Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Selbstgewonnene Weinvorräte eines Winzers brauchen in der DM-Eröffnungsbilanz nicht mit den Herstellungskosten angesetzt zu werden, sondern dürfen mit ihrem höheren Teilwert ausgewiesen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof I 174/53 U vom 19. Oktober 1954, Slg. Bd. 60 S. 127, Bundessteuerblatt 1955 III S. 50). DMBG § 5 Abs. 1, § 20, § 74 Abs. 4; EStG § 6 Abs. 1.

 

Normenkette

DMBG § 5 Abs. 1; DMBG § 20; DMBG § 74 Abs. 4; EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Strittig ist für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949, wie die Vorräte selbsterzeugter Weine (Jahrgänge 1945 bis 1947) auf den 21. Juni 1948 zu bewerten sind.

Der Steuerpflichtige (Stpfl.), ein Weingutsbesitzer, ist bei seinen Steuererklärungen, denen lediglich Schlußbilanzen zum 30. Juni 1949 und 1950 beigefügt waren, von 51 780 DM Anfangswert (bei einem Gesamtkapitalstande von 73 563,77 DM) ausgegangen. Dieser Betrag war zunächst bei einer finanzamtlichen Betriebsprüfung im August 1949 vom Betriebsprüfer errechnet worden und ist im Ergebnis vom Stpfl. in der Berufungsinstanz, in der er anfänglich einen Ansatz der Weinvorräte mit 61 276 DM begehrte, als eine dem Gesetz entsprechende Bewertung nach Wiederbeschaffungskosten abzüglich einer angemessenen Gewinnspanne gekennzeichnet worden. Das Finanzamt hat bei der Veranlagung und im Einspruchsverfahren nur einen Wertansatz von 25 790 DM zugelassen und sich dabei auf eine Rundverfügung der Oberfinanzdirektion gestützt. Nach dieser sollen selbsterzeugte Weinvorräte für den 21. Juni 1948 gemäß § 20 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) auf der Grundlage der gewöhnlichen Herstellungskosten (Erzeugungskosten, d. h. regelmäßig der tatsächlichen Bebauungskosten, Löhne, sachlichen Aufwendungen einschließlich Absetzung für Abnutzung nach § 7 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und Kellerkosten bis zum dritten Abstich zuzüglich weiterer Ausbaukosten) im Wirtschaftsjahr 1948/1949 (auf Antrag auch nach dem Mittel der Wirtschaftsjahre 1948/1949 und 1949/1950) bewertet werden. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat das Finanzamt einer Erhöhung des Ansatzes nach diesen Grundsätzen auf 28 383 DM zugestimmt. Das Finanzgericht hat sich im Ergebnis dem Standpunkt des Stpfl. angeschlossen. Es führt im wesentlichen aus:

Der Stpfl. falle als Winzer nicht unter § 1 DMBG. Er ermittle aber den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. Deshalb seien nach § 74 Abs. 4 DMBG die §§ 5 bis 34 DMBG sinngemäß anzuwenden; § 74 Abs. 5 DMBG enthalte für selbsterzeugte Weine keine Sondervorschriften. Eine Wertermittlung nach § 20 Abs. 1 DMBG, wie sie das Finanzamt vorgenommen habe, komme jedoch nicht in Betracht. Der Begriff der "gewöhnlichen Herstellungskosten vom 31. August 1948 (1949)" sei insbesondere auf die Erzeugnisse der gewerblichen Wirtschaft zugeschnitten. Für selbsterzeugte Weine eines Winzers entfalle er. Solche seien am 31. August 1948 (1949) überhaupt nicht mehr neu herstellbar gewesen. Eine Weinernte werde nicht "hergestellt", sondern falle als Erzeugnis der Weinbergbebauung und des Einflusses der Naturkräfte, insbesondere der jeweiligen Witterung, an; Menge und Güte seien von den Erzeugungskosten weitgehend unabhängig. Auch der Ansatz der "gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten" i. S. von § 20 Abs. 1 DMBG komme nicht in Betracht. Sie würden etwa den Erlösen entsprechen, die der Stpfl. selbst bei der späteren Veräußerung seiner Vorräte vom 21. Juni 1948 erzielt habe. Ein derartig hoher Ansatz würde aber dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 DMBG nicht gerecht werden. Die vom Stpfl. unter Abzug einer Gewinnspanne angesetzten Werte seien fiktive, aber keine gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten. Auch § 20 Abs. 2 DMBG sei nicht anwendbar, weil es an einem Vergleichswert nach Abs. 1 a. a. O. fehle. Ebenso ziele Abschn. 24 der Verwaltungsanordnung betreffend steuerliche Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz (DMBR) nicht auf Wirtschaftsgüter ab, die am 31. August 1948 (1949) zwangsläufig nicht mehr hergestellt werden könnten. Zudem könne bei der Veräußerung selbsterzeugter Weine nicht von einer handelsüblichen Gewinnspanne gesprochen werden, weil der Erlös hauptsächlich durch die wechselnde Güte der Weine bestimmt werde. Für die Bewertung der Weine müsse deshalb auf die allgemeine Bewertungsbestimmung des § 5 Abs. 1 DMBG - Stichtagswert - zurückgegriffen werden. Zu diesem Zwecke könne man die Bewertungsmethode der erwähnten Rundverfügung der Oberfinanzdirektion als Bewertungshilfsmittel für den geringstwertigen Wein verwenden, man müsse aber die Güteunterschiede bei den höherwertigen Weinen zusätzlich berücksichtigen, und zwar in dem Verhältnis, in dem die Verkaufserlöse der verschiedenwertigen Weine zueinander stehen. Dann ergebe sich für die strittigen Vorräte ein Gesamtbetrag von 54 206 DM. Da diese rechnerische Hilfsermittlung nur geringfügig von dem Wertansatz, den der Stpfl. erstrebe (51 780 DM), abweiche, könne dessen Begehren voll entsprochen werden.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Vorsteher des Finanzamts in eingehenden Darlegungen gegen die Rechtsausführungen des Finanzgerichts. § 20 Abs. 1 DMBG sei allein anwendbar. Die kostenlosen Witterungseinflüsse seien auch für die Jahrgänge 1945 bis 1947 echter in der DM-Zeit anfallender und zu versteuernder Gewinn. Güteunterschiede verteuerten, abgesehen von besonderen Löhnen und besonderer Bearbeitung nicht die Erzeugung.

Der Stpfl. weist demgegenüber ebenfalls in ausführlichen, auch das Schrifttum heranziehenden Ausführungen darauf hin, daß ein Herstellungspreis im Weinbau praktisch nicht ermittelbar sei und daß die Auffassung des Finanzamts im Streitfalle zur Substanzversteuerung führe; schon in der RM-Zeit seien die Weinvorräte mit den höheren Teilwerten (Abschluss am 20. Juni 1948 mit 51 780 RM) gemäß § 6 Ziff. 2 letzter Satz EStG) eingesetzt worden. Auch bei der Währungsumstellung 1923/1924 sei der Landwirtschaft durch den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. September 1935, Reichssteuerblatt S. 182 ff. - unter II 5 -, ein Wahlrecht eingeräumt worden, selbsterzeugte Vorräte mit dem Herstellungspreis oder dem gemeinen (Teil-) Wert anzusetzen. Im übrigen bestätigten sowohl die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz I 52-53/53 vom 11. März 1954 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1954 Nr. 136) als auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 174/53 U vom 19. Oktober 1954 (Slg. Bd. 60 S. 127, Bundessteuerblatt 1955 III S. 50) die Auffassung des Finanzgerichts.

Der Senat hat dem Bundesminister der Finanzen Gelegenheit gegeben, sich am Rechtsbeschwerdeverfahren zu beteiligen. Der Bundesminister der Finanzen hat von einem Beitritt zum Verfahren abgesehen, weil die strittigen Rechtsfragen bereits durch das beschwerdeführende Finanzamt, das über besonders große Erfahrungen auf dem Gebiet der Weinbewertung verfüge, ausführlich erörtert worden seien.

Zu der auf Antrag des Vorstehers des Finanzamts anberaumten mündlichen Verhandlung hat dieser einen Vertreter nicht entsendet; auch für den Stpfl. ist niemand erschienen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat in der schon angeführten Entscheidung I 174/53 U die Auffassung vertreten, daß die Winzer berechtigt sind, die selbstgewonnenen Weine am 21. Juni 1948 mit dem Teilwert anzusetzen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Der Gedanke des § 5 Abs. 1 DMBG, dem Stpfl. den Ansatz des Wertes zu gestatten, der dem zu bewertenden Wirtschaftsgut am 21. Juni 1948 zukommt, ist der leitende Grundgedanke der Bewertungsgrundsätze für die DM-Anfangsbewertung. § 20 Abs. 1 DMBG gibt für die Regelfälle des Vorratsvermögens eine erleichternde (vereinfachende) Sonderregelung. Schon der Ausdruck "gewöhnliche" Wiederbeschaffungs- oder Herstellungskosten läßt erkennen, daß überall da, wo die genannten Kosten nicht im Rahmen der Gewohnheit liegen, Vorsicht geboten ist, um den leitenden Grundgedanken nicht zu verletzen. § 20 Abs. 2 DMBG gibt bereits ein Beispiel für eine solche nur vorsichtige Anwendung. Für den landwirtschaftlichen Sektor kommt hinzu, daß, wie das Urteil des Bundesfinanzhofs I 174/53 U betont, die ganzen Bewertungsvorschriften gemäß § 74 Abs. 4 DMBG nur "sinngemäß" anzuwenden sind und daß besonders bei den Erzeugnissen, für welche die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unter Außerachtlassung des sonst herrschenden Niederstwertprinzips den Ansatz eines die bisherigen eigenen Aufwendungen übersteigenden Teilwerts zulassen (vgl. § 6 Ziff. 2 letzter Satz EStG II/1948 und 1949), diese allgemeine Bewertungsregel auch im Rahmen der DM-Eröffnungsbilanz nicht unbeachtlich bleiben darf. Der hier durchschlagende Sondergedanke zielt vor allem auf den durch die Einwirkung der Naturkräfte ohne besondere Aufwendungen geldlicher Art hervorgerufenen (natürlichen) Wertzuwachs ab und will zugleich den praktischen Schwierigkeiten einer hinreichend genauen und zuverlässigen Ermittlung der auf die einzelnen Erzeugnisse entfallenden Aufwendungen begegnen. Daß dieser Gedanke auch bei der DM-Eröffnungsbilanz angemessen berücksichtigt werden muß, darf schon aus § 74 Abs. 5 Ziff. 4 DMBG (Viehbewertung nach Durchschnittswerten) und Abschn. 63n DMBR (Bewertung von Holzvorräten nach Verkaufserlösen unter Abzug der handelsüblichen Gewinnspanne) gefolgert werden, wie bereits des näheren im Urteil des Bundesfinanzhofs I 174/53 U dargelegt.

Weiter kann dem Beschwerdeführer nicht zugestimmt werden, daß die Berücksichtigung der natürlichen Wertsteigerung bis zum Bewertungsstichtag wirtschaftlich eine unstatthafte Vorwegnahme von Gewinnen der späteren Perioden ist. Es entspricht im Gegenteil der natürlichen Entwicklung der Dinge, die durch die Natur hervorgerufene Werterhöhung auch steuerlich alsbald in der Periode zu erfassen, in der sich diese Entwicklung vollzogen hat. Eine grundsätzliche Nichtberücksichtigung der zwischenzeitlichen Wertsteigerungen würde insbesondere dann, wenn der Wille des Gesetzgebers das Schwergewicht auf den Stichtagswert legt, wie bei der DM-Eröffnungsbilanz, diesen Willen ohne eine erkennbare innere Rechtfertigung widersprechen.

Hiernach kann dem Stpfl. nicht verwehrt werden, die selbstgewonnenen Weinvorräte für den 21. Juni 1948 mit einem Werte auszuweisen, der (höchstens) dem Teilwert der Weine am 21. Juni 1948 entspricht. Vgl. hierzu auch Schmölder-Gessler-Merkle, D-Markbilanz-Ergänzungsgesetz S. 118 Anm. 30 bis 32, Merkle, Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung vom 28. Januar 1950 (Nr. 8 S. 13: Vorratsvermögen im DMBG, letzter Absatz), Erhard Müller, Einkommensbesteuerung der buchführenden Land- und Forstwirte und der Gartenbaubetriebe seit der Währungsreform, C. E. Poeschel Verlag, Stuttgart, 1951 S. 48 Abs. 1.

Im Streitfall können gegen diese Behandlungsweise um so weniger Bedenken bestehen, als der Stpfl. die Bewertungsmethode nicht nur für den 21. Juni 1948, sondern auch vor und nach diesem Zeitpunkt in seinen Jahresabschlüssen nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG angewendet hat. Das Finanzgericht hat deshalb folgerichtig für die Jahresabschlußzeitpunkte 30. Juni 1949 und 30. Juni 1950 diese Werte wiederhergestellt, nachdem sie das Finanzamt - seiner abweichenden Grundauffassung entsprechend - durch den Ansatz jeweils niedrigerer Herstellungskosten abgeändert hatte.

Wie der Teil- (Höchst-) Wert im einzelnen Falle zu ermitteln ist, ist im wesentlichen Tatsachenwürdigung. Das Urteil des Bundesfinanzhofs I 174/53 U will als Anhaltspunkt den vom Großhändler bezahlten Preis abzüglich einer angemessenen Gewinnspanne für den Winzer zugrunde gelegt wissen. ähnlich ist der Stpfl. bei seiner Berechnung vorgegangen. Auch das Finanzgericht hat, wie oben dargestellt, den tatsächlich erzielten Verkaufserlösen Bedeutung beigemessen. Derartige Rückschlüsse aus der späteren tatsächlichen Entwicklung sind hier unbedenklich, weil der Rückschlußgedanke mangels brauchbarer unmittelbarer Anhaltspunkte für die Lage am Tage der Währungsumstellung selbst gerade für die DM-Eröffnungsbilanz allgemein für die Bewertung des Vorratsvermögens im § 20 DMBG sich widerspiegelt, der in dieser zeitlichen Beziehung auch dann beachtlich bleibt, wenn, wie im Streitfalle, seine Wertermittlungsvorschrift nicht unmittelbar bedeutsam ist. Der Stpfl. hat bei der im Berufungsverfahren schließlich zugrunde gelegten Berechnung von Verkaufserlösen in den Wirtschaftsjahren 1948/1949 und 1949/1950 einen Gewinnabschlag von etwa 35 bis 45 v. H. (ursprünglich nur 20 bis 30 v. H.) des Erlöses anerkannt. Im Ergebnis hat das Finanzgericht diese Berechnungsmethode gebilligt. Bedenken rechtlicher Art gegen diese Wertermittlung bestehen nach dem Vorstehenden nicht.

Der Rb. war somit der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408639

BStBl III 1957, 206

BFHE 1957, 546

BFHE 64, 546

BB 1957, 604

DB 1957, 546

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