Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen

 

Leitsatz (NV)

Aktivitäten (Gründung einer Gesellschaft, Grundstückskauf) von Arbeitnehmern einer KG sind nicht bereits deshalb Ausübung von Mitunternehmerinitiative im Rahmen der KG, weil sie für die KG von wirtschaftlicher Bedeutung sind.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der 1965 verstorbene Vater der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 2 bis 7 betrieb bis 1949 den Güternah- und Fernverkehr sowie eine Spedition als Einzelunternehmen. 1949 wurde das Unternehmen in eine KG umgewandelt mit dem Vater als Komplementär und den Klägern zu 2 und 4 als Kommanditisten. Nach dem Tod des Vaters schlossen dessen inzwischen ebenfalls verstorbene Ehefrau und die Kläger zu 2 und 4 im Kalenderjahr 1966 einen Gesellschaftsvertrag. Nach § 6 dieses Vertrages sollte im Falle des Todes der Kläger zu 2 oder 4 einer ihrer Brüder als Kommanditist in das Unternehmen aufgenommen werden.

Diese Brüder - die Kläger zu 5 bis 7 - waren erst nach Abschluß ihrer Berufsausbildung in dem Unternehmen tätig; den Klägern zu 5 und 6 oblag die Betreuung des Fuhrparks, der Kläger zu 7 war als Disponent für Frachtenbeschaffung und Ausnutzung des Fuhrparks zuständig.

Am 1. Juni 1967 gründeten die Kläger zu 6 und 7 die X GmbH. Gegenstand dieses Unternehmens war die Durchführung von Speditions- und Lagergeschäften. Mit der Geschäftsführung dieser GmbH wurde ein familienfremder Angestellter beauftragt. Die Klägerin zu 1 führte für die GmbH in nicht unerheblichem Umfang Transportleistungen aus.

Zum 1. Oktober 1969 erwarben die Kläger zu 2, 4 bis 7 in der Rechtsform der ,,Y GbR" (GbR) das Grundstück F zu einem Kaufpreis von 1 400 000 DM. Auf dem Grundstück befanden sich eine Lagerhalle, ein Bürogebäude und Außenanlagen (Kranbahnen, Laderampe und Gleisanschluß). Die GbR vermietete das Grundstück für monatlich 12 000 DM an die Klägerin zu 1. Die Klägerin zu 1 wiederum vermietete einen Teil des Grundstücks an die GmbH für 10 000 DM. Das Grundstück war bereits zum 1. Oktober 1968 von der Klägerin zu 1 gemietet und am 1. Januar 1969 teilweise an die GmbH untervermietet worden. Für die Abwicklung der das Grundstück betreffenden Mietzahlungen richtete die Klägerin zu 1 ein Konto unter der Bezeichnung ,,Gebrüder S" ein, das in den Streitjahren Forderungen der GbR gegenüber der Klägerin zu 1 auswies. Am 30. September 1971 wurde das Grundstück F zum Preise von . . . DM wieder veräußert.

Nach einer 1975 bei der Klägerin zu 1 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, aufgrund der umfangreichen wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen zwischen der Klägerin zu 1 und den Klägern zu 5 bis 7 müßten auch letztere als Mitunternehmer der Klägerin zu 1 angesehen werden. Das FA erließ am 3. Juni 1976 berichtigte Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin zu 1 für die Streitjahre 1968 bis 1972 und behandelte darin die Kläger zu 5 bis 7 als Mitunternehmer und das Grundstück F als Betriebsvermögen der Klägerin zu 1.

Die dagegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin vom 20. September 1977 abgewiesen.

Auf die Revision der Kläger hin hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. Februar 1980 I R 196/77 das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der BFH führte aus, soweit die Miteigentümer des Grundstücks F Gesellschafter der Klägerin zu 1 gewesen seien, sei das Grundstück dem Anteil der Gesellschafter entsprechend Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter. Hinsichtlich der Kläger zu 5 bis 7 fehlten Feststellungen des FG, ob bei ihnen die Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft in den Streitjahren gegeben waren. Insbesondere sei nicht festgestellt, ob sie an den Gewinnen oder Verlusten oder an den stillen Reserven der Klägerin zu 1 beteiligt gewesen seien und ferner, ob sie Einfluß auf die Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung gehabt hätten.

Das FG entschied im zweiten Rechtszug, daß unter Abänderung der Gewinnfeststellungsbescheide für 1968 bis 1972 vom 3. Juni 1976 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 1976 das Grundstück F als Sonderbetriebsvermögen der Kläger zu 2, 4 bis 7 zu behandeln sei. Im übrigen wies das FG die Klage erneut ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragen, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1968 bis 1972 vom 3. Juni 1976 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 1976 insoweit aufzuheben, als die Kläger zu 5 bis 7 darin als Mitunternehmer behandelt sind.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es trägt vor, die vom FG getroffenen Feststellungen seien für den BFH bindend. Die Beurteilung der Frage, ob es gerechtfertigt sei, einen gewissen Sachverhalt als Mitunternehmerschaft anzusehen, obliege nach der Rechtsprechung des BFH der freien Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Kläger zu 5 bis 7 Kommanditisten (Gesellschafter) der Klägerin zu 1 und Mitunternehmer (§ 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i. d. F. der Streitjahre - EStG -) waren.

1. Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, wer als zivilrechtlicher Gesellschafter einer Personengesellschaft oder aufgrund eines wirtschaftlich einem Gesellschaftsverhältnis vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 768, BFH-Urteil vom 11. September 1986 IV R 82/85, BFHE 148, 135, BStBl II 1987, 111).

Nach den Feststellungen des FG gibt es keine Anhaltspunkte für den Abschluß eines schriftlichen oder formlos geschlossenen (Gesellschafts-)Vertrags und zwar weder bei der Gründung der Klägerin zu 1 noch beim oder nach dem Eintritt der Kläger zu 5 bis 7 in das Unternehmen. Das FG hat darüber hinaus diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht ausdrücklich geprüft. Es ist lediglich bei der Prüfung der Unternehmerinitiative der Kläger zu 5 bis 7 von einem Zusammenwirken der Kläger zu 2, 4 bis 7 bei grundlegenden Entscheidungen ausgegangen.

Es bedarf gleichwohl keines Hinweises der Beteiligten auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt, weil zumindest eine weitere wesentliche Voraussetzung der Mitunternehmerschaft - die Mitunternehmerinitiative - bei den Klägern zu 5 bis 7 in den Streitjahren nicht gegeben war.

2. Kennzeichnend für den Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG ist, daß er zusammen mit den anderen Gesellschaftern eine Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Mitunternehmerinitiative bedeutet Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen (Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 769). Die unternehmerischen Entscheidungen wurden in den Streitjahren nach den Feststellungen des FG vorwiegend vom Kläger zu 4 aber auch vom Kläger zu 2 getroffen, denn bei ihnen lagen die Aufgaben der Geschäftsleitung. Das FG hat nicht festgestellt, daß auch die Kläger zu 5 bis 7 Aufgaben der Geschäftsleitung wahrnehmen konnten; es beläßt es vielmehr bei ihrer Behauptung, sie seien jedenfalls nicht mit laufenden Aufgaben der Geschäftsführung befaßt gewesen. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß aus der Wahrnehmung der den Klägern zu 5 bis 7 übertragenen Aufgaben nicht auf eine Teilnahme an den unternehmerischen Entscheidungen geschlossen werden kann. Selbst wenn sie in ihrem Aufgabenbereich eigenverantwortlich tätig waren, geschah dies grundsätzlich und unter dem Vorbehalt, daß die Kläger zu 4 oder 2 als Geschäftsführer nicht eingriffen.

Zu Unrecht sieht das FG die Gründung der GmbH durch die Kläger zu 6 und 7 und den Ankauf des Grundstücks F durch die Kläger zu 2, 4 bis 7 als unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der Klägerin zu 1 an. Die Mitwirkung der Kläger zu 5 bis 7 bei diesen Maßnahmen war nicht Wahrnehmung von Unternehmerinitiative bei der Klägerin zu 1.

Von Mitunternehmerinitiative, d. h. einer Beteiligung an den Unternehmensentscheidungen der Klägerin zu 1, kann nur die Rede sein, wenn Entscheidungen im Rahmen des Betriebs der Klägerin zu 1 getroffen wurden. Das war bei den beiden Maßnahmen nicht der Fall.

Bei der Gründung der GmbH waren die Gesellschafter der Klägerin zu 1 nicht beteiligt; umgekehrt wurden die Gründer der GmbH durch diese Handlung nicht ohne weiteres Gesellschafter der Klägerin zu 1. Der Umstand, daß sie Arbeitnehmer der Klägerin zu 1 waren, schloß eine selbständige Aktivität außerhalb der Klägerin zu 1 nicht aus. Auch die Möglichkeit, daß die Gründung der GmbH für die Klägerin zu 1 von Bedeutung war, machte die Gründung noch nicht zu einer Entscheidung im Rahmen der Unternehmensführung der Klägerin zu 1. Eine rechtliche oder auch nur tatsächliche Verknüpfung der beiden Unternehmen hat das FG nicht festgestellt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die GmbH verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin zu 1 Aufträge zu erteilen. Angesichts dessen ist die GmbH als selbständiger Betrieb zu sehen, dessen Gründung und Tätigkeit sich außerhalb des Unternehmensbereichs der Klägerin zu 1 vollzogen haben.

Der Ankauf des Grundstücks F war nach Ansicht des FG eine unternehmerische Entscheidung im Rahmen der Klägerin zu 1, weil damit eine sichere Grundlage für die gewerbliche Betätigung der Klägerin zu 1 geschaffen wurde (Urteil Bl. 10). Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin zu 1 seit 1949 (zuvor bestand bereits ein Einzelunternehmen) tätig. Das Grundstück F befand sich nur 3 Jahre lang im Besitz und genau 2 Jahre im Eigentum der Kläger zu 2, 4 bis 7, nämlich vom 1. Oktober 1969 bis zum 30. September 1971, und war während dieser Zeit z. T. an die GmbH vermietet. Danach wurde es mit erheblichem Gewinn veräußert. Es gibt keinerlei Feststellungen des FG, die den Schluß rechtfertigen, die Kläger zu 2, 4 bis 7 hätten das Grundstück als Grundlage für die Betätigung der Klägerin zu 1 und nicht z. B. zu Spekulationszwecken erworben.

Ist schon fraglich, ob der Kauf des Grundstücks F für die Klägerin zu 1 von Bedeutung war, so geht es erst recht nicht an, den Ankauf durch die zivilrechtlichen Nichtgesellschafter - die Kläger zu 5 bis 7 - als entscheidende Äußerung ihrer Mitunternehmerinitiative im Rahmen der Klägerin zu 1 zu werten.

3. Nach den Feststellungen des FG ließen die Kläger zu 5 bis 7 zwar Teile ihres Gehalts im Betrieb der Klägerin zu 1 stehen, so daß insgesamt ,,nicht unerhebliche Forderungen" bestanden. Aber auch das reicht nicht aus, um Unternehmerinitiative bei den Klägern zu 5 bis 7 zu bejahen. Es ist nicht ersichtlich, daß sie vereinbarungsgemäß oder auch nur tatsächlich als Darlehensgeber Einfluß auf die Geschäftsführung der Klägerin zu 1 genommen haben. Darüber hinaus fehlt es für die Annahme der Mitunternehmerschaft - sei es auch in der Form der atypischen stillen Gesellschaft - an einer Beteiligung der Kläger zu 5 bis 7 am Gewinn der Klägerin zu 1 (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1987 IV R 17/84, BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62). Ob die Kläger zu 5 bis 7 ein Mitunternehmerrisiko getragen haben, bedarf aber keiner weiteren Prüfung, weil ihre Mitunternehmereigenschaft bereits mangels Mitunternehmerinitiative zu verneinen ist (vgl. aber Bl. 9 zu b) und c) des im ersten Rechtszug ergangenen BFH-Urteils vom 27. Februar 1980 I R 196/77).

14. Nachdem die Kläger zu 5 bis 7 in den Streitjahren nicht als Mitunternehmer der Klägerin zu 1 anzusehen sind, bedarf es noch der Berechnung der Höhe der Grundstücksanteile, die zum Sonderbetriebsvermögen der Kläger zu 2 und 4 gehören, und ferner der Korrekturen des Gewinns unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kläger zu 5 bis 7 Arbeitnehmer der Klägerin zu 1 waren. Das FG hat dazu - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Sache mußte zur Nachholung dieser Feststellungen an das FG zurückverwiesen werden, denn der Senat ist als Revisionsgericht dazu nicht in der Lage (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 572

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