Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Poolvertrag führt nicht zu einer Zusammenfassung der beteiligten Gewerbetreibenden zu einer Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Ziff. 2 EStG.

Ein Poolvertrag zwischen Familiengesellschaften ist steuerlich nicht anzuerkennen, wenn der Vertrag nicht im betrieblichen Interesse der Gesellschaften, sondern nur im persönlichen Interesse der Gesellschafter abgeschlossen wurde.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2; EStG §§ 5, 15 Nr. 2; GewStG § 2

 

Tatbestand

Die Bfin. ist eine KG, die eine Speditionsfirma betreibt. Ihre Gesellschafter waren im Streitjahr 1955 der Vater als Komplementär und der Sohn als Kommanditist mit einem Gewinnanteil von zwei Dritteln bzw. einem Drittel. Beide Gesellschafter sind, wie auch die Bfin. selbst, an zwei anderen Kommanditgesellschaften, nämlich einer Grundstücksgesellschaft und einer Tankreederei, beteiligt. An diesen beiden Kommanditgesellschaften ist - anders als an der Bfin. - neben dem Vater und dem Sohn auch die Ehefrau des Vaters als Kommanditistin beteiligt. Der Vater und der Sohn sind Komplementäre. Am Gewinn dieser Kommanditgesellschaften sind der Vater und der Sohn mit je 40 v. H. und die Ehefrau mit 20 v. H. beteiligt. Vom Jahr 1956 an ist die Ehefrau auch an der Bfin. beteiligt; seit dieser Zeit wird der Gewinn bei allen Gesellschaften an den Vater als Komplementär mit 50 v. H. sowie an die Ehefrau und den Sohn als Kommanditisten mit je 25 v. H. verteilt.

Unter dem 8. August 1955 wurde zwischen den drei Gesellschaften ein "Poolvertrag" geschlossen, nach dem die von jeder Gesellschaft erwirtschafteten Gewinne oder Verluste einem Pool zuzuführen und im Gesamtergebnis auf die Gesellschaften gleichmäßig aufzuteilen sind. Der Vertrag war "zunächst auf fünf Jahre" fest geschlossen; nach Ablauf dieser Frist war er unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten jeweils zum Jahresschluß, erstmals zum 31. Dezember 1959, kündbar.

Nach Auffassung der Bfin. bilden die drei Gesellschaften ein einziges Unternehmen, so daß nur ein gewerbesteuerpflichtiger Gewerbebetrieb vorliegt und eine einheitliche Gewinnfeststellung für alle Gesellschaften vorzunehmen ist. Mindestens muß aber nach der Ansicht der Bfin. der Poolvertrag anerkannt werden, so daß, wenn auch drei verschiedene Unternehmen vorliegen, doch bei jeder Gesellschaft nur der Gewinn anzusetzen ist, der nach dem Poolvertrag auf sie entfällt.

Bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags 1955 und der Veranlagung zur Gewerbesteuer 1955 nahm das Finanzamt - anders als die Bfin. - an, daß drei verschiedene Unternehmen vorlägen. Den Poolvertrag erkannte es zwar an, kam aber im Ergebnis gleichwohl nicht zu der von der Bfin. gewünschten Aufteilung. Bei der Gewinnermittlung legte es nämlich zunächst die von der Bfin. angegebenen Beträge zugrunde, ging dann jedoch in der Einspruchsentscheidung auf Grund der Ermittlungen einer Betriebsprüfung von den folgenden, auch von der Bfin. anerkannten Beträgen aus:

Gewinn der Bfin. 100.000 DM Verlust der Grundstuecksgesellschaft minus 50.000 DM Verlust der Tankreederei minus 80.000 DM Gesamtverlust 30.000 DMDem Vortrag der Bfin. entsprechend setzte es bei dieser ein Drittel des Gesamtverlustes, also 10 000,-- DM an. Es kürzte aber diesen Verlust nach § 8 Ziff. 9 GewStG um die Verlustanteile, die die Bfin. von den beiden anderen Gesellschaften übernommen hatte, so daß sich für die Bfin. ein Gewerbeertrag von 100 000,-- DM ergab.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht begründete sein Ergebnis jedoch insofern anders als das Finanzamt, als es zwar auch die Unternehmenseinheit ablehnte, aber auch den Poolvertrag nicht anerkannte. Es führte aus, für die Annahme einer Unternehmenseinheit fehle es an der gleichen Beteiligung aller Gesellschafter. Es fehle ferner aber auch an einer vernünftigen Grundlage für den Poolvertrag. Die gutverdienende Bfin. habe keinen wirtschaftlichen Anlaß gehabt, ihren Gewinn mit den Verlusten der beiden anderen Gesellschaften zusammenzutun; von einer angemessenen Gegenleistung dieser Gesellschaften könne keine Rede sein; der Abschluß des Vertrages könne nur aus den gleichlaufenden persönlichen Interessen der Gesellschafter erklärt werden.

Mit ihrer Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß nur ein Unternehmen vorliege, so daß nur ein Gewerbesteuermeßbescheid zu erlassen und der Gewinn (Verlust) für die drei beteiligten Gesellschaften einheitlich festzustellen sei. Hilfsweise beantragt sie, zwar drei Gewinnfeststellungsbescheide zu erlassen, diesen aber - dem Poolvertrag entsprechend - die auf die drei Gesellschaften entfallenden Verlustanteile zugrunde zu legen. Zur Begründung der Unternehmenseinheit trägt sie vor, die Beteiligung der Ehefrau des Hauptgesellschafters habe schon im Hinblick auf das eheliche Nutznießungsrecht des Ehemanns keine selbständige Bedeutung. Zur Rechtfertigung des Poolvertrags und der engen Verbindung der drei Gesellschaften trägt sie vor, ihr eigenes Unternehmen werde durch die Betriebe der Grundstücksgesellschaft und der Tankreederei sinnvoll ergänzt. Im Grunde handele es sich nur um drei Abteilungen desselben Unternehmens. Die Grundstücksgesellschaft sei eine Anlagegesellschaft; ihre Werte dienten als Unterlage für Kredite an sie (die Bfin.); sie selbst könne diese Kredite nicht aufnehmen, ohne den Kreditgebern Einblick in ihre Geschäfte zu gewähren. Die Tankreederei stelle den Schiffsraum, den sie (die Bfin.) für die von ihr geworbenen Mineralölverschiffungen benötige. Wäre die Tankreederei nicht vorhanden, so müßte fremde Tonnage gechartert werden, wie das hin und wieder auch geschehe. Daß es sich im Grund nur um ein Unternehmen handele, werde auch dadurch erkennbar, daß innerhalb des Gesamtunternehmens eine Trennung zwischen den drei Gesellschaften nicht vorgenommen werde. Der Aufbau aller Firmen nehme seit jeher keine Rücksicht auf die gesellschaftlichen Unterschiede. Mehrere Abteilungen erledigten Aufgaben aller Firmen, z. B. die Buchhaltung, das Sekretariat, die Telefon- und Telexzentrale und die Postabfertigung. Ebenso eng sei die personelle Verknüpfung zwischen den drei Firmen. Schließlich ständen alle drei Gesellschaften unter einer gemeinsamen Leitung.

Das Finanzamt weist darauf hin, daß zwischen fremden Gesellschaften ein Poolvertrag gleicher Art wohl nicht abgeschlossen worden wäre. Die Grundstücksgesellschaft sei im Jahre 1954 und die Tankreederei sogar erst im Jahre 1955 gegründet worden. Von einem wirtschaftlichen Ausgleich unter den Gesellschaften könne darum für das Streitjahr 1955 keine Rede sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung des Finanzgerichts ist, soweit sie eine Unternehmenseinheit verneint hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 19/59 U vom 5. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 304, Slg. Bd. 69 S. 111) kann eine Unternehmenseinheit zwischen mehreren Personengesellschaften nur bei Gleichheit der Gesellschafter und ihrer Beteiligungsverhältnisse anerkannt werden. Dem tritt der erkennende Senat bei. Ob man mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs V 293/55 U vom 12. März 1959 (BStBl 1959 III S. 226, Slg. Bd. 68 S. 594), das zum Umsatzsteuerrecht ergangen ist, auch für den Bereich der Steuern vom Ertrag die Unternehmenseinheit dann ablehnen muß, wenn die fehlende Gleichheit allein auf dem "Zwerganteil" eines nicht bei allen Gesellschaften beteiligten Gesellschafters beruht, kann hier dahingestellt bleiben; denn die im Streitjahr 1955 nicht an der Bfin. sondern nur an den beiden anderen Gesellschaften beteiligte Ehefrau hat nicht lediglich einen Zwerganteil besessen. Im übrigen war auch die Beteiligung der beiden anderen Gesellschafter nicht bei allen Gesellschaften der Art und Höhe nach völlig gleich. So war der Vater zwar bei allen Gesellschaften Komplementär, der Sohn aber nur bei den beiden anderen Gesellschaften und nicht auch bei der Bfin.

Wenn die Bfin. darauf hinweist, daß es sich um eine Familiengesellschaft handle und daß die Ehegatten als eine Einheit betrachtet werden müßten, so könnte das allenfalls - zumal wenn man die änderung der Beteiligungsverhältnisse ab 1956 berücksichtigt - zu der Frage führen, ob nicht überhaupt im Grunde allein der Vater die entscheidende Rolle spiele und darum eigentlich alles ihm allein zuzurechnen wäre. Da aber offenbar weder das Finanzamt noch das Finanzgericht an der Ernstlichkeit der Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Durchführung zweifeln, sieht der Senat keinen Grund, dieser Frage näher nachzugehen.

Sind danach die einzelnen Gesellschaften und Beteiligungsverhältnisse als solche auch steuerlich anzuerkennen, dann reicht die Tatsache, daß die Gesellschafter Vater, Mutter und Sohn sind und daß sie offenbar gleichliegende Interessen haben, allein nicht aus, eine Unternehmenseinheit anzunehmen. Die Annahme der Bfin., die Beteiligung der Ehefrau stehe dem Ehemann und Hauptgesellschafter kraft seines ehelichen Nutznießungsrechts zu, trifft nicht zu. Ob ein solches Recht nach der früheren gesetzlichen Regelung des ehelichen Güterrechts bestanden hat, kann dahingestellt bleiben. Denn seit dem 1. April 1953 gilt infolge der Gleichstellung der Geschlechter durch Art. 3 Abs. 2 und Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zwischen den Ehegatten der Güterstand der Gütertrennung.

Die Unternehmenseinheit konnte auch nicht durch den Poolvertrag herbeigeführt werden. Ein Poolvertrag führt zu einem Ertragsausgleich zwischen selbständigen Gesellschaften, faßt diese aber nicht zu einer Einheit zusammen. Wie die Bfin. selbst ausführt, sind die verschiedenen Gesellschaften gerade auch deswegen gegründet worden, um nach außen selbständig aufzutreten. Geht man der gewählten rechtlichen Gestaltung entsprechend von der Selbständigkeit der einzelnen Gesellschaften aus, dann kann der Poolvertrag keine andere Wirkung haben als ein Poolvertrag zwischen fremden selbständigen Kaufleuten. Die sich aus dem Poolvertrag ergebenden Ansprüche und Verpflichtungen sind bei den Betroffenen als Ansprüche oder Verpflichtungen zu buchen. Weil also keine nach außen auftretende einheitliche Gesellschaft vorliegt, wird der Gewinn nicht einheitlich zusammen für alle drei Gesellschaften festgestellt; ebenso werden die drei Gesellschaften nicht einheitlich zur Gewerbesteuer erfaßt.

Was den Poolvertrag selbst angeht, so konnte das Finanzgericht ihm ohne Rechtsverstoß die Anerkennung versagen. Poolverträge zwischen mehreren Gesellschaften sind zwar grundsätzlich auch steuerlich möglich, sofern sie auf betrieblichen Erwägungen beruhen (vgl. Lenski, Körperschaftsteuer, 5. Auflage 1964, S. 84). Das Finanzgericht stellt fest, daß keine zureichenden Gründe dargetan seien, daß hier betriebliche Gründe der Gesellschaften maßgebend gewesen sein könnten, sondern daß ein solcher Vertrag zwischen fremden Gesellschaften nicht möglich gewesen wäre. Es besteht zwar eine gewisse betriebliche Verflechtung zwischen den drei Gesellschaften, wie man der Bfin. zugeben mag. Wenn das Finanzgericht gleichwohl zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Poolvertrag seinem Inhalt nach nur aus der übereinstimmenden persönlichen Interessenlage der Gesellschafter heraus zu erklären sei und in dieser Form zwischen fremden Kaufleuten nicht abgeschlossen worden wäre, so ist das eine mögliche Tatsachenwürdigung, zu der das Finanzgericht kommen konnte und an die der Senat deshalb gemäß §§ 288, 296 Abs. 1 AO gebunden ist. Daß sie gegen den Akteninhalt oder gegen die Denkgesetze verstieße, ist nicht ersichtlich. Im übrigen sprechen die Umstände tatsächlich eher für als gegen die Beweiswürdigung des Finanzgerichts. Nach der Darstellung der Bfin. liegt das Schwergewicht des Unternehmens in dem Speditionsbetrieb. Selbst wenn die Verluste der Grundstücksgesellschaft und die Tankreederei auf besonderen Umständen beruhen sollten, so war doch die Bfin. das eigentlich verdienende Unternehmen. Daß die Grundstücksgesellschaft und die Tankreederei letztlich den Zwecken der Bfin. dienten, war kein zureichender Grund, sie an den Erträgen der Bfin. mit je einem Drittel zu beteiligen, um so weniger, als beide Gesellschaften noch "jung" waren, die eine Gesellschaft sogar erst während des Jahres, um dessen Ertrag es im Streitfall geht, gegründet wurde.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 71

BFHE 1965, 201

BFHE 81, 201

BB 1965, 114

DB 1965, 128

StRK, EStG:15 R 530

BFH-N, (K) Nr. 269

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