Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Bankrecht, Kreditrecht, Berufsrecht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Schreibt ein Ordensangehöriger ein wissenschaftliches Werk, das auf Grund eines zwischen dem Orden und einem Verlag abgeschlossenen Vertrages verlegt wird und für das die Honorare an den Orden gezahlt werden, so ist steuerrechtlich eine übertragung des Urheberrechts auf den Orden anzunehmen. Die Honorare sind nicht vom Autor zu versteuern, solange sich der Ordensangehörige und der Orden an die nach kanonischem Recht durch den Inkorporationsakt begründeten gegenseitigen Verpflichtungen gebunden halten. Es kommt nicht darauf an, ob die für eine übertragung des Urheberrechts auf den Orden nach bürgerlichem Recht etwa erforderlichen Formvorschriften beachtet worden sind.

EStG 1953/1958 § 18 Abs. 1 Ziff. 1; StAnpG § 5 Abs. 3; BGB § 310, § 311; LitUG § 8 Abs. 3; Codex

 

Normenkette

EStG § 18/1/1; StAnpG § 5 Abs. 3; BGB §§ 310-311; LitUG § 8 Abs. 3

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob Zahlungen eines Verlags an einen kirchlichen Orden auf Grund eines zwischen dem Orden und dem Verlag geschlossenen Verlagsvertrages über ein von einem Ordensgeistlichen verfaßtes Werk Einkünfte des Verfassers aus selbständiger Arbeit sind.

Der Steuerpflichtige ist Mitglied eines katholischen Ordens. Er hat die feierliche Profeß abgelegt und ist deshalb nach kanonischem Recht erwerbsunfähig (can. 582 Ziff. 2 Codex Juris Canonici - CIC-). Im Auftrage seines Ordens arbeitet er seit Jahren an der Abfassung eines bisher mit einer Anzahl von Bänden beim X.-Verlag erschienenen Werks. Der Steuerpflichtige war vom Orden schon seit seiner Studienzeit besonders auf diese Arbeit vorbereitet worden. Seit 1954 wurde er vom Orden von Nebenaufgaben freigestellt, so daß er seine volle Arbeitskraft der Abfassung des Werkes widmen konnte. Zur Erfüllung dieser Aufgabe stellte der Orden dem Steuerpflichtigen die erforderlichen Arbeitsräume, Hilfsmittel und Hilfskräfte zur Verfügung. Die Arbeit selbst unterlag nach Inhalt und Form der Zensur durch den Orden und wie alle Veröffentlichungen der Genehmigung des Ordensoberen. Der Verlag erwarb im Juni 1936 durch Vertrag mit dem Orden die Verlagsrechte an dem Werk gegen Zahlung eines Autorenhonorars, das an den Orden zu entrichten war.

Nach einer Betriebsprüfung bei dem Orden wurde der Steuerpflichtige vom Finanzamt mit den von 1954 bis 1959 eingegangenen Honoraren zur Einkommensteuer veranlagt. Das Finanzamt ist der Ansicht, die Honorareinnahmen seien Einkünfte des Steuerpflichtigen aus selbständiger Arbeit. Das vom Steuerpflichtigen abgelegte Gelübde der Armut sei hinsichtlich künftiger Vermögensvorteile unwirksam (ß 310 BGB), und der Verzicht auf die Autorenhonorare zugunsten des Ordens sei steuerrechtlich als Verwendung der Einkünfte anzusehen.

Auf die Sprungberufung des Steuerpflichtigen wurden die Einkommensteuerbescheide aufgehoben und die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1954 bis 1959 auf jeweils 0 DM festgesetzt.

Zur Begründung führte das Finanzgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Steuerpflichtige sein künftiges Vermögen wirksam abgetreten habe. Denn das Steuerrecht könne jedenfalls nicht an dem Sachverhalt vorübergehen, wie er durch die nach dem Willen der Beteiligten getroffenen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarungen gestaltet worden sei. Der Steuerpflichtige habe sich schon durch den Eintritt in den Orden verpflichtet, ihm mit seiner ganzen Schaffenskraft zu dienen. Er habe die ihm aufgetragene Arbeit verrichten müssen, ohne daß ihm hieraus ein eigener Anspruch auf die Erträge aus dieser Arbeit erwachsen sei. Mit der Fertigstellung des Werkes habe der Orden tatsächlich die Verfügungsmacht und das Verwertungsrecht erlangt. Da der Steuerpflichtige nur innerhalb des Ordens die ihm obliegenden Pflichten erfüllte habe, wofür ihm ein besonderes Entgelt nicht zugestanden habe, sei in der Zahlung der Honorare an den Orden keine Verwendung der Einkünfte durch den Steuerpflichtigen zu sehen.

Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, die kirchenrechtlichen Vorschriften nach denen ein Ordensgeistlicher alles, was er durch seine Arbeit erwirbt, nicht für sich, sondern für den Orden erwirbt, seien steuerrechtlich unbeachtlich. Wenn der Steuerpflichtige die Einkünfte aus dem Verlagsrecht nach kirchenrechtlichen Bestimmungen seiner Ordensgesellschaft überlassen habe, so sei dies eine Einkommensverwendung, die nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts unbeachtlich sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet. Dem Finanzgericht ist im Ergebnis zuzustimmen.

Der Ansicht des Finanzgerichts, der Steuerpflichtige könne schon deshalb, weil er sich durch den Eintritt in den Orden zur Verwendung seiner Arbeitskraft für den Orden verpflichtet habe, keine eigene steuerpflichtige Tätigkeit entfalten, sondern nur die Arbeit des Ordens verrichten und auch keinen eigenen Anspruch auf die Erträge seiner Arbeit erwerben, kann zwar bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich nicht zugestimmt werden. Die Entscheidung des Finanzgerichts wird aber durch andere Erwägungen getragen.

Die steuerrechtliche Behandlung von Ordensangehörigen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war nicht immer einheitlich. Soweit es sich um die Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit handelt, sind folgende Entscheidungen zu erwähnen.

In einem Falle, in dem nicht - wie üblich - dem Orden die Unterrichtstätigkeit übertragen, sondern eine Ordensschwester selbst als Lehrkraft bei vollem Gehalt angestellt war, wurde vom Reichsfinanzhof angenommen, daß ihre Einkünfte lohnsteuerpflichtig seien (Urteil VI A 882/30 vom 4. März 1931, RStBl 1931 S. 663). In dieser Entscheidung wurde weiter ausgesprochen, daß eine Gehaltsabtretung in Erfüllung der kanonischen Verpflichtung der Religiosen nicht für sich, sondern nur für den Orden zu erwerben - can. 580 § 2 CJC - gemäß § 310 BGB nichtig sei. Diese Rechtsprechung wurde in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 2010/31 vom 16. März 1932 (RStBl 1932 S. 497) dahin ausgeweitet, daß die vom Orden zur Ausübung der Pfarrseelsorge abgeordneten Ordensgeistlichen auch dann lohnsteuerpflichtig seien, wenn die Ausübung der Seelsorge an sich dem Orden übertragen und die Auswahl der Ordensleute diesem überlassen sei. Diese Rechtsprechung wurde dann in der Entscheidung IV 35/39 vom 23. Dezember 1940 (RStBl 1941 S. 324) ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, die Ordensangehörigen seien weder Arbeitnehmer des Ordens noch des Dritten, bei dem sie arbeiteten; der Orden sei wie eine Familie zu behandeln. In dem Urteil IV 347/50 S vom 9. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 73, Slg. Bd. 55 S. 192) kehrte der Bundesfinanzhof zu der ursprünglichen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zurück. Er führte aus, die Familientheorie, die von den Orden selbst abgelehnt werde und vom nationalsozialistischen Denken beeinflußt sei, sei nicht mehr anzuwenden. Das Gelübde der Armut sei bürgerlich-rechtlich unwirksam (ß 310 BGB). Was ein Ordensangehöriger außerhalb des Ordens erwerbe, müsse steuerlich so behandelt werden, als ob es ihm selbst zugeflossen wäre. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung seien diese Einkünfte nicht anders zu behandeln als die von Weltgeistlichen. Folgerichtig wurden in dem weiteren Urteil IV 388/51 U vom 19 Dezember 1951 (BStBl 1952 III S. 49, Slg. Bd. 56 S. 117) auch die an den Orden weitergeleiteten Dienstbezüge als Sonderausgaben des Ordensangehörigen im Rahmen des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 EStG 1949 behandelt. In der neuesten Entscheidung VI 55/61 U vom 11. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 310, Slg. Bd. 75 S. 112) änderte der inzwischen zuständig gewordene VI Senat des Bundesfinanzhofs die Rechtsprechung wiederum. Er entschied, wenn ein katholischer Orden einer öffentlichen Körperschaft gegenüber vertraglich gegen Entgelt den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen durch seine Ordensmitglieder zu erteilen übernehme, so werde damit mindestens dann kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 19 EStG zwischen der Körperschaft und dem Ordensgeistlichen begründet, wenn der Orden nicht ein bestimmtes Mitglied abzustellen habe und die Beteiligten bürgerlich-rechtliche Beziehungen zwischen der öffentlichen Körperschaft und den vom Orden beauftragten Ordensmitgliedern nicht hätten begründen wollen und auch tatsächlich nicht begründet hätten. Die bürgerlich-rechtliche Gestaltung sei grundsätzlich zu berücksichtigen; hier sei ein Arbeitergestellungsvertrag, ein Werkvertrag, abgeschlossen worden.

Für die in gewissem Umfange ähnliche Frage der Lohnsteuerpflicht von Diakonissen und Rote-Kreuz-Schwestern hat der Reichsfinanzhof durchgehend die Ansicht vertreten, es bestehe zwischen dem Mutterhaus (dem Schwesternverband) einerseits und der Diakonisse (der Rote-Kreuz-Schwester) andererseits ein Arbeitsverhältnis, und die Vergütung, soweit sie an die Diakonisse (Schwester) selbst gezahlt werde, sei lohnsteuerpflichtig (Urteile VI A 1387/31 vom 17. Februar 1932, RStBl 1932 S. 467; VI A 138/34 vom 11. April 1934, RStBl 1934 S. 615; VI A 295/34 vom 31. Juli 1935, RStBl 1935 S. 1339). Eine Stellungnahme des Bundesfinanzhofs liegt insoweit noch nicht vor.

Außerhalb des Gebiets des Lohnsteuerrechts sind noch zwei Entscheidungen zu erwähnen. Hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht war vom Reichsfinanzhof (Urteil V 306/37 vom 24. August 1938, RStBl 1938 S. 903) angenommen worden, als Empfängerin der Meßstipendien sei die Ordensgemeinschaft als solche anzusehen, da den Mitgliedern des Ordens verboten sei, selbst Geldleistungen anzunehmen. In dem vom Senat entschiedenen Fall VI 249/52 U vom 20. März 1953 (BStBl 1953 III S. 118, Slg. Bd. 57 S. 296) hatte eine Ordensschwester im Zeitpunkt der Ablegung der (einfachen) Profeß Grundbesitz und daraus Pachteinnahmen und eine Leibrente. Der Senat rechnete die Pachteinnahmen und die Einkünfte aus der Leibrente nicht der Schwester, sondern dem Orden zu. Er führte aus, durch die Profeß habe zwar kein Nießbrauch des Ordens an dem Vermögen der Ordensschwester begründet werden können, da die Formvorschriften der §§ 311, 873 ff. BGB nicht beachtet seien; steuerrechtlich aber müsse gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG das Rechtsverhältnis wie ein Nießbrauch behandelt werden, wenn und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen wollten. Insofern liege der Fall anders als der Fall IV 347/50 S, weil man zwar bei landwirtschaftlichem Vermögen und einer Leibrente auf den Willen zur Einräumung einer Verwaltung und Nutznießung schließen könne, nicht aber bei Arbeitslohn, den man nicht zur Verwaltung und Nutznießung übertragen könne. Ein Verstoß gegen § 310 BGB liege nicht vor, weil das Vermögen bei der Profeß bereits vorhanden gewesen sei.

Es bedarf hier keines Eingehens auf die Frage, ob Einkünfte aus einer sonst als unselbständige Tätigkeit im Sinne des Steuerrechts anzusprechenden Betätigung eines Ordensangehörigen lohnsteuerpflichtig sind. Denn bei der Verwertung eines Urheberrechts entstehen keine Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit. Dagegen ist der Fall ähnlich gelagert wie der der zuletzt erwähnten Entscheidung des erkennenden Senats IV 249/52 U.

Die Absicht des Steuerpflichtigen und seines Ordens ging dahin, das Urheberrecht mit den daraus fließenden Erträgen im Zeitpunkt seiner Entstehung als Ganzes auf den Orden zu übertragen. Ein Urheberrecht ist übertragbar (ß 8 Abs. 3 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 - RGBl S. 227 - in der zur Zeit geltenden Fassung). Einer besonderen Form bedarf es hierzu nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Feierlich-Profeß des Steuerpflichtigen künftige Urheberrechte und die daraus fließenden Einkünfte abgetreten werden konnten oder ob dies bürgerlich-rechtlich wegen des § 310 BGB und damit auch steuerlich unmöglich war. Ebenso bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob ein Fall des § 311 BGB vorliegt, also die Form der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung hätte gewählt werden müssen, weil es sich bei dem Urheberrecht um das im Augenblick seiner Entstehung einzige Vermögensstück des Steuerpflichtigen handelte. Denn auf jeden Fall ist das von dem Steuerpflichtigen und von dem Orden beabsichtigte Geschäft bürgerlich-rechtlich zulässig und steuerrechtlich gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG anzuerkennen. Sowohl der Professe wie auch die die Profeß entgegennehmende Ordensgemeinschaft verhielten und verhalten sich bisher entsprechend den in der Profeß übernommenen gegenseitigen Verpflichtungen, nämlich der unentgeltlichen Dienstleistung des Professen für den Orden einerseits und der Unterhaltsgewährung durch den Orden an den Professen andererseits, und erkennen den durch den Inkorporationsakt geschaffenen Status der Unfähigkeit des Professen, für sich selbst durch Arbeitsleistung Vermögen zu erwerben, an. Es ist deshalb aus dem nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegenden Verhalten des Steuerpflichtigen und seines Ordens darauf zu schließen, daß nach ihrem Willen das Urheberrecht als Ganzes im Zeitpunkt seiner Entstehung auf den Orden übertragen werden sollte. Dieser rechtsgeschäftliche Wille konnte allenfalls wegen der Nichtbeachtung von Formvorschriften nicht zum erstrebten Erfolg führen, so daß der Tatbestand des § 5 Abs. 3 StAnpG gegeben ist.

Der vom Senat ständig vertretene Grundsatz (vgl. z. B. das Urteil IV 25/57 U vom 10. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 419, Slg. Bd. 65 S. 482), daß das Fehlen einer gesetzlich vorgeschriebenen Form - insbesondere bei "Verträgen" zwischen nahen Angehörigen - gegen die Ernstlichkeit der Abrede spricht, so daß in diesen Fällen trotz des § 5 Abs. 3 StAnpG der Erfüllung der vom bürgerlichen Recht vorgeschriebenen Form als Indiz wesentliche Bedeutung zukommt, trifft hier nicht zu. Die Ablegung der Profeß und die durch das kanonische Recht daran geknüpften und von den Beteiligten bis heute anerkannten Folgen sind gerade ein Anzeichen für die Ernstlichkeit ihrer Absicht.

Demgemäß haben die Beteiligten hier nicht etwa die eine steuerlich nicht beachtliche Einkommensverwendung bedeuten würde; sondern sie haben die Einkunftsquelle selbst übertragen, also eine Vermögensverwendung vorgenommen, die nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen die Zurechnung späterer Einkünfte zum Einkommen des Steuerpflichtigen ausschließt. Die Sachlage ist insofern nicht anders zu behandeln, als wenn jemand über ein Pachtobjekt verfügt, dessen Einkünfte nunmehr dem Erwerber zufließen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411091

BStBl III 1964, 206

BFHE 1964, 538

BFHE 78, 538

DStR 1964, 236

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