreitig sind die Mindererlöse im Rahmen des Liniendienstes der Bfin., mithin im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks als Reederei entstanden. Die Ausgleichsleistungen hierfür sind daher Leistungen auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung, nämlich der Verpflichtung, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.

Die Vorinstanz hat somit im Ergebnis zutreffend alle Leistungen der KG als gesellschaftsteuerpflichtig angesehen.

II. Ergebnisübernahmen durch die GmbH auf Grund des Poolvertrages:

Auch die GmbH ist Gesellschafterin der Bfin. im Sinne des KVStG 1934. Zwar kann ihre Leistung nicht nach § 4 KVStG 1934 der KG zugerechnet werden, da es an der notwendigen rechtlichen Beteiligung der KG an der GmbH fehlt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 19/58 S vom 22. November 1962, BStBl 1963 III S. 64, Slg. Bd. 76 S. 179). Es erscheint bei der vom Gesetz vorgeschriebenen rechtsförmlichen Betrachtung des Gesellschafterbegriffs auch nicht mehr angängig, bei Kartell-Doppelgesellschaften die Gesellschaftereigenschaft schon dann zu bejahen, wenn jemand als Gesellschafter der Personenvereinigung angehört, die nicht die empfangende Kapitalgesellschaft ist, also in der Regel der BGB-Gesellschaft. Dieses Rechtsproblem braucht im Streitfall jedoch nicht abschließend entschieden zu werden; denn die GmbH ist schon nach § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Ziff. 3 KVStG 1934 Gesellschafterin der Bfin. im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Sie hat rückwirkend zum 30. August 1949 der Bfin. einen und später noch weitere Dampfer verchartert. Die vereinbarte Miete bestand aus einem festen Grundbetrag für jeden Tag der Charter und aus einem erfolgsabhängigen Faktor, so daß sich bei Erzielung eines Reingewinns die Miete erhöhte, bei Erzielung eines Verlustes verminderte. Die GmbH nahm demnach durch diese Vereinbarung an dem Erfolg des Unternehmens der Bfin., wie die Beteiligung am Reingewinn und am Verlust zeigt, wie eine Gesellschafterin teil. Das KVStG 1934 behandelt in derartigen Fällen den Inhaber einer solchen Forderung im Wege der Fiktion als Gesellschafter der verpflichteten Kapitalgesellschaft. Daher ist gesellschaftsteuerrechtlich davon auszugehen, daß die GmbH in gleicher Weise wie die KG an dem Gesellschaftsverhältnis zur Bfin. beteiligt ist. Ist sie dies aber, wurden auch ihre Leistungen aus den gleichen wie zu Abschnitt I Nr. 2 c genannten Gründen auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt.

Da auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht zu beanstanden ist, hat das Finanzgericht im Ergebnis zutreffend auch alle Leistungen der GmbH der Gesellschaftsteuer unterworfen.

Nach alledem konnte die Rb. keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 410

BFHE 1964, 489

BFHE 79, 489

StRK, KVStG:2 R 58

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