Leitsatz (amtlich)

Ein Verleger, der seine Bücher und Zeitschriften durch eine Druckerei herstellen läßt, kann für die Weiterlieferung der Druckerzeugnisse den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen, wenn er das Papier an die Druckerei liefert.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3; UStDB § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige -- Stpfl. --) verlegt Bücher und Zeitschriften. In den Jahren 1945 bis 1950 hatte er das Papier für die Druckaufträge selbst beschafft und der Druckerei zur Verwendung bei der Herstellung der Druckerzeugnisse zur Verfügung gestellt. Bei einer Betriebsprüfung wurde dieser Vorgang als Materialbeistellung angesehen und für die Lieferungen der Druckerzeugnisue im Großhandel die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 7 Abs. 3 UStG versagt. Daraufhin kündigte der Stpfl. die Verträge mit den Drukkereien und veranlaßte diese, sich das Papier selbst zu beschaffen. Der Druckerei W., die für den Stpfl. die Zeitschrift "H" und seit 1954 die Zeitschrift "B" druckte, gelang es nicht, das für die Durchführung der Druckaufträge erforderliche Papier stets termingemäß zu beschaffen. Sie wandte sich deshalb an den Stpfl., der über gute Beziehungen zu der Papierfabrik X verfügte. Der Stpfl. war bereit, das Papier für die Druckerei zu beschaffen. Er bestellte es bei der Papierfabrik im eigenen Namen und für eigene Rechnung, verkaufte es an die Druckerei und belastete das Konto der Druckerei mit einem Betrag, der sich aus den Gestehungskosten und einem geringen Zuschlag zusammensetzte. Die vom Stpfl. erworbene Papiermenge wurde von der Druckerei als Wareneingang verbucht, in der Inventur aufgeführt und zum Stichtag in die Bilanz übernommen. Nach Ausführung des Druckauftrags stellte die Druckerei dem Stpfl. Rechnungen aus, in denen auch das verwendete Papier ausgewiesen war.

Bei im Jahr 1957 durchgeführten Betriebsprüfungen gelangten die Prüfer zu der Ansicht, daß im Verhältnis zu der Druckerei W. nach wie vor eine Materialbeistellung vorliege, weil ausschließlich der Verlag die Papierbeschaffung vornehme, die Papierbestände bei der Druckerei vom Verlag mengenmäßig kontrolliert würden, der Verlag vorschreibe, welche Papiermengen zuerst verbraucht werden müßten und die Druckerei kaum in der Lage sei, das für die Zeitschriften des Verlags vorgesehene Papier für andere Zwecke zu verwenden. Der frühere Mitinhaber der Druckerei habe selbst gesagt, daß er mit der Papierbestellung nichts zu tun gehabt und gelegentlich das von dem Stpfl. beschaffte Kunstdruckpapier "ausgeliehen" habe.

Der Revisonskläger (Finanzamt -- FA --) schloß sich der Auffassung der Prüfer an und führte für 1953 und 1954 Berichtigungsveranlagungen durch. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Berufung hatte der Stpfl. Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) kam auf Grund der von ihm durchgeführten Erhebungen zu dem Ergebnis, daß eine Materialbeistellung nicht angenommen werden könne und die Druckerei die volle steuerliche Verfügungsmacht über das von dem Stpfl. gelieferte Papier erlangt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen dieses Urteil des FG eingelegte Rb., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist, kann keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung der Frage, ob der Stpfl. für die Weiterlieferung der von der Druckerei hergestellten Zeitschriften den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann, hängt davon ab, ob er das von ihm beschaffte Papier an die Druckerei geliefert oder beigestellt hat. Gemäß § 2 Abs. 1 UStDB liegt eine Lieferung vor, wenn der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Der Abnehmer muß hiernach unbeschränkt wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen können. Eine Materialbeistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber, der einen Gegenstand herstellen läßt, Hauptstoffe zur Verwendung bei der Herstellung des Gegenstands zur Verfügung stellt und der herstellende Unternehmer den beigestellten Stoff vereinbarungsgemäß dazu verwendet. Der Auftraggeber stellt den Stoff mit der Auflage zur Verfügung, daß der Unternehmer ihn im Rahmen des erteilten Auftrags bearbeiten bzw. verarbeiten soll. Er will den Stoff nicht liefern, so daß der Abnehmer nicht unbeschränkt wie ein Eigentümer darüber verfügen kann.

Im vorliegenden Fall hat das FG nach den gegebenen Umständen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Materialbeistellung abgelehnt und eine Lieferung des Papiers an die Druckerei angenommen. Diese Beurteilung gibt nach Prüfung des Falles weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu einer Beanstandung Anlaß.

Nach den Feststellungen des FG hat der Stpfl. das Papier für die Druckerei nur beschafft, weil dieser die Beschaffung seinerzeit nicht ohne weiteres möglich war. Er hat, wie das FG ausführt, dabei auf die Herstellung der Zeitschriften keinen weiteren Einfluß genommen als dies bei den anderen vom Verlag herausgegebenen Zeitschriften der Fall war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Druckerei die volle Verfügungsmacht über das von dem Stpfl. gelieferte Papier erhalten. Dieser Beurteilung entsprechen auch die Behandlung des Papiers bei der Druckerei, die dieses als Wareneingang verbucht, inventarisiert und bilanziert habe. Die Papiermengenkontrolle habe nach den Zeugenaussagen im wesentlichen der Preiskontrolle gedient. Bei den nicht ganz klaren Angaben des früheren Mitinhabers der Druckerei habe es sich möglicherweise um ein Mißverständnis gehandelt. Hiernach konnte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß der Stpfl. das von ihm beschaffte Papier an die Druckerei geliefert und nicht beigestellt hat.

Dem Einwand des FA, daß die Druckerei auf das vom Stpfl. beschaffte Papier angewiesen gewesen sei und keine Möglichkeit gehabt habe, dieses Papier für andere Druckaufträge zu verwenden, kann unter den gegebenen Verhältnissen eine entscheidende Bedeutung nicht beigemessen werden. Es spricht zwar zunächst für die Annahme einer Materialbeistellung, wenn der herstellende Unternehmer das vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Material zur Herstellung des bestellten Gegenstandes verwendet. Im vorliegenden Fall hat das FG jedoch tatsächliche Feststellungen getroffen, die eindeutig für eine Lieferung sprechen. Die Annahme einer Lieferung schließt aber die Annahme einer Materialbeistellung aus. Das FG hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß der Stpfl. der Druckerei die unbeschränkte Verfügungsmacht über das Papier übertragen hat. Es genügt für die Annahme einer Lieferung, daß der Abnehmer die Möglichkeit erlangt, über den Stoff im eigenen Namen zu verfügen. Es kann deshalb nicht entscheidend darauf ankommen, daß die Druckerei das von dem Stpfl. beschaffte Papier im wesentlichen tatsächlich für die Herstellung der Zeitschriften des Stpfl. verwendet hat. Weitere Anhaltspunkte, die gegen die Annahme einer Lieferung sprechen, sind nicht festgestellt worden. Es kann insbesondere auch nicht gesagt werden, daß bei der Umstellung des Verfahrens im Jahre 1950 alles geblieben sei wie es vorher war. Nach den Feststellungen des FG und dem unbestrittenen Vorbringen des Stpfl. wurden die Geschäfte, soweit es sich um die Beschaffung des Papiers handelt, so abgewickelt, daß eine Lieferung des Papiers angenommen werden konnte.

Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Streitwertfestsetzung auf § 140 Abs. 3 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412303

BStBl III 1967, 158

BFHE 1967, 280

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