Leitsatz (amtlich)

Bei der Rückforderung zuviel gezahlten Branntweinübernahmegeldes können keine Zinsen für den überzahlten Betrag gefordert werden.

 

Normenkette

BrMonG § 62; BrMonG § 75 Abs. 1 S. 3; VwO § 138 Abs. 4; BGB §§ 291, 812, 818; StSäumG § 4; FGO § 111

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom 3. April 1967 forderte das Hauptzollamt (HZA) im Auftrage der beklagten Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMV) von der Klägerin 14 088,30 DM Zinsen, weil ihr für im Jahre 1965 abgenommenen Branntwein 199 789,55 DM zuviel an Branntwein-Übernahmegeld gezahlt worden sei. Die Klägerin hat diesen letzteren Betrag am 10. Januar 1967 zurückgezahlt. Gegen den Zinsnachforderungsbescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 2. Mai 1967, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 3. Mai 1967, Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 3. April 1967 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14 088,30 DM nebst 8,5 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 13. April 1967 zu zahlen. Den Zinsbetrag hatte die Klägerin zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen am 13. April 1967 bezahlt.

Zur Begründung wird vorgetragen, daß die Klägerin zur Zahlung der Zinsen nicht verpflichtet sei. Würden die Vorschriften des bürgerlichen Rechts anzuwenden sein, so würde eine Verzinsungspflicht nicht bestehen, da die Klägerin mit der Rückzahlung an Übernahmegeld nicht in Verzug gekommen sei und um die verlangten Zinsen auch nicht ungerechtfertigt bereichert wäre. Eine analoge Anwendung der §§ 812 ff. BGB auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche sei dann ausgeschlossen, wenn und soweit eine detaillierte gesetzliche Sonderregelung getroffen sei. Das sei in § 75 des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG) und § 138 der Verwertungsordnung (VwO) geschehen. Nach heutiger Auffassung seien die Ansprüche der BMV gegen den Brennereibesitzer auf Erstattung zuviel gezahlten Übernahmegeldes keine bürgerlich-rechtlichen Ansprüche, sondern Monopoleinnahmen auf Grund des Monopolgesetzes. Auch insoweit bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Verzinsungspflicht. Zinsen könnten nur dann verlangt werden, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage bestünde. Sie bestehe für die Verzinsung von zuviel gezahltem Übernahmegeld ebensowenig wie für die Verzinsung zurückzuzahlender Zuschläge nach § 68 BrMonG. Die beiden gesetzlich normierten Fälle der Zinszahlungspflicht bei öffentlich-rechtlichen Forderungen im Branntweinmonopolrecht hätten offensichtlich Ausnahmecharakter, der Gesetzgeber habe ihre Verallgemeinerung abgelehnt. Daher sei für einen Analogieschluß dahingehend, daß zuviel erhaltenes Übernahmegeld zu verzinsen sei, kein Raum, vielmehr sei der Umkehrschluß angebracht, daß der gesetzlich nicht geregelte Fall die entgegengesetzten Folgen hätte, daß also eine Zinspflicht nicht bestehen solle. Das sei ein Grundsatz, der nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Recht allgemeine Gültigkeit haben dürfte.

Der gleiche Rechtsgedanke komme in § 4 des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG) vom 13. Juli 1961 zum Ausdruck. Danach seien Erstattungsansprüche nur zu verzinsen, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimme. Bei der Rückzahlung zuviel erhaltenen Übernahmegeldes handle es sich allerdings um Monopoleinnahmen; aber auch für sie gelte die Norm, daß Zinsen nur zu zahlen seien, wenn es im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben sei. Da die Vorschriften des bürgerlichen Rechts hier überhaupt nicht angewendet werden könnten, komme auch eine Anwendung des § 291 BGB nicht in Betracht.

Vorsorglich werde der Bescheid vom 3. April 1967 auch der Höhe nach angefochten.

Die BMV beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Sie macht geltend, daß der Anspruch des Brennereibesitzers auf Zahlung des Übernahmegeldes sowie die hier in Rede stehende Forderung der BMV auf Rückzahlung des zuviel gezahlten Übernahmegeldes öffentlich-rechtliche Forderungen darstellten. Es fehle bei diesen öffentlich-rechtlichen Geldansprüchen, von einigen Sonderfällen abgesehen, eine gesetzliche Regelung der Entrichtung von Zinsen. Es sei aber davon auszugehen, daß in Anwendung des im bürgerlichen Recht enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens, wonach unrechtmäßig gezogene Nutzungen herauszugeben seien, auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Zinsen verlangt werden könnten.

Im Branntweinmonopolrecht habe dieser Rechtsgedanke in § 75 BrMonG und § 138 VwO seinen Niederschlag gefunden. Nach § 75 Abs. 1 Satz 3 BrMonG müßte die BMV bei verspäteter Auszahlung des Übernahmegeldes 5 % Zinsen zahlen und damit die Nutzungen, die sie ungerechtfertigt erhalten habe, wieder zurückgeben. Eine gleiche Verpflichtung treffe den Bezieher von Branntwein zum Ausfuhrpreis, der den Branntwein nicht innerhalb der festgesetzten Frist ausführe und daher nach § 138 Abs. 3 und 4 VwO den Unterschied zwischen dem niedrigen Ausfuhrpreis, und dem regelmäßigen Verkaufspreis nachzuentrichten und diesen Betrag zu verzinsen habe. Für die Fälle, in denen ein Brennereibesitzer zuviel erhaltenes Übernahmegeld zurückzuzahlen habe, bestehe zwar keine ausdrückliche gesetzliche Normierung einer Verzinsungspflicht. Es entspreche jedoch einem Gebot der Gerechtigkeit, daß auch der Brennereibesitzer durch Zahlung von Zinsen die ohne Rechtsgrund erhaltenen Nutzungen herausgebe. Denn die Zahlung des Übernahmegeldes beruhten auf demselben Sachverhalt und bedürften somit auch einer einheitlichen Regelung. Im übrigen sollte auch hierbei berücksichtigt werden, daß die BMV nach § 5 BrMonG bei den Maßnahmen, die sie zur Durchführung des Monopols zu treffen habe, nach kaufmännischen Grundsätzen verfahren müsse.

§ 4 StSäumG vom 13. Juli 1961, wonach Steueransprüche, Erstattungs- und Vergütungsansprüche usw. nur verzinst würden, wenn dies in Steuergesetzen vorgeschrieben sei, stehe im vorliegenden Falle einer Forderung der BMV auf Zahlung von Zinsen nicht entgegen. Die Ansprüche der BMV auf Rückzahlung zuviel gezahlten Übernahmegeldes sowie die darauf beruhenden Zinszahlungsansprüche seien keine derartigen Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche. Die Rückzahlungen von zuviel gezahltem Übernahmegeld durch den Brennereibesitzer seien sogenannte Monopoleinnahmen, d. h. Geldleistungen, die der Monopolverwaltung auf Grund des BrMonG geschuldet würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil begründet.

1. Bei der Anforderung von Zinsen für zuviel gezahltes Branntweinübernahmegeld handelt es sich ebenso wie bei der Rückforderung von überzahltem Übernahmegeld um einen monopolrechtlichen Verwaltungsakt der BMV, weil das HZA nur im Auftrage der BMV tätig geworden ist. Die Zuständigkeit des BFH ergibt sich hiernach aus § 37 Nr. 4 in der hier in Betracht kommenden Fassung, da die Klage am 3. Mai 1967 beim BFH eingegangen ist. Zutreffend weist die BMV darauf hin, daß es sich bei dem Anspruch auf Zahlung von Übernahmegeld und dementsprechend bei dem Anspruch auf Rückzahlung von Übernahmegeld um öffentlich-rechtliche Forderungen handelt. Da die Zinszahlung aus dem Bestehen einer Hauptforderung folgt, also eine Nebenleistung darstellt, handelt es sich auch insoweit, falls die Hauptforderung öffentlich-rechtlicher Natur ist, um eine öffentlich-rechtliche Forderung.

2. Das BrMonG enthält keine Vorschrift darüber, daß bei der Rückzahlung von überzahltem Übernahmegeld (§ 62 BrMonG) Zinsen zu entrichten sind. Die BMV ist der Meinung, daß in Anwendung des im bürgerlichen Recht enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens, wonach unrechtmäßig gezogene Nutzungen herauszugeben sind, auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Zinsen verlangt werden können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das bürgerliche Recht auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse nicht anzuwenden ist (siehe Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 30. Aufl., Einf. vor § 812 Anm. 6 a). Nur dann, wenn sich im bürgerlichen Recht enthaltene Rechtsgrundsätze als Ausdruck eines ganz allgemeinen Rechtsgedankens darstellen, der seiner Natur nach allgemeine Beachtung im ganzen Rechtsleben beanspruchen kann, ergibt sich die Befugnis, diesen Rechtssatz – nicht als Vorschrift des BGB, sondern als allgemeine, gewissermaßen überprivatrechtliche Norm – anzuwenden. Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, daß die Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung, wonach unrechtmäßig gezogene Nutzungen herauszugeben sind (§§ 812, 818 BGB), einen solchen allgemeinen Rechtsgedanken darstellten, der auch in anderen Rechtsbereichen anzuwenden wäre. Im BrMonG ist in § 75 Abs. 1 Satz 3 eine Zinszahlung durch die BMV vorgesehen für den Fall, daß diese das Übernahmegeld verspätet auszahlt. Für den umgekehrten Fall aber, daß zuviel gezahltes Übernahmegeld zurückzuzahlen ist, ist von einer Zinszahlung nichts gesagt, obwohl das durchaus nahegelegen hätte, insbesondere für die Fälle, in denen die Überzahlung nicht auf einem Versehen der BMV, sondern auf einem Versehen oder sogar Verschulden des Brennereiinhabers beruht. Daraus jedoch, daß gemäß § 138 Abs. 4 VwO bei nicht fristgerechter Ausfuhr von Branntwein auch den Bezieher des Branntweins eine Verzinsungspflicht trifft, ist zu entnehmen, daß im Branntweinmonopolrecht nur in den ausdrücklich geregelten Fällen – abgesehen von Steuern und Strafen – eine Verpflichtung zur Zinszahlung eintreten sollte, nicht aber allgemein bei verspäteter oder ungerechtfertigter Zahlung. Daß der Rechtsgedanke des bürgerlichen Rechts, unrechtmäßig gezogene Nutzungen herauszugeben, nicht allgemein für das öffentliche Recht anwendbar ist, ist auch daraus zu ersehen, daß in anderen Vorschriften des öffentlichen Rechts die Pflicht zur Zinszahlung ausdrücklich geregelt ist. So sagt § 4 StSäumG, daß Steueransprüche, Erstattungs- und Vergütungsansprüche sowie Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Gelder nur verzinst werden, wenn dies in den Steuergesetzen vorgeschrieben ist. In § 127 a AO ist z. B. eine Verzinsung für die Stundung gewisser Steuern vorgesehen. Auch in der Verordnung über Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen vom 11. Dezember 1964 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 234 vom 15. Dezember 1964, Bundeszollblatt 1965 S. 600 – BZBl 1965, 600 –) in der Fassung der Achten Änderungsverordnung vom 20. Dezember 1966 (BAnz Nr. 241 vom 24. Dezember 1966, BZBl 1967, 142) ist in § 8 Abs. 3 ausdrücklich eine Verzinsung für zurückzuzahlende Erstattungsbeträge vorgeschrieben, und zwar vom Zeitpunkt des Empfanges an. Es wird weiter auf § 14 der Verordnung Ausfuhrerstattungen EWG vom 24. Januar 1968 (BAnz Nr. 18 vom 26. Januar 1968, BZBl 1968, 86) in der Passung der Verordnung zur Änderung der Verordnung Ausfuhrerstattungen EWG vom 21. November 1969 (BAnz Nr. 222 vom 29. November 1969, BZBl 1969, 1401) verwiesen, außerdem auf § 12 der Verordnung Ausfuhrerstattungen Italien vom 19. März 1970 (BAnz Nr. 58 vom 25. März 1970, BZBl 1970, 374).

Die BMV kann sich für ihre Auffassung auch nicht auf eine sinngemäße Anwendung des § 291 BGE berufen, weil dort nur gesagt ist, daß eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit ab zu verzinsen ist. In dem von der BMV zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts VG 272.57 vom 7. Juni 1958 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 7 S. 95, Neue Juristische Wochenschrift 1958 S. 1744) ist dementsprechend auch nur eine analoge Anwendung des § 291 BGB für Prozeßzinsen im Verwaltungsstreitverfahren ausgesprochen worden. Im übrigen aber ist dieses Urteil, soweit es um die Frage der Erhebung von Prozeßzinsen im finanzgerichtlichen Verfahren geht, durch § 111 FGO überholt.

Die BMV hat also mit dem Bescheid vom 3. April 1967 zu Unrecht von der Klägerin Zinsen in Höhe von 14 088,30 DM angefordert. Der Bescheid war daher aufzuheben und die BMV zur Rückerstattung der gezahlten Zinsen zu verpflichten.

3. Dem Antrag der Klägerin, die BMV zu verurteilen, den von ihr zurückzuzahlenden Zinsbetrag ab 13. April 1967 mit 8,5 % zu verzinsen, kann jedoch nicht entsprochen werden.

Die Klage ist am 3. Mai 1967 beim BFH eingegangen. Für die Zeit vom 13. April 1967 bis zur Klageerhebung ergibt sich das Fehlen einer Zinspflicht aus den vorstehenden Ausführungen. Für die Zeit ab Klageerhebung war zu prüfen, ob sich aus § 111 FGO eine solche Verzinsungspflicht ergibt. In dieser Vorschrift ist geregelt, in welchen Fällen bei zuviel entrichteten Beträgen eine Verzinsung mit der Rechtshängigkeit eintritt. Danach sind nur zurückzuzahlende Abgaben oder Steuervergütungen (§ 158 AO) zu verzinsen, nicht aber zu Unrecht erhobene und zurückzuzahlende Zinsbeträge, die sich auf Branntweinübernahmegeld beziehen. Dem § 111 FGO kann nicht entnommen werden, daß er eine generelle Verzinsungspflicht in allen Rechtsstreitigkeiten begründet, auf welche die FGO Anwendung findet. Da in der FGO die Verzinsung zuviel entrichteter Beträge selbständig geregelt ist, kann darüber hinaus, wie oben schon erwähnt wurde, nicht § 291 BGB anwendbar sein. Der Antrag der Klägerin auf Zahlung von Zinsen ist daher nicht begründet.

 

Fundstellen

BFHE 1972, 129

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