Leitsatz (amtlich)

Benutzen Ehegatten, die beide Arbeitnehmer sind, für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wegen ungünstiger Verkehrsverbindungen den gemeinsamen PKW und dauert die beruflich bedingte Abwesenheit eines Ehegatten vom Wohnort regelmäßig länger als 12 Stunden, so kann der Pauschbetrag für Mehrverpflegung auch dem anderen Ehegatten gewährt werden, wenn dieser ohne Benutzung des PKW ebenfalls mehr als 12 Stunden hätte abwesend sein müssen.

 

Normenkette

EStG § 9; LStR 1966 Abschn. 24 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und seine Ehefrau fuhren im Streitjahr gemeinsam mit einem ihnen gehörigen PKW zu ihren Arbeitsstätten außerhalb ihres Wohnortes. Die Arbeitszeit des Klägers endete täglich eine Stunde früher als die seiner Ehefrau. Durch die gemeinsame Heimfahrt ergab sich für den Kläger eine mehr als 12stündige Abwesenheit vom Wohnort.

Der Kläger machte im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1965 außer den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Mehraufwendungen für Verpflegung als Werbungskosten geltend. Das FA erkannte die erhöhten Werbungskosten für den Mehraufwand an Verpflegung nicht an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1967, 500 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Es führte aus: Die tägliche mehr als 12stündige Abwesenheit des Klägers von seiner Wohnung rechtfertige die Zuerkennung des erhöhten Werbungskostenpauschbetrages nur, wenn eine beruflich bedingte und aus beruflichen Gründen notwendige Mitfahrgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestehe. Die durch die eheliche Gemeinschaft gebotene Rücksichtnahme des Klägers auf seine Ehefrau stelle sich als ein der Privatsphäre zugehöriges Verhalten dar, das mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers nicht im notwendigen Zusammenhang stehe. Im Streitfall sei jedoch entscheidend, daß die Verkehrsverbindung zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte der Eheleute sehr schlecht sei. Bei Benutzung der Bundesbahn würde jeder der Ehegatten arbeitstäglich mehr als 13 Stunden vom Wohnort abwesend sein. Durch die Bildung einer Mitfahrgemeinschaft gestalte sich die Fahrt zur und von der Arbeitsstätte schneller, einfacher und bequemer. Der zwingende Grund für den Kläger, auf seine Ehefrau zu warten, sei in der beruflich bedingten Mitfahrgemeinschaft zu suchen. Auf die Frage des an sich üblichen Unkostenbeitrags des Mitfahrers brauche nicht eingegangen zu werden, da der Unkostenbeitrag der Ehefrau zu einer Erhöhung ihrer Werbungskosten und zu einer Kürzung der Werbungskosten des Klägers geführt haben würde.

Mit der wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Für die Mitfahrgemeinschaft der Eheleute habe weder eine unmittelbare noch eine mittelbare berufliche Veranlassung bestanden. Die mehr als 12stündige Abwesenheit des Klägers sei ausschließlich durch die eheliche Rücksichtnahme verursacht worden. Auch eine etwa vereinbarte Entschädigung würde nur darauf schließen lassen, daß der Kläger wegen der Entschädigung, jedoch nicht aus beruflichen Gründen länger als 12 Stunden von seinem Wohnort abwesend gewesen wäre.

Der Kläger bestreitet die Zulässigkeit der Revision, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt seien.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Der BFH ist im Rahmen der Prüfung der Revisionserfordernisse des § 124 FGO nicht befugt, eine vom FG ausgesprochene Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung aufzuheben, auch wenn er die Frage der Grundstäzlichkeit anders als das FG beurteilt, es sei denn, daß das FG offensichtlich willkürlich verfahren ist (BFH-Urteil VI R 297/66 vom 7. August 1967, BFH 90, 29, BStBl III 1967, 789). Das FG hat zwar in den Entscheidungsgründen nicht ausgeführt, weshalb es die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache für gegeben ansieht. Die von ihm behandelte Rechtsfrage ist jedoch höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Die Zulassung der Revision war deshalb zumindest nicht willkürlich.

Werbungskosten sind nach § 9 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu gehören bei einem Arbeitnehmer alle Aufwendungen, die die Ausübung des Dienstes mit sich bringt, soweit die Aufwendungen nach der Verkehrsauffassung nicht durch die allgemeine Lebensführung bedingt sind (§ 20 Abs. 2 LStDV). Mehraufwendungen für die Verpflegung eines Arbeitnehmers an der Arbeitsstätte gehören grundsätzlich zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung.

Die Rechtsprechung hat jedoch anerkannt, daß derartige Mehraufwendungen ausnahmsweise Werbungskosten sein können, wenn ein Arbeitnehmer ausschließlich oder überwiegend berufsbedingt regelmäßig mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend ist (BFH-Urteil VI R 322/66 vom 4. August 1967, BFH 90, 23, BStBl III 1967, 782). Der BFH geht davon aus, daß ein Arbeitnehmer, der regelmäßig ungewöhnlich lange unterwegs ist, seinen Lebenszuschnitt danach eingerichtet hat und daß ihm dadurch wie bei Dienstreisen oder der Führung eines doppelten Hausstandes Mehraufwendungen für die Ernährung entstehen, die überwiegend beruflich veranlaßt sind.

Das FG führt zutreffend aus, daß die durch die eheliche Gemeinschaft gebotene Rücksichtnahme des Klägers auf seine Ehefrau an sich privater Natur sei und mit seinem Arbeitsverhältnis nicht in notwendigem Zusammenhang stehe. Das FG meint jedoch, die durch die besonders ungünstigen Verkehrsverhältnisse erzwungene Mitfahrgemeinschaft der Ehegatten sei nicht mehr durch die private Rücksichtnahme, sondern beruflich bedingt.

Der Senat hat Bedenken, eine Mitfahrgemeinschaft zwischen Arbeitnehmern ganz allgemein als ausreichenden Grund für die Inanspruchnahme erhöhter Werbungskosten wegen Mehrverpflegung anzuerkennen. Mitfahrgemeinschaften werden in der Regel zwischen Arbeitnehmern bestehen, die im selben Betrieb beschäftigt sind und deren tägliche Arbeitszeit in bezug auf Beginn und Ende einheitlich geregelt ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und entstehen dadurch für einen oder mehrere der an der Mitfahrgemeinschaft beteiligten Arbeitnehmer Wartezeiten, die zu einer sonst nicht erforderlichen Abwesenheit von mehr als 12 Stunden vom Wohnort führen, so ist diese Abwesenheit in aller Regel nicht mehr beruflich bedingt. Es liegt hier grundsätzlich nicht anders als in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer nur deswegen mehr als 12 Stunden abwesend gewesen ist, weil er die ihm gebotenen Möglichkeiten zur alsbaldigen Heimfahrt nicht ausgenutzt hat.

Für Ehegatten kann nichts anderes gelten. Trotzdem ist der Entscheidung des FG um der besonderen Umstände des Falles willen beizupflichten.

Der BFH hatte bisher bei Ehegatten, die beide Arbeitnehmer sind, nur die Frage zu entscheiden, ob bei Fahrten zu den in entgegengesetzter Richtung liegenden Arbeitsstätten die Summe der insgesamt gefahrenen Kilometer oder nur die jeweilige Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die Inanspruchnahme des Pauschbetrages nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV maßgebend ist (BFH-Urteil VI R 308/66 vom 30. Mai 1967, BFH 89, 189, BStBl III 1967, 571). Diese Entscheidung zwingt nicht zu der Annahme, daß bei gemeinsamen Fahrten der Eheleute zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die berufliche Veranlassung für die Abwesenheit über 12 Stunden vom Wohnort bei beiden Ehegatten nur um deswillen schon müsse gegeben sein, weil bei einem der Ehegatten die beruflich bedingte Abwesenheit über 12 Stunden dauert.

Wie das FA im Klageverfahren unwidersprochen ausgeführt hat, ist im Streitfall der Arbeitsbeginn bei beiden Ehegatten auf 7.30 Uhr angesetzt. Bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ergäbe sich, wie das FG festgestellt hat, für beide Ehegatten eine Abwesenheit von der Wohnung von mehr als 13 Stunden. Würde der Kläger den PKW nur für seine Heimfahrt benutzt haben, so würde seine Abwesenheit zwar weniger als 12 Stunden betragen haben. Anders als bei einander fremden Arbeitnehmern besteht aber kein zureichender Grund, warum gerade der Kläger und nicht seine Ehefrau den PKW hätte benutzen sollen. Da ohne Benutzung des PKW auch der Kläger mehr als 12 Stunden von der Wohnung hätte abwesend sein müssen, sieht der Senat keine Bedenken, die unbestritten bei Benutzung des gemeinsamen PKW beruflich bedingte Abwesenheit der Ehefrau von mehr als 12 Stunden auch beim Kläger dafür genügen zu lassen, daß seine mehr als 12 Stunden dauernde Abwesenheit ebenfalls als beruflich bedingt anzusehen ist.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 206

BFHE 1969, 449

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge