Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine Obergesellschaft vertraglich verpflichtet, den Jahresverlust einer Untergesellschaft zu übernehmen, so kann sie wegen des im laufenden Geschäftsjahr der Untergesellschaft zu erwartenden Jahresverlustes eine angemessene Rückstellung bilden.

 

Normenkette

KStG § 6; EStG §§ 4-5, 6/2

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), eine KG, ist Obergesellschaft der am 5. Januar 1952 gegründeten X-GmbH (abgekürzt: GmbH). Das Organverhältnis und der Ergebnisausschlußvertrag sind unstreitig. Die Bgin. hat ein Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September; die GmbH hat als Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr. Die GmbH wies zum 31. Dezember 1952 einen Verlust von 89 014 DM aus. Die Bgin. bildete wegen des drohenden Verlustes der GmbH, den sie zu übernehmen hatte, in ihrer Bilanz vom 30. September 1952 eine Rückstellung von 60 000 DM. Das Finanzamt erkannte diese Rückstellung nicht an.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es führte im wesentlichen aus: Nach Abschnitt 30 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1950 sei ein Gewinn des Organs der Obergesellschaft für das Wirtschaftsjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr des Organs ende. Diese Verwaltungsanweisung entspreche dem Rechtsgrundsatz, daß nicht verwirklichte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürften. Sie betreffe aber nicht, wie das Finanzamt meine, auch Verluste. Die Bgin. habe am Bilanzstichtag (30. September 1952) erkennen können, daß die GmbH zum 31. Dezember 1952 mit Verlust abschließen würde; zumindest habe sie das gewußt, als sie im Januar 1953 ihre Bilanz zum 30. September 1952 aufstellte. Sie würde gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und den handelsrechtlichen Grundsatz des Gläubigerschutzes verstoßen haben, wenn sie den drohenden erkennbaren Verlust der GmbH, den sie auf Grund des Ergebnisausschlußvertrags zu übernehmen hatte, nicht bereits in ihrer Bilanz vom 30. September 1952 durch eine Rückstellung berücksichtigt hätte. Die Auffassung des Finanzamts, daß zwischen einer Ober- und Untergesellschaft keine schuldrechtlichen Beziehungen bestünden, sei unrichtig. Die Rückstellung von 60 000 DM sei angemessen.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, Abschn. 30 Abs. 2 KStR 1950 müsse auf Verluste sinngemäß angewendet werden. Die Vorentscheidung führe zu dem Ergebnis, daß sich in der Bilanz der Bgin. vom 30. September 1952 der Gewinn, den die GmbH 1951 erzielt habe, und ein Teil des Verlustes, den sie 1952 erlitten habe, auswirkten; Gewinn und Verlust der Untergesellschaft würden also miteinander saldiert. Das verstoße gegen die Grundsätze der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit. Am 30. September 1952 habe auch eine Verpflichtung der Bgin., den Verlust der GmbH zu übernehmen, noch nicht bestanden; denn erst, wenn der Abschluß der Untergesellschaft vorliege, entscheide sich, ob sie zur Abführung eines Gewinns oder die Obergesellschaft zur Abdeckung eines Verlustes verpflichtet sei. Es sei auch zweifelhaft, ob man eine Verpflichtung gegenüber einem Organ zur Verlustübernahme wie andere Verbindlichkeiten behandeln könne. Keinesfalls hätte die Rückstellung in Höhe von 60 000 DM gebildet werden können; denn der Ergebnisausschlußvertrag könne sich nur auf das volle Geschäftsergebnis, nicht aber auf einen Teil richten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Finanzgericht den Ergebnisausschlußvertrag zwischen Organgesellschaften als schuldrechtlichen Vertrag angesehen. Grundlage der steuerlichen Beurteilung von Organverhältnissen ist das, was die beteiligten Unternehmen im Rahmen der Gesetze wirksam vereinbart und durchgeführt haben (Urteil des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 489, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 187). Der Ergebnisausschlußvertrag ist ein auf längere Zeit geschlossener handelsrechtlicher Vertrag, der darauf gerichtet ist, daß die Obergesellschaft während der Vertragsdauer entstehende Jahresverluste der Untergesellschaft zu übernehmen hat, während die Untergesellschaft verpflichtet ist, ihre Jahresgewinne auf die Obergesellschaft zu übertragen. Die durch einen solchen Vertrag geschaffene Rechtslage ist für die Besteuerung maßgebend (Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/56 S vom 27. November 1956 - unter A 1 -, Slg. Bd. 64 S. 368, BStBl 1957 III S. 139). Der Ergebnisausschlußvertrag ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts zu beurteilen, wie in Abschn. 30 Abs. 1 KStR 1951 zutreffend ausgeführt wird. Dem entspricht es, wenn nach Abschn. 30 Abs. 2 KStR 1951 der von der Untergesellschaft abzuführende Gewinn bei der Obergesellschaft dem Gewinn des Wirtschaftsjahrs zuzurechnen ist, in dem das Wirtschaftsjahr der Untergesellschaft endet. Eine frühere Erfassung des Gewinns der Untergesellschaft würde gegen das handels- und steuerrechtliche Verbot verstoßen, nicht verwirklichte Gewinne auszuweisen. Die Auffassung des Finanzamts, daß die Obergesellschaft dementsprechend auch Verluste der Untergesellschaft erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Untergesellschaft berücksichtigen dürfe, hat das Finanzgericht zutreffend als mit den einkommensteuerlichen Grundsätzen unvereinbar zurückgewiesen. Der Ergebnisausschlußvertrag ist ein sogenanntes schwebendes Geschäft, das im allgemeinen nicht bilanziert zu werden braucht. Voraussehbare drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind aber in der Bilanz durch eine Rückstellung auszuweisen, weil der Kaufmann nach Handelsrecht und Steuerrecht verpflichtet ist, im Interesse der Bilanzwahrheit nicht verwirklichte, aber wahrscheinlich eintretende Verluste aus schwebenden Geschäften darzustellen (Urteile des Bundesfinanzhofs I 118/55 U vom 3. Juli 1956 - Slg. Bd. 63 S. 133, BStBl 1956 III S. 248 -, IV 566/54 U vom 26. Januar 1956 - Slg. Bd. 62 S. 305, BStBl 1956 III S. 113 -). Es würde den Gläubigerschutz gefährden, wenn eine Gesellschaft die klar vorausgesehenen Risiken aus der übernahme von Verlusten einer Untergesellschaft nicht ausweisen würde. Die bloße Möglichkeit eines künftigen Verlustes rechtfertigt allerdings keine Rückstellung; es müssen vielmehr am Bilanzstichtag künftige Ereignisse voraussehbar sein, die geeignet sind, den späteren Gewinn des Betriebs zu mindern (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 281/41 vom 22. Oktober 1941, Reichssteuerblatt - RStBl - 1941 S. 894). Diese Voraussetzungen konnte das Finanzgericht im Streitfall auf Grund seiner Feststellungen hinsichtlich des als sicher zu erwartenden Verlustes der Untergesellschaft ohne Rechtsirrtum als erfüllt ansehen.

Der Einwand des Finanzamts, die Bgin. habe ihre Gewinne und Verluste aus der Untergesellschaft in unzulässiger Weise saldiert, trifft nicht zu. Die Untergesellschaft ist erst im Jahre 1952, für das sie Verlust auswies, gegründet worden, hat also auf Grund des Ergebnisausschlußvertrags noch keinen Gewinn an die Bgin. abgeführt. Im übrigen wäre es rechtlich unbedenklich, daß eine Obergesellschaft den von der Untergesellschaft für deren abgelaufenes Geschäftsjahr abgeführten Gewinn ausweist und im gleichen Jahr wegen des im laufenden Geschäftsjahr der Untergesellschaft zu erwartenden Verlustes eine Rückstellung bildet.

Der Höhe nach muß die Rückstellung geschätzt werden. Die Bgin. hat nach den Verhältnissen ihres Bilanzstichtags (30. September 1952) den auf Grund des Ergebnisausschlußvertrags steuerlich zu übernehmenden Verlust der Untergesellschaft auf 60 000 DM geschätzt. Das Finanzgericht konnte ohne Rechtsverstoß diese Schätzung für angemessen halten. Es liegt nicht, wie das Finanzamt meint, eine unzulässige Teilübernahme des Verlustes der Untergesellschaft vor. Die Verlustübernahme geschieht vertraglich und steuerlich erst, wenn der Abschluß der Untergesellschaft vorliegt. Die Bgin. hat bilanzmäßig nur durch Rückstellung den drohenden und künftig von ihr zu übernehmenden steuerlichen Verlust berücksichtigt und hat ihn im Rahmen ihres kaufmännischen Ermessens auf 60 000 DM geschätzt. Wenn der Verlust tatsächlich später höher war, so brauchte die Bgin. deswegen die Rückstellung nicht zu erhöhen.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 24

BFHE 1958, 57

BFHE 66, 57

BB 1958, 332

DB 1958, 124

StRK, KStG:6/1/2 R 32

FR 1958, 492

NWB, F. 4 S.242 Nr. 18

BFH-N, (K) Nr. 1850

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