Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

 

Leitsatz (NV)

Ein Rechtsanwalt kann Auskünfte über die Herkunft angeblicher Treuhandgelder nur dann im Sinne des § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 AO) verweigern, wenn feststeht, daß es sich nicht um private eigene Geschäfte handelt.

Zu Feststellungen im Rahmen einer Schätzung.

 

Normenkette

AO 1977 § 102 Abs. 1, § 162; AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 217

 

Tatbestand

Im Rahmen einer 1976 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger und Revisionskläger (Kläger) seit 1969 für sich und die Beigeladenen bei der . . .bank in T (Österreich) unter den Namen J, M und G drei Safes gemietet hatte. Der Kläger und die Beigeladenen waren berechtigt, einzeln über den Inhalt der Safes zu verfügen. Eine entsprechende Erklärung wurde von allen Dreien mit den falschen Namen unterzeichnet. Die Beigeladenen waren den Angestellten der Bank persönlich bekannt.

Bei der Öffnung der Safes fanden die Steuerfahndungsbeamten Wertpapiere (festverzinsliche Wertpapiere sowie in- und ausländische Aktien) im Nennwert von ca. 1,5 Mio DM, ferner Goldmünzen. Sie fertigten eine Aufstellung der Wertpapiere und Münzen. Vor einer Sicherstellung des Inhalts wurden die Safes vom Kläger geleert. Über den Verbleib der Wertpapiere und Münzen verweigert der Kläger jede Auskunft. Die Steuerfahndung stellte weiter fest, daß der Kläger und die Beigeladenen Konten und Depots bei Banken in M unterhielten. Bezüglich aller Konten und Depots hatte der Kläger in den Streitjahren Vollmacht. In einigen Fällen wurden den Beigeladenen Depotauszüge persönlich zugesandt.

Die Wertpapiere wurden auf den Depots nur vorübergehend eingelagert und dann entweder verkauft oder den Inhabern - bzw. dem Kläger als ihrem Bevollmächtigten - ausgehändigt. Die ausländischen Papiere wurden bei nächster Gelegenheit in die Safes nach T verbracht. Auch dort wurden sie mehrfach zum Verkauf oder Tausch entnommen. Die Verkaufserlöse wurden zum Ankauf neuer Papiere verwandt.

Der Kläger und die Beigeladenen gaben Erträge aus Wertpapieren nicht - so die Beigeladene zu 2 - oder nur in geringem Umfang in ihren Einkommensteuererklärungen an. Der Steuerfahndungsprüfer ging bei der Ermittlung der Einnahmen aus den Wertpapieren vom vorgefundenen Bestand in den drei Safes aus. Darin waren die Papiere unabhängig von ihrer Herkunft (Depots in M) gleichmäßig verteilt worden. Der Fahndungsprüfer ging davon aus, daß die festverzinslichen Papiere kurz nach ihrem Ausgabedatum erworben waren. Er ging ferner davon aus, daß die 1976 vorgefundenen Aktien schon 1970 vorhanden waren. Zu beiden Feststellungen hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.

Die ermittelten Einnahmen rechnete der Prüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 mit je 10 v. H. und der Beigeladenen zu 2 mit 80 v. H. zu. Bei dieser Schätzung folgte er dem ungefähren Verhältnis der Bestände der Depots in M.

Das FA erließ dementsprechend einheitliche Feststellungsbescheide für die Streitjahre. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos, die Klage im wesentlichen ebenfalls.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG), die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 1979 und die Feststellungsbescheide für die Jahre 1970 bis 1974 vom 24. Oktober 1970 aufzuheben, hilfsweise, die Einkünfte zu 100 v. H. dem Kläger zuzurechnen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Feststellungen des FG rechtfertigen nicht die Schlußfolgerung, daß die Erträge aus den Wertpapieren zum überwiegenden Teil der Beigeladenen zu 2 zuzurechnen seien.

Das FG hat allerdings festgestellt, daß die Wertpapiere in den Depots in M durchweg Inhaberpapiere waren. Es hat ferner festgestellt, daß die Wertpapiere in den Safes letztlich aus den Depots in M stammten, zum Teil unmittelbar, zum Teil durch Umschichtung der Bestände. Der Senat ist an diese Feststellungen und Schlußfolgerungen gebunden; sie sind nicht in zulässiger Weise angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO). In der Begründung der Revision wendet sich der Kläger zwar in vielen Punkten gegen die Feststellungen und Schlußfolgerungen des FG. Diese Rügen genügen aber in keinem Fall den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO.

Das FG hat auch ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze die Höhe der Erträge aus den Wertpapieren in den Safes geschätzt (§ 118 Abs. 2 FGO). Diese Feststellungen hat der Kläger nicht angegriffen.

Das FG ist weiter zu Recht von der Vermutung ausgegangen, daß die Wertpapiere demjenigen zuzurechnen waren, der Inhaber der Depots war (§ 1006 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Das FG hat schließlich ohne Rechtsverstoß verneint, daß der Kläger als Treuhänder eines fremden Dritten anzusehen sei (§ 11 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 39 der Abgabenordnung - AO 1977 -), denn ein solches Treuhandverhältnis ist nicht nachgewiesen worden (§ 164 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 159 AO 1977). Der Kläger kann sich als Rechtsanwalt nicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 177 Abs. 1 Nr. 3 b AO (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 b AO 1977) berufen. Das Gesetz setzt dabei voraus, daß dem Rechtsanwalt etwas ,,in dieser Eigenschaft anvertraut worden" ist. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil spricht der vom FG festgestellte Zusammenhang der Depots in M mit den Safes dafür, daß es sich um private Geschäfte des Klägers handelte.

Das FG hat aber seine Schlußfolgerung, daß die Wertpapiergeschäfte des Klägers zum Teil für eigene Rechnung und zum Teil für Rechnung der Beigeladenen getätigt worden seien, u. a. auf die Möglichkeit gestützt, daß der Kläger neben zwei Grundstücken in M auch sein übriges Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Beigeladene zu 2 übertragen hat, daß ferner nicht auszuschließen sei, daß auch die Mutter (Beigeladene zu 1) der Beigeladenen zu 2 Gelder zugewendet hat.

Diese Feststellung trägt die vom FG gezogene Schlußfolgerung, dem Kläger seien nicht weniger und nicht mehr als 10 v. H. der Wertpapiere und der Erträge daraus zuzurechnen, nicht. Einmal sind keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger und die Beigeladene zu 1 Mittel hatten, derartige Schenkungen zu machen. Zum anderen hat das FG eine solche Schenkung nicht festgestellt, sondern lediglich für nicht ausgeschlossen gehalten. Das reicht aber als Grundlage für die Zurechnung erheblicher Wertpapierbestände nicht aus, zumal die Beigeladenen solche Schenkungen bestreiten und die Handlungsweise des Klägers nicht typisch für jemand ist, der für Rechnung Dritter handelt. Die angebotene Anhörung der Beigeladenen erscheint auch im Hinblick auf die Art und Weise des klägerischen Vortrags sinnvoll.

Steht nicht fest, daß der Kläger und die Beigeladene zu 1 der Beigeladenen zu 2 Mittel in dem vom FG unterstellten Umfang tatsächlich übertragen haben, ist auch die Schlußfolgerung des FG in Frage gestellt, daß der Beigeladenen zu 2 80 v. H. der in den Safes vorgefundenen Wertpapiere und entsprechende Erträge daraus zuzurechnen sind.

Das FG wird prüfen müssen, ob die Vermutung des § 1006 BGB nicht durch die Aussagen der Beigeladenen widerlegt wird mit der Folge, daß die Erträge dem Kläger und den Beigeladenen zu einem anderen Anteil zuzurechnen sind.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 753

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