Leitsatz (amtlich)

Ein freiberuflich Tätiger, der als Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzt, kann bei der Ermittlung seines Gesamtvermögens keinen Schuldposten für die bei der Vereinnahmung der im Veranlagungszeitpunkt noch ausstehenden Honorarforderungen zu erwartenden Einkommensteuer und Kirchensteuer vom Rohvermögen abziehen.

 

Normenkette

BewG 1965 § 105 Abs. 1, § 118 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er unterhält eine eigene Praxis und ist außerdem an einer Anwaltssozietät beteiligt. Sowohl der Kläger als auch die Sozietät ermitteln ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Aufgrund der Feststellungen einer bei dem Kläger im Jahre 1969 durchgeführten Betriebsprüfung setzte das FA bei der nach § 222 AO berichtigten Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1966 und bei der Neuveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1968 sowie bei der Hauptveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1969 im Betriebsvermögen des Klägers und in dem Anteil des Klägers an dem Betriebsvermögen der Sozietät Honorarforderungen an.

Der Einspruch, mit dem der Kläger beantragte, für die bei Eingang der Honorarforderungen noch zu erwartende Einkommensteuer und Kirchensteuer einen Abzug von 40 bis 50 v. H. der Honorarbeträge zu machen, hatte nur zum Teil Erfolg. Das FA ließ die vom Betriebsprüfer nur mit geschätzten Beträgen abgezogenen Steuerschulden an Einkommensteuer und Kirchensteuer an den einzelnen Stichtagen mit den tatsächlich festgestellten höheren Beträgen zum Abzug zu.

Die Klage wurde abgewiesen. Das FG war der Auffassung, daß die im Betriebsvermögen berücksichtigten Honorarforderungen an dem jeweiligen Veranlagungszeitpunkt noch nicht mit Einkommensteuer und Kirchensteuer belastet gewesen seien. Da der Kläger und die Anwaltssozietät den Gewinn nach Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzten, ergäben sich steuerliche Auswirkungen erst für das jeweils folgende Kalenderjahr, in dem die Honorare als Betriebseinnahmen zuflössen. Im übrigen ergebe sich die künftige Steuerbelastung erst aus dem gesamten Einkommen des folgenden Kalenderjahres. Derartige unbestimmte künftige Belastungen des Vermögens könnten nach der Rechtsprechung des BFH nicht durch Ansatz eines besonderen Schuldpostens berücksichtigt werden.

Mit der Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung des FG-Urteils entsprechend dem Klageantrag zu entscheiden, d. h. bei der Ermittlung des Gesamtvermögens Schuldposten in Höhe von 50 v. H. der beim Betriebsvermögen erfaßten Honorarforderungen zu berücksichtigen und die Vermögensteuer 1966, 1968 und 1969 entsprechend herabzusetzen. Es wird Verletzung des § 1 Abs. 2 StAnpG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die wirtschaftliche Betrachtungsweise habe bei der Vermögensteuerveranlagung Vorrang. Es könne nicht ernstlich bestritten werden, daß die Honorarforderungen an den jeweiligen Stichtagen noch mit Einkommensteuer und Kirchensteuer belastet gewesen seien. Unstreitig seien diese Honorarforderungen in den ersten Monaten jedes Jahres beglichen worden. Angesichts der Höhe der Forderungen könne das Entstehen von Einkommensteuer und Kirchensteuer nicht zweifelhaft sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise müsse "vom üblichen" ausgegangen werden. Ein fiktiver Käufer der Honorarforderung würde mit Sicherheit einen Betrag in Abzug bringen, der dem durchschnittlichen Steuersatz der letzten Jahre entspreche. Insoweit könne man nicht einfach von unbestimmten künftigen Belastungen sprechen. Es sei auch fraglich, ob man überhaupt vom Stichtag ausgehen könne, weil im Zeitpunkt der Vornahme der Vermögensteuerveranlagung die entsprechenden Einkommensteuerbescheide bereits vorgelegen hätten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist der Meinung, daß die Vorentscheidung der Rechtsprechung des BFH entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Das Begehren des Klägers ist ausdrücklich nicht auf den Ansatz der Honorarforderungen im Betriebsvermögen mit einem geringeren Betrag als dem Nennwert gerichtet. Ein solches Begehren hätte der Kläger auch im vorliegenden Verfahren, das sich nur gegen die Vermögensteuerbescheide richtet, nicht geltend machen können, sondern in einem Rechtsmittelverfahren gegen die Einheitswertbescheide des eigenen Betriebsvermögens und des Betriebsvermögens der Anwaltssozietät. Deshalb liegt sein Einwand, ein fiktiver Erwerber der Honorarforderungen würde als Kaufpreis weniger als den Nennwert bezahlen, neben der Sache.

Der Kläger kann aber auch mit seinem Antrag, die künftige Belastung der Honorarforderungen mit Einkommensteuer und Kirchensteuer schon an den Veranlagungszeitpunkten, an denen die Forderungen jeweils im Betriebsvermögen angesetzt worden sind, mit einem geschätzten Betrag von 40 bis 50 v. H. zum Abzug zuzulassen, nicht durchdringen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß für den Abzug von laufend veranlagten Steuern, zu denen die Einkommensteuer und die Kirchensteuer gehören, nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 BewG 1965 Voraussetzung ist, daß die Steuern spätestens im Veranlagungszeitpunkt fällig geworden sind oder für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Veranlagungszeitpunkt geendet hat. Dabei ist zu beachten, daß sowohl der Kläger als auch die Sozietät ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, d. h. in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) nur den in diesem Veranlagungszeitraum erzielten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben versteuern. Als Einnahmen werden dabei nach § 11 Abs. 1 EStG nur solche Beträge angesetzt, die innerhalb des Kalenderjahres dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Die Einkommensteuer und die Kirchensteuer werden also für einen Zeitraum erhoben, der erst jeweils am 31. Dezember des Jahres endet, in dem die Honorarbeträge eingegangen sind. Nur die Vorauszahlungen werden allerdings schon mit dem Beginn des Kalendervierteljahres fällig, in dem sie zu entrichten sind. Diese Vorauszahlungen hat aber das FA bei den Steuerschulden vom jeweiligen Stichtag bereits berücksichtigt. Darüber hinaus kann die Steuerschuld jeweils erst am 1. Januar des nächsten Jahres abgezogen werden. Auch das hat das FA berücksichtigt. Die Tatsache, daß die Höhe der Steuerschulden bei der Vornahme der Veranlagungen inzwischen genau feststeht, muß wegen des im Bewertungsrecht maßgebenden Stichtagsprinzips außer Betracht bleiben. Auch auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann angesichts des klaren Wortlauts des § 105 Abs. 1 Nr. 2 BewG 1965 eine erst nach dem Stichtag entstehende Schuld nicht bereits am Stichtag abgezogen werden. Das FG hat deshalb mit Recht den beantragten Abzug verweigert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413183

BStBl II 1972, 519

BFHE 1972, 163

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