Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Verlobten für das Studium des anderen Verlobten sind in der Regel keine zwangsläufigen außergewöhnlichen Belastungen, auch wenn der Geber in besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33a

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) war in den Jahren 1960 bis 1962 Gerichtsreferendar und im Jahr 1963 Assessor in der Finanzverwaltung. Aus der Beteiligung an einer KG flossen ihm erhebliche Gewinnanteile zu. Er war seit dem 27. Dezember 1959 mit einer Medizinstudentin verlobt, die er am 30. August 1963 heiratete. Die Ehe wurde am 3. Dezember 1965 wieder geschieden. Der Stpfl. unterstützte in den Jahren 1960 bis 1962 seine Braut und im Jahre 1963 seinen Schwager mit den folgenden Beträgen:

1960 ----- 1.625 DM 1961 ----- 3.600 DM 1962 ----- 3.600 DM 1963 ----- 1.425 DM.Die Braut studierte seit dem Jahr 1955 in A; ihren Hauptwohnsitz hatte sie bei ihrer Mutter in B. Bis Ende 1959 erhielt sie Zuwendungen aus dem Honnefer Modell; außerdem arbeitete sie in den Semesterferien. Im Jahr 1959 erhielt sie ferner vom Lastenausgleich einen Betrag von 1.000 DM und ein Darlehen vom Studentenwerk von 2.050 DM. Ab 1. September 1962 verdiente sie als Medizinalassistentin 430 DM monatlich.

Der Schwager, der seit 1959 studierte, erhielt bis zum Sommer 1960 ebenfalls Zuwendungen aus dem Honnefer Modell; bis zum Jahr 1963 arbeitete er in den Semesterferien.

Die Braut und ihr Bruder erhielten von ihren Eltern, die geschieden sind, keine Unterstützung. Die Mutter ist in zweiter Ehe wieder verheiratet. Der Vater lebt in C und verdiente nach den Angaben der Kinder als Bankbeamter im Jahr 1960 ca. ... DM. Zwischen ihm und den Kindern besteht keine Verbindung. Die Kinder erhielten ab dem Jahr 1960 die Leistungen aus dem Honnefer Modell nicht mehr, da der Vater sich weigerte, ihnen eine Bescheinigung über seinen Verdienst zu schicken.

Das FA gewährte dem Stpfl. zunächst nach § 33 a EStG für den Unterhalt seiner Braut für die Jahre 1960 und 1961 einen Freibetrag von je 900 DM und für das Jahr 1962 einen Freibetrag von 800 DM; einen weiteren Freibetrag wegen auswärtiger Unterbringung der Braut lehnte es ab. In der Einspruchsentscheidung versagte es dann die bisher gewährten Freibeträge für den Unterhalt. Die Zuwendungen des Stpfl. an den Bruder der Braut erkannte es ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 a EStG an.

Die Berufung hatte im wesentlichen Erfolg. Die Urteile des Finanzgerichts (FG) sind in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1966 S. 410 und in "Der Betrieb" 1966 S. 1168 veröffentlicht. Das FG führte aus, die Verlobung allein verpflichte den Bräutigam weder rechtlich noch sittlich, das Studium seiner Braut zu finanzieren. Hier sei aber wegen der besonderen Umstände eine sittliche Pflicht für den Stpfl. anzunehmen. Da der Staat an qualifiziertem Nachwuchs interessiert sei, müßten Aufwendungen für ein Studium stets als zwangsläufig gelten. Die Braut hätte für die Finanzierung des Studiums keine anderen Quellen gehabt. Die Zwangsläufigkeit für den Stpfl. würde aber auch nicht zu verneinen sein, wenn die Braut andere Quellen hätte ausschöpfen können. Die Aufwendungen für die Braut seien daher bis zum 31. August 1962 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Bis zu dieser Zeit sei auch der Pauschbetrag für die auswärtige Unterbringung zu gewähren. Denn es komme darauf an, ob die Braut im Verhältnis zu ihren Eltern auswärts untergebracht gewesen sei. Auch die Zuschüsse an den Schwager seien für 1963 als zwangsläufige Belastungen zu berücksichtigen; denn damals sei der Stpfl. bereits verheiratet gewesen und seine Ehefrau sei sittlich verpflichtet gewesen, die Studienkosten ihres Bruders zu übernehmen.

Mit den Revisionen rügt das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht und beantragt,

die angefochtenen Urteile aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet. Der Senat hat die Revisionen zur gemeinsamen Entscheidung gemäß §§ 121, 73 Abs. 1 Satz 1 FGO verbunden, da die Sachverhalte und Rechtsfragen im wesentlichen gleich sind.

Macht ein Steuerpflichtiger zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung von Personen, für die er keinen Kinderfreibetrag erhält, so kann er diese Aufwendungen, höchstens jedoch 1.200 DM jährlich (für die Jahre 1960 und 1961: 900 DM) als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 a Abs. 1 EStG von seinem Einkommen abziehen. Diese Freibeträge sind auf Antrag gemäß § 33 a Abs. 2 EStG um 1.200 DM (bzw. 900 DM) zu erhöhen, wenn dem Steuerpflichtigen weitere Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung zur Berufsausbildung entstehen. Kosten entstehen gemäß § 33 Abs. 2 EStG "zwangsläufig", wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, wenn sie den Umständen nach notwendig sind und wenn sie einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Kosten für die Berufsausbildung haben in erster Linie die Eltern zu tragen, die ihren Kindern gegenüber gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind (§ 1601 BGB). Sind die Eltern dazu nicht in der Lage, so sind allenfalls die Verwandten aufsteigender Linie (§§ 1601, 1606 BGB), vor allem die Großeltern dazu verpflichtet. Keinesfalls sind aber Braut und Bräutigam im Verhältnis zueinander rechtlich verpflichtet, sich gegenseitig das Studium zu finanzieren, soweit der andere dazu nicht in der Lage ist. Davon geht auch das FG aus.

Die Verlobung begründet im Normalfall keine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG, dem zukünftigen Ehegatten sein Studium zu finanzieren, wie das FG zutreffend bemerkt. Es ist sicher anständig und sittlich anzuerkennen, wenn Bräutigam und Braut einander helfen und finanziell füreinander einspringen. Aber eine sittliche Pflicht dazu besteht im allgemeinen nicht. Nach dem Urteil billig und gerecht denkender Bürger handelt ein Verlobter gewöhnlich nicht "unanständig" oder "unsittlich", wenn er die übernahme der Studienkosten des anderen Verlobten ablehnt, zumal wenn er dem Wunsch zu helfen, dadurch nachkommen kann, daß er dem anderen Verlobten Darlehen gibt. In Ausnahmefällen mag man eine sittliche Pflicht zur Unterhaltsgewährung während des Studiums auch bei Verlobten anerkennen können. Einen solchen Ausnahmefall hat der Senat im Urteil VI 80/59 vom 6. November 1959 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 110) angenommen. Damals hatte die durch die Krankheit ihres Bruders schon stark belastete Braut ihren Verlobten nur durch die Zusage einer Studienbeihilfe zur Rückkehr in die Bundesrepublik bewegen können; dem Verlobten wurde die Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik nur unter der Auflage erteilt, daß er eine entgeltliche Beschäftigung aufnahm. Nach den Grundsätzen des Urteils des BFH IV 284/51 U vom 20. März 1952 (BFH 56, 321, BStBl III 1952, 125) kann eine sittliche Pflicht für einen Verlobten - ebenso wie bei nicht unterhaltspflichtigen Verwandten - vielleicht auch anerkannt werden, wenn die Eltern, die das Studium bisher bezahlt hatten, plötzlich sterben, ihr Vermögen verlieren oder arbeitslos werden und der Student alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen ausgeschöpft hat. In diesem Zusammenhang soll aber - wie das Urteil hervorhebt - auch geprüft werden, ob dem Studenten zuzumuten ist, sich die Mittel durch entgeltliche Tätigkeit in den Semesterferien zu beschaffen. Das bedeutet nicht etwa, daß der Steuerfiskus dem Studenten ein "Werkstudium" vorschreibt.

Diese Rechtsauslegung verletzt auch nicht - wie das FG meint - den Grundsatz der Gleichheit oder Sozialstaatlichkeit. Studienkosten, die die Eltern für ihre Kinder tragen, und die ein Verlobter für den anderen Verlobten trägt, können für die Anwendung des § 33 a EStG durchaus unterschiedlich behandelt werden, weil die Eltern gesetzlich, Verlobte jedoch nur allenfalls in seltenen Ausnahmefällen sittlich zur übernahme dieser Kosten verpflichtet sind. Gemäß den BFH-Urteilen IV 342/53 U vom 8. April 1954 (BFH 58, 722, BStBl III 1954, 188) und VI 320/65 vom 25. März 1966 (BFH 86, 457, BStBl III 1966, 534) begründet die Anstandspflicht, anderen Personen in wirtschaftlich schwieriger Lage zu helfen, jedenfalls nicht ohne weiteres eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht eine sittliche Verpflichtung des Stpfl. gegenüber seiner Braut und seinem Schwager angenommen. Rechtlich war der Vater der Braut zum Unterhalt verpflichtet. Er hätte offenbar wirtschaftlich das Studium seiner Kinder mindestens teilweise bezahlen können. Jedenfalls war er aber verpflichtet, seinen Kindern das Honnefer Modell dadurch zu verschaffen, daß er eine Verdienstbescheinigung schickte. Als der Vater sich im Jahr 1960 weigerte, diese Bescheinigung zu schicken, handelte der Stpfl. anständig und sittlich anerkennenswert, wenn er als wohlsituierter Mann die Studienkosten seiner Braut übernahm und es ihr ersparte, ihren Vater auf die Bescheinigung oder auf Unterhalt zu verklagen. Der Stpfl. hätte aber nicht unsittlich gehandelt, wenn er seiner Braut ein Darlehen gegeben hätte, das sie aus dem erwarteten Einkommen als ärztin später ohne Mühe hätte zurückzahlen können. Der Stpfl. mag es als "schofel" empfunden haben, wenn er bei seinem beträchtlichen Einkommen seiner Braut diese Beträge nicht "geschenkt" hätte. Zu dieser Schenkung bestand aber kein sittlicher Zwang.

Das gilt noch mehr für die Studienkosten des Schwagers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412392

BStBl III 1967, 308

BFHE 88, 119

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