Leitsatz (amtlich)

Gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion über die Beschwerde gegen den Strafbescheid des Finanzamts ist das Berufungsverfahren (Anrufen des Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs) zulässig, wenn der Betroffene geltend macht, durch die Entscheidung in seinen Rechten, insbesondere auch durch Ermessensmißbrauch, verletzt zu sein.

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; AO §§ 450, 452

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist als freiberuflich tätiger Arzt zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet. Von Ende des Jahres 1948 bis zum III. Vierteljahr 1951 hat er diese Verpflichtungen nur säumig und mit erheblicher Verspätung erfüllt.

Der Bf. hat versucht, diese Verletzung seiner steuerlichen Pflichten damit zu entschuldigen, daß er sich infolge finanzieller Schwierigkeiten, die durch den Wiederaufbau seines im Kriege zerstörten Hauses bedingt gewesen seien, und die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses zur Folge gehabt hätten, nicht in dem erforderlichen Maße um die Erfüllung seiner steuerlichen Verpflichtungen habe kümmern können.

Das Finanzamt erkannte jedoch die Entschuldigungen des Bf. nicht an, sondern erließ, da vorsätzliche oder fahrlässige Steuerverkürzungen nicht festzustellen waren, gegen ihn einen Strafbescheid wegen vorsätzlicher, im Fortsetzungszusammenhang begangener Steuerordnungswidrigkeit. Die Strafe wurde auf 300 DM festgesetzt.

Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückgewiesen.

Dies gab dem Bf. Veranlassung, das Finanzgericht anzurufen und im Wege des Berufungsverfahrens die Aufhebung der von der Oberfinanzdirektion erlassenen Beschwerdeentscheidung zu beantragen.

Das Finanzgericht hat diese Berufung als unzulässig verworfen, weil nach seiner Auffassung der Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung -- gleich welcher Art -- ausgeschlossen ist, sobald ein Beschuldigter gegen eine Strafverfügung des Finanzamts den Beschwerdeweg gemäß §§ 450, 452 der Reichsabgabenordnung (AO) beschritten hat.

Gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Bf. geltend macht, daß in der Wahl des Beschwerdewegs nur der Verzicht auf die Anrufung des ordentlichen Strafgerichts begründet liege, nicht aber der völlige Verzicht auf jegliche gerichtliche Überprüfung der Streitsache. Entscheidend komme es darauf an, daß die Verwaltung nicht Richter in eigener Sache sein könne, und deshalb müsse die finanzgerichtliche Überprüfung der von der Oberfinanzdirektion erlassenen Beschwerdeentscheidungen auch in Strafsachen zugelassen werden. Eine solche Überprüfung werde zur Aufhebung der Vorentscheidung führen; denn hinsichtlich der Strafzumessung liege eine Ermessensverletzung der Verwaltungsbehörden vor. Die festgesetzte Geldstrafe stehe in keinem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Steuer, hinsichtlich deren die Ordnungswidrigkeit begangen worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Entscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), die den Rechtsweg in jedem Falle der Verletzung von Rechten durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt sicherstellt, auch auf Strafentscheidungen der Finanzverwaltungsbehörden anzuwenden ist. Die Frage muß bejaht werden, wenn der Erlaß eines Straf- bzw. Beschwerdebescheides durch die Finanzverwaltungsbehörden als eine Form der Ausübung öffentlicher Gewalt zu betrachten ist. Das würde nicht der Fall sein, wenn es sich auch bei den Straferkenntnissen der Verwaltungsbehörden um richterliche Akte, wie etwa gerichtliche Strafurteile, handeln würde, da derartige gerichtliche Entscheidungen nach herrschender Ansicht nicht unter den Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG fallen (vgl. Klein, in Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 8 S. 105; Friesenhahn, "Der Rechtsschutz im öffentlichen Recht nach dem Bonner Grundgesetz" in Deutsche Verwaltung 1949 S. 481). Die Ausübung der Gerichtsbarkeit im rechtsstaatlichen Sinne setzt jedoch voraus, daß der Richter in seiner rechtsprechenden Tätigkeit nur dem Gesetz unterworfen, im übrigen aber von keiner anderen Instanz abhängig ist. Dies trifft für die Tätigkeit der Finanzverwaltungsbehörden, auch soweit sie Straferkenntnisse auszusprechen haben, nicht zu. Sie bleiben auch in Ausübung ihrer Strafbefugnisse Verwaltungsbehörden ohne die Garantie richterlicher Unabhängigkeit und sind auch insoweit weisungsgebunden gegenüber den Anordnungen ihrer vorgesetzten Dienststellen. Weder der Strafverfügung des Finanzamts noch dem Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion kommt daher die Qualität einer gerichtlichen Entscheidung im rechtsstaatlichen Sinne zu. Sie sind keine strafgerichtlichen Urteile, sondern haben nur in gewisser Weise die Wirkung derartiger Gerichtsentscheidungen. Das kommt auch in der Fassung der gesetzlichen Bestimmungen selbst deutlich zum Ausdruck; denn § 458 AO lautet wörtlich:

"Vollstreckbare Strafbescheide und Beschwerdebescheide wirken wie ein rechtskräftiges Urteil."

Deshalb ist auch in der Straftätigkeit der Finanzverwaltungsbehörden die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG zu sehen und demgemäß die im einzelnen Fall ergehende Strafverfügung folgerichtig als Verwaltungsakt zu betrachten. Auch die Vertreter des Schrifttums, die die Zulassung des Verwaltungsrechtsweges gegenüber Strafentscheidungen der Oberfinanzdirektionen ablehnen, stellen in ihrer Mehrzahl nicht in Abrede, daß sowohl die Strafverfügung des Finanzamts als auch die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion gemäß § 452 AO Verwaltungsakte darstellen (vgl. Mattern, "Deutsche Steuerzeitung' 1953 S. 101 und S. 141 sowie die dort angegebene Literatur). Wenn allerdings in diesem Zusammenhang gelegentlich geltend gemacht wird, es handle sich insoweit nur um Verwaltungsakte im formellen (nicht im materiellen) Sinne, so kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfange das zutrifft. Denn für die Beurteilung der Frage, ob auch gegen Verwaltungsstrafbescheide die verwaltungseigentümlichen Rechtsmittel gegeben sind, und insbesondere, ob auch gegen derartige Verwaltungsakte ein gerichtlicher Rechtsschutz eröffnet werden muß, kommt dem formellen Charakter der Verwaltungsstrafbescheide als Verwaltungsakte die ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn die Verfassungsbestimmung des Art. 19 Abs. 4 GG würde in wesentlichem Umfange hinfällig werden, wenn gegen einen Verwaltungsakt im formellen Sinne mit der Begründung der gerichtliche Rechtsmittelschutz versagt werden dürfte, der Verwaltungsakt der Verwaltungsbehörde stelle materiell einen Akt der Rechtsprechung dar.

2. Es bleibt zu prüfen, ob mit der Möglichkeit der Anrufung des ordentlichen Gerichts der nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete gerichtliche Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte aller Art bereits im voraus seine Verwirklichung gefunden hat. Es mag insoweit dahingestellt bleiben, inwieweit die Möglichkeit zur Anrufung des ordentlichen Gerichts gegenüber dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt die Verwirklichung des gerichtlichen Rechtsschutzes bedeutet, obwohl das Gericht nicht in eine materiell-rechtliche Überprüfung des Verwaltungsstrafbescheids eintritt, sondern ohne rechtliche Bindung an das Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde von sich aus den Fall neu entscheidet. Jedenfalls fehlt es am gerichtlichen Schutz gegen den zweitinstanzlichen Verwaltungsakt. Denn sobald der Steuerpflichtige an Stelle der Anrufung des Gerichts den Beschwerdeweg an die Oberfinanzdirektion gewählt hat, ist eine Anrufung der ordentlichen Gerichte gemäß § 450 AO nicht mehr zulässig. Dabei steht es außer Zweifel, daß der Betroffene durch die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion, die ebenfalls einen Verwaltungsakt darstellt, erneut in seinen Rechten verletzt werden kann. Das gilt nicht nur dann, wenn die im Strafbescheid festgesetzte Strafe unzulässigerweise verschärft oder wenn etwa der Bestrafung statt einer vom Finanzamt angenommenen fahrlässigen Steuerverkürzung irrtümlicherweise eine vorsätzliche Steuerhinterziehung zugrunde gelegt werden sollte, sondern auch dann, wenn die Oberfinanzdirektion einen rechtlich fehlerhaften Strafbescheid des Finanzamts bestätigen würde. Es bedarf daher eines gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Beschwerdentscheidungen der Oberfinanzdirektionen. Wenn z. B. Mattern (a. a. O.) in dem nach § 450 AO bestehenden Wahlrecht die Verwirklichung des gerichtlichen Rechtsschutzes auch gegenüber dem zweitinstanzlichen Verwaltungsentscheid der Oberfinanzdirektion zu finden glaubt, und deshalb jeden anders gearteten Rechtsschutz des Beschuldigten ablehnt, so vermag der Senat diese Auffassung nicht zu billigen. Denn ein Rechtsbehelf, der dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme des Gerichts nur gegen erstinstanzliche Verwaltungsentscheidungen erlaubt, dessen der Steuerpflichtige aber zwangsläufig und kraft Gesetzes mit der Herbeiführung der zweitinstanzlichen Verwaltungsentscheidung verlustig geht, bietet gegenüber der letzteren keinen Rechtsschutz mehr. Darauf aber kommt es an. Denn nach Art. 19 Abs. 4 GG muß gegen jeden Verwaltungsakt die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ermöglicht werden.

3. Der Notwendigkeit, den gerichtlichen Rechtsschutz zu verwirklichen, kann auch nicht mit dem Hinweis begegnet werden, daß der Steuerpflichtige selbst mit dem Beschreiten des Beschwerdewegs auf jede gerichtliche Entscheidung verzichtet habe. Abgesehen davon, daß damit der Rechtsmittelwahl des Steuerpflichtigen eine Tragweite beigelegt würde, die ihr entsprechend der vor Erlaß des GG bestehenden Rechtslage nicht beizumessen war, bestehen gegen eine solche Auslegung der Wahlentscheidung gemäß § 450 AO auch sonst erhebliche Bedenken. Denn es widerspricht den verfahrensrechtlichen Prinzipien der Abgabenordnung, einen Rechtsmittelverzicht als wirksam zu betrachten, der nach der obigen Auslegung schon zu einem Zeitpunkt abgegeben würde, in dem das Ergebnis der späteren Entscheidung noch völlig ungewiß erscheint. Im Besteuerungsverfahren müssen dem Steuerpflichtigen vor der Erklärung des Rechtsmittelverzichts zum mindesten die Grundlagen der Besteuerung bekanntgegeben werden. Ähnliches gilt für die strafrechtliche Unterwerfung. Es kann deshalb nicht angenommen werden, daß ein Verzicht auf die Anrufung des Gerichts zulässig sein sollte, bevor überhaupt die Grundlagen der Entscheidung erkennbar sind, gegen die der Steuerpflichtige des gerichtlichen Rechtsschutzes teilhaftig werden sollte. Da im übrigen Verzichtserklärungen der Steuerpflichtigen im allgemeinen nicht ausdehnend auszulegen sind, wird man dem Steuerpflichtigen nicht ohne besonderen Grund die Absicht unterstellen dürfen, er wolle auf die ihm etwa zustehenden Rechte verzichten. Dazu besteht um so weniger Veranlassung, als gerade das Bekanntwerden der im GG verankerten erweiterten Rechtsschutzmöglichkeiten viele Steuerberater und Steuerpflichtige veranlaßt haben wird, den Verwaltungsweg zu beschreiten. Der Wahl des Beschwerdewegs durch den Steuerpflichtigen ist daher keine weitergehende Bedeutung beizumessen, als ihr ursprünglich zugekommen ist. Diese besteht aber nur darin, daß der Steuerpflichtige auf den Rechtsweg vordem ordentlichen Gericht verzichtet, um die im Verwaltungsverfahren üblichen und zugelassenen Rechtsmittel einschließlich des erweiterten Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in Anspruch nehmen zu können. Die gegenteilige, auf Einschränkung des Rechtsmittelschutzes abzielende Auslegung der Wahlentscheidung des Steuerpflichtigen wird dem grundlegenden Rechtsgedanken des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht. Ihr kann deshalb nicht gefolgt werden.

4. Der demnach gegen Beschwerdeentscheidungen der Oberfinanzdirektionen in Strafsachen zu gewährende Rechtsschutz kann nach Lage der Dinge nur von den Verwaltungsgerichten, und zwar, da es sich um Steuerstrafsachen handelt, von den Finanzgerichten verwirklicht werden.

Entgegen der Ansicht der Oberfinanzdirektion verstößt die Anrufung des Finanzgerichts auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Art. 101 GG, nach dem niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Zu Unrecht geht die Oberfinanzdirektion davon aus, daß alle Strafsachen ausschließlich vor die ordentlichen Gerichte gehören. Denn gegenüber dem Grundsatz, daß kriminelle Strafen von den ordentlichen Gerichten verhängt werden, bestehen Ausnahmen; im Wege der Gesetzgebung sind gerade für das Verwaltungsstrafverfahren hiervon abweichende Vorschriften erlassen worden. Zu ihnen gehören insbesondere die Vorschriften der AO über das Steuerstrafverfahren (vgl. hierzu Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, 17. Auflage 1927 Bemerkung 2 und 3 zu § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Obgleich nicht zu bezweifeln ist, daß auch das Vergehen der Steuerordnungswidrigkeit im Sinne des § 413 AO, über das die Finanzbehörden im Streitfalle zu entscheiden hatten, nach der positiven gesetzlichen Regelung als kriminelles Vergehen zu gelten hat, gehört es nicht ohne weiteres vor die ordentlichen Gerichte. Diese haben vielmehr nur dann über Steuerstrafsachen zu entscheiden, wenn entweder das Finanzamt das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abgibt oder wenn der Beschuldigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt. Solange das nicht geschieht, gehören die Steuerstrafsachen nicht vor die ordentlichen Gerichte.

Einer Anrufung der Verwaltungsgerichte und im besonderen der Finanzgerichte steht auch der § 26 der Verordnung Nr. 165 der Britischen Militärregierung nicht entgegen, auf Grund dessen den Verwaltungsgerichten die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten dann entzogen ist, wenn es sich um Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Strafprozesses handelt. Den für das Steuerstrafverfahren besitzen die Vorschriften der Strafprozeßordnung nur subsidiäre Gültigkeit und sind nur insoweit anzuwenden, als das Verfahren nicht bereits durch die Vorschriften der AO selbst geordnet ist. Das letztere trifft aber insbesondere für den Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion zu, dessen Rechtsgrundlage die Vorschriften der §§ 450 bis 452 AO bilden, während die Strafprozeßordnung keine Verfahrensregeln für das verwaltungsmäßige Beschwerdeverfahren gegen Strafbescheide der Verwaltungsbehörden enthält.

Es bleibt daher auch für Fälle der vorliegenden Art bei dem Rechtsgrundsatz des § 22 der Verordnung Nr. 165, der besagt, daß die Entscheidung über Verwaltungsakte aller Art den Verwaltungsgerichten zusteht, und der damit auch die nur subsidiäre Zuständigkeit ausschließt, die sonst durch Art. 19 Abs. 4 GG für die ordentlichen Gerichte begründet würde. Ist aber nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegen Strafentscheidungen der Verwaltungsbehörden gegeben, so muß für die Entscheidung über Strafverfügungen der Finanzbehörden der Zuständigkeit der Finanzgerichte aus den gleichen Gründen der Vorzug vor der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte gegeben werden, die den Großen Senat des Bundesfinanzhofs bereits in seinem Gutachten Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Slg. Bd. 55 S. 277, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1951 III S. 107) veranlaßt haben, die Zuständigkeit der Finanzgerichte zur Nachprüfung von Ermessensakten der Finanzbehörden in reinen Steuersachen zu bejahen. Obwohl die Abgabenordnung die Zuständigkeit der Steuergerichte auch gegenüber Verwaltungsakten auf steuerstrafrechtlichem Gebiete nicht ausdrücklich begründet hat, sind sie doch als die besonderen Verwaltungsgerichte für alle Steuersachen im Rahmen der AO auch zur Entscheidung über die steuerstrafrechtlichen Verwaltungsakte berufen. Diese den Zuständigkeitsbereich der Steuergerichte sinngemäß erweiternde Auslegung des § 52 AO findet ihre Rechtfertigung insbesondere in dem Grundgedanken des Art. 96 GG, indem sie der Notwendigkeit genauer Sachkunde auf dem Gebiet der steuerlichen Gesetzes- und Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung trägt (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 47/51 S vom 25. Juli 1951, Slg.Bd. 55 S. 432, BStBl. 1951 III S. 173, und IV 218/51 U vom 7. Februar 1952, Slg. Bd. 56 S. 190, BStBl. 1952 III S. 76, sowie IV 187/52 U vom 21. August 1952, Slg. Bd. 56 S. 797, BStBl. 1952 III S. 306).

Wenn demgegenüber geltend gemacht wird, daß nach den Ausführungen des Gutachtens des Bundesfinanzhofs die Nachprüfung der Finanzgerichte auf reine Ermessensakte beschränkt sei, so ist dies irrig. Die nach dem Gutachten zulässige Erstreckung der steuergerichtlichen Tätigkeit auf Ermessensentscheidungen stellt eine Erweiterung der früheren steuergerichtlichen Befugnisse dar, insofern als früher im allgemeinen die reinen Ermessensentscheidungen der gerichtlichen Nachprüfung entzogen waren. Daß aber Verwaltungsakte, bei denen nicht allein eine Ermessensverletzung in Frage steht, der Nachprüfung der Finanzgerichte entzogen sein sollten, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.

Mit den Ausführungen des Senats stimmen im Ergebnis überein u. a. Berger, in Steuer und Wirtschaft 1953 Spalte 486, Oswald, Steuer und Wirtschaft 1952 Spalte 741 und 1953 Spalte 99 und Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg III OVG A 436/50 vom 16. März 1951 in Deutsche Steuer-Rundschau 1952 S. 153; a. A. u. a. -- außer Mattern a. a. O. -- Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs IV/51 vom 20. Juni 1952 in Deutscher Juristen Zeitung 1952 S. 755, der aber nur den Verwaltungsrechtsweg verneint, die Möglichkeit der Anrufung der Steuergerichte jedoch offen läßt.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzgericht zurück. Dieses hat nunmehr zu prüfen, ob der Bf. durch die angefochtene Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt ist oder nicht.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 165

BFHE 1954, 664

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