Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verfügung des Finanzamts, mit der die Leistung des Offenbarungseides gefordert wird, ist eine Ermessensentscheidung.

Zur Frage, ob die Grundsätze von § 2 Absätze 1 und 2 StAnpG beachtet sind.

 

Normenkette

AO § 325/3, §§ 325, 332/1, § 332/2; StAnpG § 2/1; StAnpG § 2/2; AO § 325/2

 

Tatbestand

Nach dem Stande vom 19. Oktober 1951 schuldet der Beschwerdeführer (Bf.) an Steuern und Nebenleistungen 4.567,81 DM, die überwiegend aus den Jahren 1944 und 1945 stammen. Mehrere Pfändungsversuche sind ergebnislos geblieben. Der Bf. ist wiederholt zur Leistung des Offenbarungseides vorgeladen worden und zwar vom Finanzamt siebenmal, vom Arbeitsgericht dreimal. Zur Abnahme des Eides ist es jedoch nicht gekommen, weil der Bf. entweder Ratenzahlungsvorschläge machte oder infolge Krankheit nicht zu den Terminen erschienen ist. Er hat lediglich unter dem 18. Mai 1950 und 24. August 1951 Vermögensverzeichnisse vorgelegt. Da alle Zahlungsvorschläge nicht eingehalten wurden, hat das Finanzamt durch Verfügung vom 4. September 1951 den Bf. abermals zur Leistung des Eides vorgeladen.

In der hiergegen eingelegten Beschwerde bestritt der Bf. weder die Richtigkeit der Steuerrückstände noch die Nichteinhaltung der Zahlungsversprechen und auch nicht das Recht des Finanzamts, an sich den Offenbarungseid zu verlangen. Er hält aber letzteres für eine unbillige Härte, weil keine Anhaltspunkte vorhanden seien, die Vollständigkeit des Vermögensverzeichnisses zu bezweifeln, so daß durch die Abnahme des Eides ein Vollstreckungserfolg nicht erzielt werde; andererseits führe aber die Eidesleistung zu einem nicht wieder gutzumachenden Schaden. Daß die wiederholten Zahlungsversprechen nicht eingehalten worden seien. liege an der allgemeinen Wirtschaftslage. Es sei deshalb zu erwägen, ob das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers oder das des Steuerpflichtigen (Stpfl.) angesichts seiner nach wie vor vorhandenen Zahlungswilligkeit überwiege.

Gegenüber der erfolglos gebliebenen Beschwerde wendet sich der Bf. in der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen die Ausführungen des Finanzgerichts, mit denen dieses - nach Auffassung des Bf. ohne erkennbare tatsächliche Unterlagen - die Forderung des Finanzamts bestätige; das gelte vor allem für die Annahme, die Zahlungsversprechen seien nicht ernst gemeint, es sollte damit nur Zeit gewonnen werden; der Bf. gehöre zu denen, die das Entgegenkommen der Finanzbehörden nicht richtig zu würdigen wissen, und für die Unterstellung, die Einreichung des Vermögensverzeichnisses hinausgeschoben zu haben, um Vermögenswerte, die bei rechtzeitiger Vorlage des Verzeichnisses anzugeben gewesen wären, dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen; auch das gegen die Krankheit, durch die in einer Reihe von Fällen eine Terminverlegung veranlaßt worden sei, geäußerte Mißtrauen sei angesichts der vorgelegten ärztlichen Zeugnisse ungerechtfertigt.

 

Entscheidungsgründe

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Begründung der Vorentscheidung in allen Punkten zu folgen ist, im Ergebnis muß der Rb. der Erfolg versagt bleiben.

Finanzgericht und Bf. gehen zutreffend davon aus, daß es sich, da die Berechtigung des Finanzamts auf Leistung des Offenbarungseides nach § 325 Absatz 3 Satz 3 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht bestritten ist, bei der zu treffenden Entscheidung, ob das Finanzamt von seinem Recht auf Leistung des Offenbarungseides zu Recht Gebrauch mache, um eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 2 Absätze 1 und 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) handelt. Das Verlangen ist daher nur berechtigt, wenn kein Ermessensmißbrauch vorliegt. Bei der diffamierenden Wirkung der Eidesleistung (Eintragung in das von jedermann einzusehende Schuldnerverzeichnis für fünf Jahre) sowie der dadurch in der Regel bewirkten Kreditbeeinträchtigung und der Erschütterung der wirtschaftlichen Existenz müssen die Gläubiger- und Schuldnerinteressen besonders sorgfältig abgewogen werden, wobei nicht außer acht gelassen werden darf, daß die Finanzbehörde nicht wie ein Privatgläubiger eigene, sondern die Allgemeinheit angehende Interessen zu vertreten hat. Bei den anzuwendenden Grundsätzen von Recht und Billigkeit muß dem steuerlichen Verhalten des Bf. maßgebliche Bedeutung beigemessen werden. In dieser Beziehung beruft sich dieser nur auf seine wiederholt zum Ausdruck gebrachte Zahlungswilligkeit. Er hat aber, abgesehen von dem am 3. Oktober 1951 gezahlten Betrag von 50 DM, zur Tilgung der zugestandenermaßen großen und immer größer werdenden Steuerrückstände nicht nur nichts unternommen, er hat vor allem der Finanzbehörde bisher nicht einmal den notwendigen Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse verschafft. Wenn daher das Finanzgericht an der Ernstlichkeit der Zahlungsversprechen Zweifel geäußert hat, so kann das bei der negativen Einstellung des Bf. zu den steuerlichen Angelegenheiten nicht beanstandet werden. Der Hinweis auf die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ist solange belanglos, als eine Feststellung der tatsächlichen persönlichen Verhältnisse des Bf. nicht vorliegt und von diesen nicht ermöglicht wird. Das Finanzamt hat unwidersprochen vorgetragen, daß der Bf. nicht nur seine Zahlungsvorschläge nicht eingehalten hat, es sei auch unbekannt, wovon der Bf. seinen Lebensunterhalt bestreite; es stehe nicht einmal fest, als was er sich betätige (anscheinend als Handelsmakler). Wegen Fehlens irgendwelcher konkreter Angaben ist auch die Nachprüfung seiner Behauptung, er wolle sich an einem größeren, noch auszubauendem Unternehmen fundierte Einkommensverhältnisse schaffen, nicht möglich. Solange aber, als der Bf. selbst nicht dazu beiträgt, daß die Finanzbehörde einen einwandfreien überblick über seine wirklich bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse erhält, kann es nicht als ungerecht bezeichnet werden, wenn seinen Angaben in dem Vermögensverzeichnis nicht unbedingt geglaubt wird. Den Ausführungen des Finanzgerichts, daß es dann unbillig wäre, auf der Leistung des Offenbarungseides zu bestehen, wenn nach der Persönlichkeit des Vollstreckungsschuldners eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Vollständigkeit des Verzeichnisses spreche, kann nur beigetreten werden. Wenn die Vorinstanz aus dem bisherigen Verhalten des Bf. - dauernd nicht eingehaltene Zahlungsversprechen - und der mit allen Mitteln - mögen sie auch in einzelnen Fällen formell zulässig gewesen sein - verfolgten Absicht, die Leistung des Offenbarungseides zu verzögern, sowie den völlig unübersichtlichen steuerlichen Verhältnissen die überzeugung erhalten hat, daß gegen die Vollständigkeit des Vermögensverzeichnisses Bedenken bestehen, so können gegen diese Auffassung berechtigte Einwände nicht erhoben werden. Der Bf. muß, wenn er die von ihm erkannte und von der Vorentscheidung zutreffend gewürdigte Auswirkung der Eidesleistung vermeiden will, in erster Linie selbst dafür sorgen, daß klare steuerliche Verhältnisse geschaffen werden; dazu genügt nicht nur Zahlungsbereitschaft, sondern Offenbarung der gesamten Lebensverhältnisse, soweit sie für eine objektive steuerliche Beurteilung notwendig sind. Sein Vortrag, er habe sich gegen die wiederholten Ladungen zum Offenbarungseide mit allen zulässigen Rechtsbehelfen gewandt, läßt erkennen, daß er aus formalen Gründen zu einer Aufklärung nicht bereit ist; es ist irrig, wenn er annimmt, daß das nicht zu seinen Ungunsten ausgewertet werden dürfe. Wer erkennbar dauernd unter Inanspruchnahme formell zulässiger Rechtsbehelfe die Aufklärung seiner steuerlichen Verhältnisse zu verzögern oder zu umgehen versucht, darf sich nicht wundern, wenn die Finanzbehörden daraus in Bezug auf die Charakterisierung der Persönlichkeit eine negative Einstellung einnehmen. Ebenso ist die Darstellung des Bf., die Tatsache der Nichteinhaltung gegebener Zahlungsversprechen sei erst dann belastend, wenn Tatsachen vorlägen, nach denen der Schuldner zur Einhaltung der Versprechung in der Lage gewesen sei, nur dann zutreffend, wenn der Schuldner dem Gläubiger die Möglichkeit gibt, festzustellen, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich so liegen. Daran fehlt es aber. Der Bf. läßt diese Verhältnisse im Dunkeln, fordert aber vom Gläubiger die Anerkennung seiner ungeprüften Behauptungen. Ist das bereits bei bürgerlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen nicht zumutbar, so gilt das noch weniger bei öffentlich-rechtlichen Belangen. Angesichts der völlig unklaren steuerlichen Verhältnisse des Bf. kann auch seiner Behauptung, durch die Eidesleistung werde ein Vollstreckungserfolg nicht erzielt werden, kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden.

Die Forderung des Finanzamts auf Leistung des Offenbarungseides stellt daher keinen Ermessensmißbrauch dar, das Vorgehen der Behörde steht vielmehr mit den Grundsätzen für Recht und Billigkeit im Einklang.

Die Rb. muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407374

BStBl III 1952, 92

BFHE 1953, 233

BFHE 56, 233

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