Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsleistungen an Bewohner der DDR

 

Leitsatz (NV)

Macht der Steuerpflichtige bei Unterhaltsleistungen an Bewohner der DDR, bei denen die Bedürftigkeit in der Regel zu unterstellen ist (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1986 III R 255/83, BFHE 148, 476, BStBl II 1987, 238), lediglich die Pauschbeträge für Pakete bzw. Päckchen geltend, ist aus Pauschalierungsgründen ausnahmsweise der Unterhaltscharakter der Aufwendungen nicht zu prüfen.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte für das Streitjahr 1981, Bargeldzahlungen an seine Mutter und seine Schwiegereltern in Höhe von 8 800 DM sowie Pauschbeträge für 80 Paket- (bzw. Päckchen-)Sendungen von insgesamt 3 190 DM an Mutter, Schwiegereltern und andere Personen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Sämtliche Personen lebten im Streitjahr in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) oder Berlin (Ost). Mutter und Schwiegereltern waren Rentner. Zum Nachweis der Bargeldzuwendungen legte der Kläger schriftliche Bestätigungen der Empfänger mit Erklärungen vor, daß die Geldbeträge zum Kauf von Lebensmitteln, Kleidung und Wirtschaftsartikeln verwendet würden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid von den geltend gemachten Aufwendungen lediglich 1 650 DM für 39 Pakete und drei Päckchen, im Einspruchsverfahren dann 3 170 DM für Pakete und Päckchen und 1 200 DM der Barzuwendungen als außergewöhnliche Belastung.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger die Anerkennung weiterer 7 600 DM als außergewöhnliche Belastung beantragt hatte, als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 403).

Mit seiner vom FG wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die ein Anspruch auf Kindergeld nicht besteht, sind unter weiteren Voraussetzungen in bestimmter Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen (§ 33 a Abs. 1 EStG). Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 a Abs. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 EStG). Eine Unterhaltsleistung ist grundsätzlich nur notwendig, wenn die unterhaltene Person unterhaltsbedürftig ist (Urteile in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453; vom 10. Juli 1982 VI R 132/80, BFHE 134, 25, BStBl II 1982, 21). Die Bedürftigkeit des Zahlungsempfängers (vgl. § 33 a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG) hat der Steuerpflichtige nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (Urteile in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453; vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338).

2. Der VI. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453 (ebenso im Urteil vom 9. Dezember 1983 VI R 196/81, BFHE 140, 230, BStBl II 1984, 309) entschieden, bei Unterhaltsleistungen an Bewohner der DDR sei die Bedürftigkeit der Empfänger in der Regel zu unterstellen. Dieser Rechtsprechung, die die von der Finanzverwaltung bisher vertretene Rechtsauffassung bestätigt hat (nunmehr gleichlautender Ländererlaß vom 1. April 1985 in BStBl I 1985, 202), haben sich der IX. Senat in seinem Urteil vom 16. Juli 1985 IX R 1/78 (BFH/NV 1985, 33) und überwiegend auch das Schrifttum (z. B. Richter, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 11; Erhard, Der Betrieb - DB - 1984, 1319; Nissen, Rechtsund Wirtschaftspraxis - RWP -, Aktuelle Information Steuerrecht, Sg. 1.3., 661 - Anmerkung; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 10; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 33 a Anm. 35; Frost in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 35) angeschlossen. In seiner Entscheidung in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453 hat sich der VI. Senat bereits eingehend und überzeugend mit den von der Gegenmeinung (vgl. insbesondere Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 33 a Anm. 2 e; Rössler, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1983, 482) vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt. Da sich seit dieser Grundsatzentscheidung die tatsächlichen Verhältnisse nicht grundlegend verändert und neue zusätzliche Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, nicht ergeben haben, schließt sich der erkennende Senat der vom VI. Senat vertretenen Rechtsauffassung an.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsmeinung ausgegangen. Da im Streitfall keine Anhaltspunkte für einen außergewöhnlichen Fall ersichtlich sind, hätte es nach den vorstehenden Ausführungen die Bedürftigkeit der Empfangspersonen unterstellen müssen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, so daß sie gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen ist.

Das FG wird insbesondere Feststellungen zu treffen haben, nach denen beurteilt werden kann, ob der Kläger die angegebenen Beträge tatsächlich gezahlt hat. Entgegen der Auffassung des FA ist bei Barzahlungen die Verwendung des Geldes regelmäßig nicht entscheidend; eine Prüfung, ob die Aufwendungen Unterhaltscharakter haben (Hinweis auf Urteil in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453 m.w.N.), hat allerdings zu erfolgen, wenn Wirtschaftsgüter hingegeben werden (insoweit ebenso: FG Berlin, Urteil vom 11. Juni 1980 VI 332/79 - rechtskräftig -, EFG 1981, 22). Die Prüfung des Unterhaltscharakters der Aufwendungen hält indes der erkennende Senat aus Pauschalierungsgründen ausnahmsweise für entbehrlich, wenn der Kläger lediglich die Pauschbeträge von 40 DM für Pakete bzw. 30 DM für Päckchen geltend macht (zu diesen Pauschbeträgen vgl. Urteil in BFHE 140, 230, BStBl II 1984, 309).

Kommt das FG zu einer Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung, wird es zu überprüfen haben, ob es sich bei den durch die Paketsendungen unterstützten Personen um Verwandte, Freunde oder Bekannte gehandelt hat. Bei Freunden und Bekannten ist die Unterstützung nur zwangsläufig, wenn sich der Kläger ihnen aus besonderen Gründen sittlich verpflichtet fühlen konnte (Hinweis auf Urteil in BFHE 138, 343, BStBl II 1983, 453).

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 569

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