Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, daß ein unter Nr. 2 der Vergünstigungsvorschrift fallender Körperbehinderter auf gesetzlichen Unterhalt angewiesen ist, rechtfertigt nicht ohne weiteres einen Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer.

 

Normenkette

KraftStG § 3 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Für den Beschwerdegegner (Bg.) ist seit 19. Oktober 1953 ein Personenkraftwagen zugelassen. Das Finanzamt erkannte an, daß der Bg. infolge einer Körperbehinderung (Gehunfähigkeit wegen spastischer Lähmung) zu seiner Fortbewegung auf das Halten eines Personenkraftwagens angewiesen ist, und stellte den Bg. bis zum 28. August 1956 von der Kraftfahrzeugsteuer frei.

Mit Schreiben vom 10. August 1956 beantragte der Vater des damals noch minderjährigen Bg. die weitere Freistellung des Bg. von der Steuer. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt durch Schreiben vom 10. August 1956 ab mit der Begründung, daß der Bg. noch in Berufsausbildung sei und vom Vater unterhalten werde. Solange Kinder nicht in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu bestreiten, seien für einen Erlaß nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1955 die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern maßgebend. Das veranlagte Einkommen des Vaters des Bg. habe im Jahre 1954 rund 50.000 DM, das erklärte Einkommen des Vaters habe im Jahre 1955 rund 96.000 DM betragen. Ein Erlaß sei im Streitfall nicht möglich, da die Einkommensgrenze, bis zu der ein teilweiser Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer noch gewährt werden könne, bei monatlich 950 DM liege.

Die Oberfinanzdirektion wies mit Entscheidung vom 8. Dezember 1956 die vom Bg. eingelegte Beschwerde als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht stellte in der angefochtenen Entscheidung den Bg. für die Zeit vom 29. August 1956 bis zum 28. August 1957 von der Kraftfahrzeugsteuer frei. Schon der Wortlaut des Gesetzes "die wirtschaftlichen Verhältnisse des Körperbehinderten" lasse eine Auslegung der Vorschrift dahingehend nicht zu, daß auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der dem Körperbehinderten gegenüber unterhaltspflichtigen Eltern zu berücksichtigen seien. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz stelle die Steuerpflicht auf die Person des Halters ab, folglich müßten in seiner Person und nicht bei mehreren Personen die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung gegeben sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.

Zuzustimmen ist allerdings dem Finanzgericht und dem Bg. darin, daß es bei der in der Vergünstigungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1955 vorgesehenen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Wortlaut dieser Vorschrift auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Körperbehinderten anzukommen hat. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Körperbehinderten aber gehört auch ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, den der Körperbehinderte gegenüber anderen Personen hat. Es liegt kein Grund vor, einen solchen Anspruch nicht ebenso zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Körperbehinderten zu rechnen wie einen sonstigen vermögensrechtlichen Anspruch. Gehört nun zu dem dem Körperbehinderten zustehenden Unterhalt die Zurverfügungstellung eines Personenkraftfahrzeugs einschließlich der zum Betrieb dieses Fahrzeugs erforderlichen Mittel, also auch der Kraftfahrzeugsteuer, dann ist für einen Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer, der nach der Vorschrift dem Körperbehinderten zugute kommen soll, kein Raum, da nicht der Körperbehinderte selbst, sondern ein anderer von der Kraftfahrzeugsteuer betroffen ist. Dahingestellt bleiben kann im Streitfall, ob es im Sinn der Vorschrift liegen würde, die Vergünstigung dann zu gewähren, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten ein steuerliches Entgegenkommen angezeigt erscheinen ließen. Denn im Streitfall könnte auch bei der gebotenen großzügigen Beurteilung und bei Berücksichtigung der vom Bg. geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen des Unterhaltsverpflichteten nicht anerkannt werden, daß dessen wirtschaftliche Verhältnisse einen ganzen oder teilweisen Erlaß der jährlich 173 DM betragenden Kraftfahrzeugsteuer gerechtfertigt erscheinen lassen.

Die Anwendbarkeit der Vergünstigungsvorschrift hängt im Streitfall also davon ab, ob dem Bg. das Personenkraftfahrzeug einschließlich der Mittel für das Halten und den Betrieb dieses Fahrzeugs vom Unterhaltsverpflichteten freiwillig oder in Erfüllung der Unterhaltspflicht zur Verfügung gestellt ist. Diese Prüfung ergibt, daß die Stellung des Kraftfahrzeuges unter übernahme der Betriebskosten einen Teil des Unterhalts bildet, auf den der Bg. Anspruch hat. Nach § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts "nach der Lebensstellung des Bedürftigen (standesmäßiger Unterhalt)", wobei der Unterhalt "den gesamten Lebensbedarf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Berufe" umfaßt. Daß Maß des Unterhalts bestimmt sich also nach dem gesamten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten entsprechend seiner Lebensstellung, also nicht etwa - abgesehen von der im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahme des § 1603 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - nach den Verhältnissen des Unterhaltsverpflichteten. Dabei richtet sich die Lebensstellung eines Kindes im allgemeinen nach der des Vaters. Zum Lebensbedarf des Bg. gehört nun nach seiner eigenen Angabe wegen der Körperbehinderung das Halten eines Kraftfahrzeuges. Dies wird nach den Akten auch nicht vom Vater des Bg. bestritten. Demgemäß hat der Bg. entgegen seiner Auffassung rechtlich gegenüber seinen Eltern den Anspruch auf die Zurverfügungstellung eines Kraftfahrzeuges und der Mittel, die zum Betrieb des Fahrzeuges erforderlich sind, also auch der Mittel zur Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer.

Nicht zugestimmt werden kann der Meinung des Bg., daß es bei besonderer Schwere der Körperbeschädigung, die im Streitfall ohne weiteres anzuerkennen ist, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Körperbehinderten nicht mehr entscheidend ankomme. Das ergibt sich aus der Vorschrift selbst, die die Berücksichtigung sowohl der Art und Schwere der Körperbehinderung als auch der wirtschaftlichen Verhältnisse des Körperbehinderten verlangt. Fehl geht ferner der vom Finanzgericht zur Begründung seiner Entscheidung u. a. gemachte Hinweis auf den Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen S 6124 - 20799/VC - 3 vom 25. März 1957 (Finanz-Rundschau 1957 S. 288), auf den sich auch der Bg. bezogen hatte. Das Finanzamt weist zutreffend darauf hin, daß dieser Erlaß lediglich bestimmt, daß die dort angeführten Umstände einer Vergünstigung nicht entgegenstünden, daß dadurch aber nicht die Prüfung entfällt, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse einen Steuererlaß auch rechtfertigen.

Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts, die nach Ausschöpfung der nach § 237 der Reichsabgabenordnung zulässigen Rechtsbehelfe bei den Verwaltungsbehörden ergangen ist, als unbegründet zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts in seiner vorhergehenden Entscheidung vom 13. Februar 1957 brauchte übrigens die Einspruchsentscheidung nicht zu ergehen, da es sich bei der Entscheidung über die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1955 letztlich um eine Ermessensentscheidung handelt, für deren verfahrensmäßige Behandlung die im Gutachten des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Bundessteuerblatt 1951 III S. 107, Slg. Bd. 55 S. 277) aufgestellten Grundsätze gelten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409154

BStBl III 1958, 403

BFHE 1959, 334

BFHE 67, 334

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