Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Umsatzbesteuerung eines Apothekers, der im Haus seiner Frau eine Arztpraxis einrichtet

 

Leitsatz (NV)

1. Baut ein Apotheker Räume in einem fremden Haus um, damit sie der Hauseigentümer einem Arzt als Praxisräume ver mietet und so der eigene Apothekenbetrieb gefördert wird, hat er die ihm in Rechnung gestellten Bauleistungen für sein Unternehmen (Apotheke) bezogen, so daß ihm hierfür auch der Vorsteuerabzug zusteht.

2. In diesem Fall liegt zwischen dem Apotheker und dem Hauseigentümer ein Lei stungsaustausch (Umbau gegen Förderung der Apotheke) vor, der nach den Grundsätzen zu besteuern ist, die für tauschähnliche Umsätze gelten.

3. Dem muß nicht entgegenstehen, daß der Apotheker die Bauaufwendungen deshalb nicht als Betriebsausgaben abziehen kann, weil das umgebaute Haus seiner Ehefrau gehört und er die Bauaufträge zugunsten eines fremden Hauseigentümers nicht erteilt hätte.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1, § 15 Abs. 1; EStG § 12 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte in einem seiner Ehefrau (E) gehörenden Haus Räume zum Betrieb einer Apotheke gemietet.

E erteilte im Oktober 1985 einem Arzt mündlich die Zusage, daß die Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses für ihn auf ihre Kosten zu einer Arztpraxis umgebaut werde. Am 5. November 1985 wurde der entsprechende schriftliche Mietvertrag geschlossen. Es wurde vereinbart, daß E die Räume nach Angaben des Mieters zu einer Arztpraxis umbaut und die Umbaukosten trägt. Als voraussichtlicher Beginn des Mietverhältnisses wurde der 1. Juli 1986 genannt. Das Mietverhältnis wurde fest bis zum 30. Juni 1991 vereinbart und sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn einer der Vertragspartner nicht sechs Monate vor Ablauf der Frist der Verlängerung widerspricht. Als monatliche Miete für die Praxisräume wurden 800 DM zuzüglich bestimmter Nebenkosten vereinbart.

Mit Urkunde vom 15. Februar 1986 verpflichtete sich der Kläger gegenüber E, "zur Sicherung der Existenzgrundlage seiner Apotheke" den Umbau der Räume in eine Praxis zu übernehmen. E gestattete in dem Vertrag die Umbaumaßnahmen und verpflichtete sich, die geschaffenen Praxisräume innerhalb der nächsten 10 Jahre nach Möglichkeit an einen Arzt zu vermieten.

Die Bauarbeiten hatten bereits am 17. Oktober 1985 begonnen und dauerten bis Juli 1986. Ausweislich der auf den Kläger lautenden Rechnungen fielen dabei Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ließ diese im Umsatzsteuerbescheid für 1986 vom 4. Oktober 1990 nicht zum Abzug zu. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Maßgebend für den Ausschluß des Vorsteuerabzugs sei die erstmalige Verwendung der umgebauten Räume durch E zur umsatzsteuerfreien Vermietung. Das ergebe sich aus einer lückenfüllenden Auslegung von § 15 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Hätte dem Kläger das Haus selbst gehört, hätte er die auf die Umbaumaßnahmen entfallende Umsatzsteuer bei umsatzsteuerfreier Vermietung der Praxis an einen Arzt auch dann nicht abziehen können, wenn er mit dem Umbau eine Umsatzsteigerung in seiner Apotheke erstrebt hätte. Nichts anderes könne gelten, wenn E die Vermieterin sei. Selbst wenn man dem nicht folge, scheitere der Vorsteuerabzug am fehlenden Nachweis einer -- gedanklich vorrangigen -- Zuordnung des Leistungsbezugs "Umbau" zum Apothekenunternehmen des Klägers. Unterstelle man im Streitfall eine Auftragserteilung und damit einen Leistungsbezug durch den Kläger, dann sei eine unternehmerische Bestimmung des Leistungbezuges zwar denkbar. Andererseits könne nicht außer acht gelassen werden, daß Zuwendungsempfängerin der unentgeltlichen Weiterlieferung die Ehefrau des Klägers gewesen sei. Ob der Kläger auch dann, wenn E nicht seine Ehefrau gewesen wäre, "verlorene" Baukosten von ... DM aufgewendet hätte, sei zumindest zweifelhaft. Angesichts des Umstands, daß die Bauarbeiten bereits lange vor der Vereinbarung vom 15. Februar 1986 begonnen hätten, könne nicht als feststehend angesehen werden, daß für den Kläger der unternehmerische Zweck einer Sicherung und Steigerung der Umsätze in der Apotheke für den Umbau bestimmend gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er meint, der Vorsteuerabzug sei nicht nach § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausgeschlossen, da es nicht auf die Verwendung der Praxisräume durch E, sondern auf seine Verwendung der Bauleistungen ankomme. Er habe die Bauleistungen für sein Unternehmen bezogen, da es ihm ausschließlich um eine Gewinn- und Umsatzsteigerung für seine Apotheke gegangen sei. Für E habe sich durch den Umbau weder der Mietwert noch der Substanzwert des Hauses erhöht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht beurteilen, ob der Kläger die Bauleistungen, derentwegen er den Vorsteuerabzug begehrt, für sein Unternehmen in Anspruch genommen hat.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Nach dieser Vorschrift steht dem Kläger der von ihm begehrte Vorsteuerabzug nur dann zu, wenn er Empfänger der ihm in Rechnung gestellten Bauleistungen war und diese für sein Unternehmen bezogen hat. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind unzweifelhaft erfüllt.

1. Das FG hat zutreffend erkannt, daß der Kläger Empfänger der Bauleistungen war, wenn er die Bauaufträge erteilt hat. Es hat dies zugunsten des Klägers unterstellt. Entsprechende Feststellungen hat es bislang jedoch nicht getroffen.

2. Der Senat kann den Feststellungen des FG auch nicht mit Sicherheit entnehmen, ob der Kläger die Bauleistungen für sein Unternehmen oder für unternehmensfremde Zwecke bezogen hat.

Eine Leistung ist für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt, wenn der Unternehmer sie für Zwecke seines Unternehmens in Anspruch nimmt. Das ist der Fall, wenn sie für die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers bezogen wird. Der Leistungsbezug muß in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen. In Zweifelsfällen muß der Unternehmer darlegen können, daß die bezogene Leistung seine gewerbliche oder beruf liche Tätigkeit hat fördern sollen (Senats urteil vom 12. Dezember 1985 V R 25/78, BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216 m. w. N.).

Eine derartige Förderung der gewerblichen Tätigkeit liegt im Streitfall nahe. Nach dem in dem Urteil des FG wiedergegebenen Sachvortrag des Klägers hat er mit Bau kosten von rd. ... DM jährlich Umsatzsteigerungen von ... DM und Gewinnsteigerungen von ... DM in seiner Apotheke erzielt. In der Revisionsbegründung beziffert der Kläger die jährliche Umsatzsteigerung sogar auf ... DM. Das FG hat hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt ist es jedoch wahrscheinlich, daß der Kläger durch die Baumaßnahmen eine Steigerung des Umsatzes und Gewinns seiner Apotheke erreicht hat und von Anfang an erreichen wollte.

Wenn das FG gleichwohl ausführt, es sei nicht davon überzeugt, daß der Kläger die Bauleistungen für sein Unternehmen bezogen habe, dieser habe vielmehr mit dem Umbau des Hauses gegenüber seiner Ehefrau eine unentgeltliche Leistung erbracht, die er möglicherweise einem fremden Hauseigentümer nicht erbracht hätte, so steht dies mit der Rechtsprechung des Senats nicht im Einklang.

Den Ausführungen des FG liegt offenbar die Überlegung zugrunde, daß der Kläger die Bauaufträge wohl zugunsten eines fremden Hauseigentümers nicht erteilt hätte und deshalb die Rechnungsbeträge nicht als Betriebsausgaben abziehen kann. Die Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht, die unter diesen Umständen dem Mieter-Ehegatten den Betriebsausgabenabzug versagt, läßt sich jedoch auf das Umsatzsteuerrecht nicht übertragen. Sie beruht auf der Vorschrift des § 12 Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die der Abgrenzung des privaten und betrieblichen Bereichs im Ertragsteuerrecht dient (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 15. März 1993 V R 109/89, BFHE 172, 131, BStBl II 1993, 728). Rechtsfehlerhaft ist ferner die -- nicht näher begründete -- Auffassung des FG, der Kläger habe an seine Ehefrau eine unentgelt liche Leistung erbracht, ohne daß ein Zusammenhang mit seinem Unternehmen festgestellt werden könne. Vielmehr sprechen dieselben Gesichtspunkte, die einen Bezug der Bauleistungen für das Unternehmen des Klägers möglich erscheinen lassen, auch dafür, daß er die Bauleistungen im Rahmen seines Unternehmens für eine entgeltliche Leistung an E verwandt hat.

3. Entgegen den Ausführungen des FG ist der Vorsteuerabzug auch nicht nach § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausgeschlossen, da der Kläger die Bauleistungen nicht für einen steuerfreien Umsatz verwandt hat. Auf die Umsätze von E kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

4. Dementsprechend wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob der Kläger die ihm in Rechnung gestellten Bauleistungen gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 für sein Unternehmen bezogen hat und ob er überdies durch eine entsprechende Leistung an E einen bislang nicht versteuerten Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 getätigt hat, der einem vollen Erfolg des Klagebegehrens entgegenstehen könnte.

Nach der zuletzt genannten Vorschrift unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer im Erhebungsgebiet gegen Entgelt ausführt, der Umsatzsteuer.

In dem Umbau des Hauses der E kann -- wovon auch das FG ausging -- eine Leistung des Klägers an E liegen. Entgegen der Auffassung des FG kommt auch eine Leistung gegen Entgelt in Frage.

Vermietet ein Hauseigentümer aufgrund einer Vereinbarung mit einem Apotheker Praxisräume an einen Arzt, kann zwischen dem Apotheker und dem Hauseigentümer ein gesonderter Leistungsaustausch vorliegen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Februar 1992 V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705). Ein Lei stungsaustausch ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Leistenden auf den Erhalt der Gegenleistung im Austausch gegen die erbrachte Leistung abzielt. Dies ist bei gegenseitigen Verträgen der Fall. Darüber hinaus ist eine entgeltliche Leistung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 aber auch in sonstigen Fällen zu bejahen, in denen der Leistende eine Gegenleistung erwartet oder eine Leistung erbringt, die ihrer Art nach üblicherweise vergütet wird oder nach den Umständen eine Vergütung erwarten läßt (BFH in BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705).

Nach diesen Grundsätzen könnte der Kläger einen entgeltlichen Umsatz ausgeführt haben, wenn er die Umbauleistung an E erbracht hätte, damit E durch die Praxisvermietung an einen Arzt seinen Apotheken betrieb fördert. Es läge dann ein tauschähnlicher Umsatz vor, der nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 24. November 1992 V R 80/87 (BFH/NV 1993, 634) zu besteuern ist. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachholen müssen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 354

BFH/NV 1995, 355

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