Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für Wohnungen und Wohnräume, die in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Juli 1953 bezugsfertig wurden und die erst auf Grund des § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 in den Kreis der begünstigten Wohnungen einbezogen wurden, beginnt der zehnjährige Vergünstigungszeitraum grundsätzlich am 1. April 1954.

Bei verspäteter Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung ist der Steuermeßbetrag auf den Beginn des Kalenderjahres neu zu veranlagen, in dem die Vergünstigung geltend gemacht wird. Ist auf diesen Stichtag eine Neuveranlagung bereits unanfechtbar durchgeführt worden, so kann die Neuveranlagung zum Zwecke der Gewährung der Grundsteuervergünstigung nur auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres vorgenommen werden.

Die Grundsteuervergünstigung nach § 7 des I. WoBauG ist grundsätzlich beim Finanzamt geltend zu machen.

 

Normenkette

WoBauG §§ 7, 50/1

 

Tatbestand

Streitig ist, von welchem Zeitpunkte ab die Grundsteuervergünstigung für das Grundstück des Bg. gemäß § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (I. WoBauG) in der Fassung vom 25. August 1953, BGBl 1953 I S. 1047, zu gewähren ist.

Der Bg. errichtete auf eigenem Grund und Boden ein Einfamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 135,3 qm, das im Jahre 1952 bezugsfertig wurde. Dementsprechend wurde durch Bescheid vom 29. März 1954 der Einheitswert für das bisher unbebaute Grundstück auf den 1. Januar 1953 fortgeschrieben und der Meßbetrag festgesetzt. Eine Grundsteuervergünstigung war nicht geltend gemacht worden. Mit Schreiben vom 29. März 1957 übersandte die Stadtgemeinde dem Finanzamt eine Bescheinigung über "Grundsteuervergünstigung für öffentlich geförderten Wohnraum". Darin wurde gemäß § 18 der Verordnung über die Miethöhe für neugeschaffenen Wohnraum (Mietenverordnung) vom 20. November 1950 (BGBl 1950 I S. 759) bestätigt, daß für das Bauvorhaben des Bg. die Voraussetzungen des § 7 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 (a. a. O.) in vollem Umfange vorliegen. In dem Schreiben der Stadtgemeinde wurde mitgeteilt, der Bg. habe den Antrag auf Grundsteuervergünstigung bei ihr im Sommer 1956 gestellt. In einem weiteren Schreiben der Stadt wurde allerdings auf Anfrage des Finanzamts als Zeitpunkt der Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung der 13. Januar 1956 angegeben. Das Finanzamt hat nunmehr die Grundsteuervergünstigung durch Fortschreibung des Steuermeßbetrages für die Zeit vom 1. April 1957 bis zum 31. März 1963 unter Ausschluß der Garage gewährt. Mit dem Einsprüche erstrebte der Bg., die Vergünstigung spätestens ab 1. April 1956 zu erhalten. Durch Einspruchsentscheidung wurde die Grundsteuervergünstigung auf die zur Wohnung gehörige Garage ausgedehnt, im übrigen aber der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Berufung wurden die Einspruchsentscheidung und der Bescheid über die Fortschreibungsveranlagung des Steuermeßbetrages dahin abgeändert, daß die Grundsteuervergünstigung für die Zeit vom 1. April 1956 bis zum 31. März 1964 unter Einbeziehung der Garage gewährt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte unter anderem aus: Ursprünglich sei die Grundsteuervergünstigung von der Einhaltung bestimmter Wohnflächengrenzen abhängig gewesen. Diese Begrenzung sei durch die Novelle vom 25. August 1953 (BGBl 1953 I S. 1037) für öffentlich geförderte Wohnungen beseitigt worden. Diese änderung sei auch für die in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Juli 1953 bezugsfertig gewordenen Wohnungen und Wohnräume maßgebend. Die Ausdehnung der Grundsteuervergünstigung auf bereits in der Vergangenheit bezugsfertig gewordene Wohnungen bedeute keine Rückwirkung in der Weise, daß die Vergünstigung nachträglich für abgelaufene Jahre zu gewähren sei. Die Vergünstigung beginne vielmehr grundsätzlich mit dem 1. April 1954 und ende am 31. März 1964; so auch Abschn. 27 Abs. 2 der Verwaltungsanordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sowie über die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz des Bundes (VA-II. WoBauG) vom 20. April 1957 (BStBl 1957 I S. 212). Im Streitfalle habe es der Bg. versäumt, bei der ersten Veranlagung des Grundsteuermeßbetrages nach Bezugsfertigkeit der Wohnung die Vergünstigung geltend zu machen. Deshalb könne sie nach dem Urteile des Bundesfinanzhofs III 80/55 U vom 1. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 269, Slg. Bd. 61 S. 184) nur noch für den Rest des Vergünstigungszeitraumes gewährt werden. Die Frage, wann in diesen Fällen der verkürzte Vergünstigungszeitraum beginne, sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt worden. Deshalb seien hierfür die allgemeinen Verfahrensvorschriften maßgebend, das heißt, es sei wegen der engen Koppelung des Grundsteuermeßbetragsverfahrens mit dem Einheitswertverfahren auch die Vorschrift des § 225 a AO über das Fortschreibungsverfahren anzuwenden. Der Antrag des Bg. sei der Sache nach als ein Fortschreibungsantrag nach § 225 a AO aufzufassen. Die Vergünstigung sei zwar bei der Stadt, also bei einer unzuständigen Stelle geltend gemacht worden. Dem Bg. könne aber nicht zur Last fallen, daß die Stadt den Antrag erst so spät an das Finanzamt weitergeleitet habe. Der im Januar 1956 bei der Stadt gestellte Antrag könne somit nach § 225 a AO eine Fortschreibungsveranlagung des Meßbetrages auf den 1. Januar 1956 bewirken. Der in Abschn. 27 Abs. 1 der VA-II. WoBauG vertretenen Auffassung, bei verspäteter Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung beginne diese vom 1. April des auf die Geltendmachung folgenden Kalenderjahres an, sei nicht zuzustimmen.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wendet sich gegen den Beginn der Grundsteuervergünstigung bereits am 1. April 1956. Abschn. 27 Abs. 1 der VA-II. WoBauG gebe nur die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Urteile des Bundesfinanzhofs III 80/55 U vom 1. Juli 1955 (a. a. O.) wieder. Zwischen der Fortschreibung des Einheitswertes gemäß § 225 a AO und der Grundsteuerbefreiung nach dem WoBauG bestehe ein grundlegender Unterschied. Durch die Fortschreibung solle einer Wert- oder Artänderung Rechnung getragen werden, durch die Grundsteuervergünstigung dagegen solle die durch den Neubau erfolgte Werterhöhung bei der Festsetzung des Steuermeßbetrages unberücksichtigt bleiben. Das WoBauG hebe insoweit die Anwendung des § 225 a AO auf, was in § 92 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG - (BStBl 1956 I S. 388) klar zum Ausdrucke gekommen sei. Somit lasse sich nur aus dem WoBauG selbst entnehmen, von welchem Zeitpunkt ab bei verspäteter Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung diese zu gewähren sei. Hiernach wirke sich die Vergünstigung immer erst mit dem 1. April des dem Ereignis folgenden Kalenderjahres aus. Hinzuweisen sei auf § 9 des I. WoBauG und insbesondere auf § 110 Abs. 3 des II. WoBauG. Abgesehen hiervon müsse in jedem Falle die Vergünstigung für das Jahr 1956 versagt werden, weil für das Steuermeßbetragsverfahren nur das Finanzamt zuständig und der bei der Stadt im Jahre 1956 gestellte Antrag erst am 1. April 1957 beim Finanzamt eingegangen sei. Wenn das Finanzgericht die Vergünstigung schon für das Jahr 1956 zuerkannt habe, so habe es zu großzügig gehandelt. Dies widerspreche dem geltenden Recht.

Die Grundsteuervergünstigung sei aber auch nicht für das Jahr 1964 zu gewähren. Grundsätzlich sei für die unter § 50 Abs. 1 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 fallenden Wohnungen die Grundsteuervergünstigung vom 1. April 1954 bis zum 31. März 1964 zu gewähren. Der Bg. hätte aber die Vergünstigung schon für das Jahr 1953 beanspruchen können, weil der Einheitswertbescheid und der Steuermeßbetragsbescheid auf den 1. Januar 1953 im März 1954, also mehrere Monate nach Ergehen der Novelle zum I. WoBauG erlassen worden sei. Der Bg. habe sein Recht durch Einlegung eines Rechtsmittels wahren können.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. In übereinstimmung mit der Vorinstanz ist er der Auffassung, daß die Grundsteuervergünstigung in den Fällen, in denen diese erst auf Grund des § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 (a. a. O.) in Betracht komme, nicht rückwirkend gewährt werden könne. Mangels einer Bezugnahme in Art. II Abs. 1 des Gesetzes vom 25. August 1953 auf § 9 Abs. 1 des I. WoBauG könne der Vergünstigungszeitraum nur nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beginnen. In den angeführten Fällen beginne deshalb der Vergünstigungszeitraum grundsätzlich am 1. April 1954 und ende am 31. März 1964. Unabhängig hiervon sei aber die Frage zu beurteilen, von wann ab die Vergünstigung im Einzelfalle gewährt werden könne, wenn sie erst nachträglich geltend gemacht werde. Hierzu vertritt der Bundesminister der Finanzen in übereinstimmung mit Abschn. 14 Abs. 3 der VA-II. WoBauG die Auffassung, die Vergünstigung könne nur von dem auf die Antragstellung folgenden Rechnungsjahre an für den Rest der Laufzeit des Vergünstigungszeitraumes gewährt werden. Die Beschränkung der Vergünstigung auf die Restlaufzeit des Vergünstigungszeitraumes ergebe sich bereits aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs III 80/55 U vom 1. Juli 1955 (a. a. O.) und III 218/56 U vom 14. September 1956 (BStBl 1956 III S. 339, Slg. Bd. 63 S. 373). Die Vorschrift des § 225 a AO könne hier nicht entsprechend angewendet werden. Diese Vorschrift regele den Erlaß eines Bescheides über eine Fortschreibung des Einheitswertes. Die teilweise Befreiung eines Steuergegenstandes von der Grundsteuer setze nach der Systematik des GrStG und des Bewertungsrechtes eine Fortschreibung des der Veranlagung des Grundsteuermeßbetrages zugrunde zu legenden Einheitswertes voraus. Die Gewährung der Grundsteuervergünstigung erfolge jedoch ohne Rücksicht auf die im Bewertungsverfahren getroffenen Feststellungen, so daß die Bindung des Grundsteuermeßbetragsverfahrens an das Einheitswertverfahren aufgehoben sei. Daraus folge, daß hier die Anwendung aller Vorschriften, die sich auf die Feststellung des Einheitswertes im Bewertungsverfahren - mit sekundärer Auswirkung auf die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages - beziehen, ausgeschlossen sei. Dieser Grundsatz finde auch in § 92 Abs. 1 des II. WoBauG seinen Niederschlag. Somit könne die Frage des Beginns der Grundsteuervergünstigung bei verspäteter Geltendmachung nur nach den Vorschriften des I. WoBauG selbst beurteilt werden. In dieser Hinsicht sei darauf hinzuweisen, daß nach § 9 Abs. 2 des I. WoBauG bei vorzeitigem Wegfall der Voraussetzungen für die Vergünstigung diese mit dem Ablauf des Rechnungsjahres entfalle, in dem die Voraussetzungen ganz oder teilweise weggefallen seien. Der Wegfall der Voraussetzungen führe nach § 94 Abs. 2 des II. WoBauG zu einer Neuveranlagung des Steuermeßbetrages mit Wirkung vom Beginn des auf den Wegfall der Voraussetzungen folgenden Rechnungsjahres an. Dies müsse für die Vergünstigung nach dem I. WoBauG auch ohne eine solche positive Regelung gelten. Die Auswirkungen im Falle des nachträglichen Eintritts der formellen Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung könnten nicht anders behandelt werden. Die nachträgliche Geltendmachung führe damit zu ihrer Gewährung erst vom Beginn des auf die Antragstellung folgenden Kalenderjahres. Diese Auffassung entspreche der Regelung in § 110 Abs. 3 und 4 des II. WoBauG. Der Antrag des Bg. hätte deshalb zu einer Neuveranlagung erst auf den 1. Januar 1958 führen müssen mit der Folge, daß die Vergünstigung nur für die Zeit vom 1. April 1958 bis zum 31. März 1964 gewährt werden könne. Die Gewährung einer Vergünstigung für die Zeit vom 1. April 1956 bis zum 31. März 1957 komme auch nicht deshalb in Betracht, weil der Bg. am 13. Januar 1956 die Ausstellung einer Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 des I. WoBauG bei der Stadt beantragt habe. Von dem Antrage auf Erteilung einer solchen Bescheinigung sei der Antrag auf Gewährung der Vergünstigung zu unterscheiden. Ein solcher Antrag sei an das zuständige Finanzamt zu richten. Das Finanzamt habe von dem Antrage selbst durch dh. Mitteilung der Stadt vom 29. März 1957 Kenntnis erhalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

I. - Nach § 7 Abs. 2 des I. WoBauG vom 24. April 1950 (BGBl 1950 I S. 83) waren hinsichtlich der Grundsteuer nur Wohnungen begünstigt, deren Wohnfläche 80 qm nicht überstieg und für die bei einer Vermietung höchstens die Kostenmiete erhoben wurde. Diese Wohnfläche konnte unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einer Größe von 120 qm überschritten werden. Das vom Bg. im Jahre 1952 bezugsfertig erstellte Einfamilienhaus erfüllte diese Voraussetzungen nicht. Die Vorschriften des § 7 Abs. 2 des I. WoBauG über die begünstigten Wohnungen wurden jedoch durch das Gesetz zur änderung und Ergänzung des I. WoBauG vom 25. August 1953 (BGBl 1953 I S. 1037) geändert. Gleichzeitig wurde das I. WoBauG unter dem Datum vom 25. August 1953 (BGBl 1953 I S. 1047) neu gefaßt. Nach § 7 Abs. 2 des I. WoBauG n. F. wurden begünstigt: alle öffentlich geförderten Wohnungen, ferner andere Wohnungen, deren Wohnfläche 80 qm nicht überstieg. Diese Wohnflächengrenze konnte unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einer Größe von 120 qm überschritten werden. Handelte es sich um öffentlich geförderte Wohnungen, so waren diese ohne weiteres grundsteuerbegünstigt. Für die Gewährung der Vergünstigung genügte die Vorlage des Bewilligungsbescheides über die öffentlichen Mittel oder einer Bescheinigung, daß es sich um öffentlich geförderten Wohnraum handelt. Die Miete selbst hatte auf die Grundsteuervergünstigung unmittelbar keinen Einfluß mehr.

Die Vorschriften des § 7 Abs. 2 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 über die begünstigten Wohnungen gelten nach § 50 Abs. 1 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 auch für Wohnungen und Wohnräume, die in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Juli 1953 bezugsfertig geworden sind. Da es sich bei dem Einfamilienhaus des Bg. um eine öffentlich geförderte Wohnung handelt und die Wohnung im Jahre 1952 bezugsfertig wurde, war sie nunmehr nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 des I. WoBauG grundsteuerbegünstigt. Das Gesetz zur änderung und Ergänzung des I. WoBauG vom 25. August 1953 (a. a. O.) enthält keine Vorschrift darüber, wann der zehnjährige Vergünstigungszeitraum für diejenigen Wohnungen beginnt, die in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis zum 31. Juli 1953 erstellt und erst durch das änderungsgesetz in den Kreis der begünstigten Wohnungen einbezogen wurden. Wenn es sich hier auch um eine die Steuerpflichtigen begünstigende Vorschrift handelt, so kann sie mangels einer rückwirkenden Inkraftsetzung durch den Gesetzgeber grundsätzlich nur vom nächsten auf die Verkündung des änderungsgesetzes maßgebenden Stichtag, das heißt für die Veranlagung des Steuermeßbetrages auf den 1. Januar 1954 ab angewendet werden. Der Senat stimmt deshalb der Auffassung der Vorinstanz und des Bundesministers der Finanzen zu, daß der zehnjährige Vergünstigungszeitraum für die vorstehend aufgeführten Wohnungen am 1. April 1954 beginnt und am 31. März 1964 endet. Dieser Vergünstigungszeitraum kommt grundsätzlich auch für das Einfamilienhaus des Bg. in Betracht. Daran ändert entgegen der Auffassung des Bf. auch die Tatsache nichts, daß bei Ergehen des Grundsteuermeßbescheides im März 1954 das änderungsgesetz bereits mehrere Monate in Kraft war. Da das änderungsgesetz der Neufassung des § 7 Abs. 2 des I. WoBauG keine rückwirkende Kraft beilegte, hatte der Bg. keinen Rechtsanspruch darauf, daß ihm im Falle des Einspruchs gegen den Steuermeßbescheid die Vergünstigung bereits vom 1. April 1953 ab zu gewähren gewesen wäre.

II. - Der Bg. hätte in den vollen Genuß der zehnjährigen Grundsteuervergünstigung kommen können, wenn er dem Finanzamt gegenüber mindestens im Laufe der Jahre 1953 oder 1954 zu erkennen gegeben hätte, daß es sich bei der Wohnung in seinem Einfamilienhause um eine öffentlich geförderte Wohnung handele und er die Vergünstigung in Anspruch nehme. Er hat jedoch erst im Jahre 1956, und zwar bei der Stadtgemeinde, die Grundsteuervergünstigung, somit verspätet, geltend gemacht. Der Bundesfinanzhof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit der Frage befaßt, wie zu verfahren ist, wenn die Grundsteuervergünstigung nach den Wohnungsbaugesetzen bzw. die Grundsteuerfreiheit nach dem bayerischen Gesetz über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949 (GSW) - GVBl 1950 S. 30 - verspätet geltend gemacht wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs III 80/55 U vom 1. Juli 1955, a. a. O.; III 218/56 U vom 14. September 1956, a. a. O.; III 273/59 U vom 29. November 1962, BStBl 1963 III S. 152). Nach diesen Entscheidungen kann ein Steuerpflichtiger, wenn er versäumt hat, bei der ersten Veranlagung des Grundsteuermeßbetrages nach Bezugsfertigkeit einer Wohnung die Grundsteuervergünstigung geltend zu machen, das nur auf den Beginn eines folgenden Jahres nachholen. Die Grundsteuervergünstigung kann dann jedoch nur für den Rest des Vergünstigungszeitraumes gewährt werden. Durch diese Entscheidungen ist jedoch nicht die hier streitige Frage geklärt worden, ob bei verspäteter Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung die Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrages unter Berücksichtigung der Grundsteuervergünstigung auf den Beginn des Kalenderjahres durchzuführen ist, in dem die Vergünstigung geltend gemacht wurde, oder erst auf den Beginn des Kalenderjahres, das der Geltendmachung der Vergünstigung folgt. Bei den angeführten Entscheidungen wurde nämlich in dem einen Fall der Beginn der Vergünstigung auf einen bestimmten späteren Stichtag beantragt, in dem anderen Falle kam eine rückwirkende Rechtsänderung in Betracht, und in dem dritten Falle wurde außer der Fortschreibungsveranlagung nach dem Bezugsfertigwerden der Wohnungen eine weitere unanfechtbar gewordene Fortschreibungsveranlagung des Steuermeßbetrages auf einen späteren Stichtag vorgenommen. Der Bf. kann sich somit auf diese Entscheidungen, insbesondere auf die vom 1. Juli 1955 (a. a. O.) nicht berufen.

Das WoBauG selbst enthält keine Vorschrift über den Beginn der Vergünstigung, wenn diese verspätet geltend gemacht wird. Die in § 110 des II. WoBauG für Sonderfälle ergangenen überleitungsvorschriften bieten keine Rechtsgrundlage dafür, für den Streitfall entsprechend zu verfahren. Die Absätze 1 und 2 des § 110 des II. WoBauG betreffen Eigenheime, Kleinsiedlungen und Kaufeigenheime, die in der Zeit vom 31. Juli 1953 bis zum 30. Juni 1956 bezugsfertig geworden sind. Für diese Heime, die unter den Geltungsbereich des I. WoBauG fielen, konnte die Grundsteuervergünstigung nicht gewährt werden, wenn die Wohnflächengrenzen des § 7 Abs. 2 Buchst. b des I. WoBauG überschritten waren. Diese Heime waren aber auf Grund ausdrücklicher Vorschrift des § 110 Abs. 1 des II. WoBauG auf Antrag nach den Vorschriften des II. WoBauG als steuerbegünstigte Wohnungen anzuerkennen, wenn die in § 82 des II. WoBauG bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich der Wohnungsgröße im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit vorgelegen haben. § 110 Abs. 3 des II. WoBauG stellt klar, daß eine Grundsteuervergünstigung auch für Wohnheime in Betracht kommt. Dementsprechend wurde in dieser Vorschrift bestimmt, daß auch für Wohnheime, die nach dem 31. Dezember 1949 bis zum 30. Juni 1956 - Geltungsbereich des I. WoBauG - bezugsfertig wurden und für die bisher noch keine Grundsteuervergünstigung gewährt wurde, auf Antrag ebenfalls die Vergünstigung nach den Vorschriften des II. WoBauG auf die Dauer von zehn Jahren gewährt wird. In diesen Fällen des § 110 Abs. 1 bis 3 des II. WoBauG wurde die Vergünstigung für volle zehn Jahre gewährt, und zwar vom 1. April des Jahres an, das auf das Kalenderjahr folgte, in dem die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung ausgesprochen bzw. der Antrag gestellt wurde. § 110 Abs. 4 des II. WoBauG schaffte schließlich die Möglichkeit, den nach § 7 des I. WoBauG bereits unanfechtbar festgesetzten Meßbetrag auf Antrag neu zu veranlagen, wenn bei Festsetzung dieses Meßbetrages der Grundsatz der Erstarrung nicht so durchgeführt wurde, wie es § 92 des II. WoBauG vorschreibt. Die neue Veranlagung erfolgte nicht rückwirkend; sie war vielmehr mit Wirkung vom Beginn des auf die Antragstellung folgenden Rechnungsjahres an für den noch nicht abgelaufenen Teil des zehnjährigen Vergünstigungszeitraumes vorzunehmen. Diese angeführten Fälle betreffen sonach Sondertatbestände. Deshalb kann die hierfür getroffene gesetzliche Regelung über den Beginn der Vergünstigung bzw. die Neuveranlagung des Steuermeßbetrages nicht auf die hier zu entscheidende Frage übertragen werden.

Wenn schließlich der Bundesminister der Finanzen auf die Vorschriften des § 9 Abs. 2 des I. WoBauG und des § 94 Abs. 2 des II. WoBauG über die Neuveranlagung des Meßbetrages bei vorzeitigem Wegfall der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung hinweist, so können diese Vorschriften seine Auffassung nicht stützen. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Grundsteuerrechtes, daß bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung die Neuveranlagung des Meßbetrages auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres durchzuführen ist. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, daß bei verspäteter Geltendmachung einer Grundsteuervergünstigung diese ebenfalls nur durch eine Neuveranlagung des Meßbetrages auf den Beginn des Kalenderjahres erfolgen darf, das der Geltendmachung folgt.

Da somit weder die Wohnungsbaugesetze noch das GrStG eine ausdrückliche Regelung über den Beginn der Grundsteuervergünstigung bei ihrer verspäteten Geltendmachung enthalten, und eine Lösung sich auch nicht aus anderen Vorschriften der Wohnungsbaugesetze herleiten läßt, können nur die allgemeinen Grundsätze über die Neuveranlagung des Grundsteuermeßbetrages zur Entscheidung herangezogen werden. Das bedeutet, daß wegen der Verknüpfung der Veranlagung der Grundsteuermeßbeträge mit der Feststellung der Einheitswerte auch für das Grundsteuermeßbetragsverfahren die für das Einheitswertverfahren maßgebenden Vorschriften der AO entsprechend angewendet werden müssen. Für die Feststellung der Einheitswerte bestimmt § 225 a Abs. 2 AO, daß der Antrag auf Fortschreibung des Einheitswertes bis zum Ablauf des Jahres, auf dessen Beginn die neue Feststellung begehrt wird, gestellt werden kann. Diese Vorschrift muß mangels einer anderweitigen gesetzlichen Regelung auch für die streitige Frage angewendet werden. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil bei einer verspäteten Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung die sachlichen Voraussetzungen für ihre Gewährung bereits zu Beginn des Kalenderjahres vorgelegen haben, in dem die Vergünstigung geltend gemacht wird. Dieser Auffassung steht nicht, wie der Bundesminister der Finanzen glaubt, die Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG entgegen, wonach die Vorschriften der §§ 13 und 14 GrStG und des § 225 a AO insoweit nicht anzuwenden sind. § 92 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG und vor allem das Wort "insoweit" beziehen sich nur auf die Erstarrung des vor der Bezugsfertigkeit der Wohnungen maßgebend gewesenen Steuermeßbetrages, dagegen nicht auf die Frage des Beginnes einer Grundsteuervergünstigung. Durch § 92 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG ist also nur hinsichtlich der Höhe des Erstarrungsbetrages die Bindung des Steuermeßbetragsverfahrens an das Einheitswertverfahren während der Dauer des Vergünstigungszeitraumes aufgehoben. Nach allem ist somit bei verspäteter Geltendmachung der Grundsteuervergünstigung der Steuermeßbetrag auf den Beginn des Kalenderjahres neu zu veranlagen, in dem die Grundsteuervergünstigung geltend gemacht wird. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine Neuveranlagung auf diesen Stichtag bereits unanfechtbar durchgeführt wurde. In diesem Falle kann die Neuveranlagung nur auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres vorgenommen werden.

III. - Zu prüfen bleibt noch, wann die Grundsteuervergünstigung geltend gemacht wurde. Der Bg. hat die Vergünstigung am 13. Januar 1956 bei der Stadtgemeinde beantragt. Diese übersandte mit Schreiben vom 29. März 1957 dem Finanzamt die Bescheinigung, nach der für das Bauvorhaben des Bg. die Voraussetzungen des § 7 des I. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953 (a. a. O.) für die Grundsteuervergünstigung in vollem Umfange vorliegen. Das Finanzamt hat somit erst durch die Vorlage der Bescheinigung am 1. April 1957 Kenntnis davon erhalten, daß der Bg. die Vergünstigung in Anspruch nimmt. Die Wohnungsbaugesetze regeln nicht, bei welcher Stelle die Grundsteuervergünstigung geltend zu machen ist. Da jedoch die Vergünstigung im Steuermeßbetragsverfahren zu gewähren ist und der Steuermeßbetrag durch das Finanzamt festgesetzt wird, ist die Vergünstigung grundsätzlich auch beim Finanzamt geltend zu machen; denn das Finanzamt kann die Grundsteuervergünstigung bei Festsetzung des Steuermeßbetrages nur berücksichtigen, wenn es davon Kenntnis hat, daß sie in Anspruch genommen wird. Für den Streitfall muß aber berücksichtigt werden, daß der Bg. im Januar 1956 bei der Stadtgemeinde eindeutig erklärte, die Grundsteuervergünstigung in Anspruch zu nehmen und weiter um Ausstellung der Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung gebeten hat. Aus den Akten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, warum die Stadtgemeinde trotz der klaren Sach- und Rechtslage 14 Monate bis zur Ausstellung der Bescheinigung und ihrer Vorlage an das Finanzamt verstreichen ließ. Der Senat ist in übereinstimmung mit der Vorentscheidung der Auffassung, daß diese späte Vorlage beim Finanzamt dem Bg. nicht zum Nachteil gereichen kann. Da keine Gründe für die Verzögerung erkennbar sind, hätte normalerweise die Bescheinigung mindestens im Laufe des Jahres 1956 von der Stadtgemeinde übersandt werden können, so daß das Finanzamt auch im Jahre 1956 von der Geltendmachung Kenntnis erlangt hätte. Der Senat trägt bei der im Streitfalle gegebenen Sachlage keine Bedenken, die Grundsteuervergünstigung durch den Bg. als im Jahre 1956 geltend gemacht anzusehen.

Hiernach war die Grundsteuervergünstigung in übereinstimmung mit der Entscheidung der Vorinstanz für die Zeit vom 1. April 1956 bis zum 31. März 1964 zu gewähren und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410943

BStBl III 1963, 506

BFHE 1964, 507

BFHE 77, 507

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