Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der "fremden Mittel" im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe d EStG 1951 beim Vorliegen eines Kontokorrentkontos.

 

Normenkette

EStG § 10/1/2/d

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Mühlenbesitzer. Er unterhält laufende Geschäftskonten bei der A- Bank und bei der B-Sparkasse. Am 29. Dezember 1951 und am 29. Dezember 1952 hat er jeweils einen allgemeinen Sparvertrag (ß 18 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1951) über 1.600 DM mit der A- Bank abgeschlossen. Er hat die Sparkonten durch Belastung seines nicht voll ausgenutzten Kontokorrentkredits, den ihm die Sparkasse bewilligt hatte, gebildet. Die eingeräumte Kreditgrenze hat er nicht überschritten. Streitig ist, ob er die Sparbeträge im Rahmen des § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 als Sonderausgaben abziehen kann.

Das Finanzamt hat den Abzug der Sparbeträge mit der Begründung abgelehnt, der Steuerpflichtige habe sie aus fremden Mitteln geleistet. Der Steuerausschuß beim Finanzamt hat dem Einspruch des Steuerpflichtigen stattgegeben.

Die Berufung des Vorstehers des Finanzamts blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt, die Inanspruchnahme eines Kredits spreche nicht ohne weiteres dafür, daß Sparbeträge mit fremden Mitteln geleistet worden seien. Viele Gewerbetreibende arbeiteten mit Dauerkrediten ihrer Banken, ohne daß eine besondere Zwangslage dafür vorliege. Im allgemeinen laufe dann der gesamte Zahlungsverkehr des Kontokorrents über die Kreditkonten. Wenn diese Betriebe langfristig gebundene Sparbeträge einzahlten, dürfe es ihnen nicht verargt werden, daß sie die Zahlungen offen über die Kreditkonten laufen ließen. Der gegenteilige Standpunkt würde Kapitalansammlungsverträge bei Firmen mit laufenden Kreditkonten fast unmöglich machen. Anders wäre es, wenn die Höchstgrenze des laufenden Kredits um die Sparbeträge erhöht würde; dann würde mit Hilfe einer Krediterweiterung, d. h. mit fremden Mitteln, gespart. Im übrigen wäre es dem Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch möglich gewesen, die Sparbeträge ohne fremde Mittel zu leisten.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, steuerbegünstigte Sparbeträge müßten aus eigenen Mitteln stammen; das sei hier nicht der Fall. Es komme nicht darauf an, ob der Bg. die Sparbeträge aus eigenen Mitteln hätte leisten können. Auch sei es unerheblich, ob er die von der Sparkasse eingeräumte Kreditgrenze überschritten habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe d EStG 1951 sind Kapitalansammlungsbeiträge Sonderausgaben, wenn der Zweck des Kapitalansammlungsvertrags als steuerbegünstigt anerkannt worden ist und "hierzu keine fremden Mittel verwandt werden". Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (Urteile IV 251/51 U vom 14. Februar 1952, Slg. Bd. 56 S. 238, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 94, und IV 155/53 U vom 17. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 48, BStBl 1953 III S. 310) sind unter "fremden" Mitteln im Sinne dieser Vorschrift Gelder zu verstehen, die nicht aus eigenem Vermögen oder aus eigenen Einkünften des Steuerpflichtigen stammen. Die Ansicht der Vorinstanz, der Bg. hätte im vorliegenden Streitfall keine fremden Mittel verwendet, weil er nicht mit Hilfe einer Krediterweiterung gespart habe, ist nicht bedenkenfrei. Die Tatsache, daß er die Höchstgrenze seines laufenden Kredits nicht um die Sparbeträge überschritten hat, genügt nicht, um von vornherein die Annahme auszuschließen, er habe fremde Mittel verwendet. Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil IV 358/52 U vom 9. Oktober 1953 (Slg. Bd. 58 S. 206, BStBl 1953 III S. 370) ausgesprochen, daß ein Sparen mit fremden Mitteln auch dann vorliegen könne, wenn ein Steuerpflichtiger die Sparleistung aus einem in seinem Stand schwankenden und bis zum Jahresschluß stark beanspruchten laufenden Kredit erbringe.

Die im Steuerrecht, besonders auch im Einkommensteuerrecht, gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise kann im Streitfall nicht die Annahme rechtfertigen, der Bg. habe mit eigenen Mitteln gespart. Es kommt nicht darauf an, ob er die Sparbeiträge aus eigenem Vermögen oder aus eigenen Einkünften hätte leisten können. Ebensowenig ist in der Regel entscheidend, ob etwa sein Betriebsvermögen am Ende des Veranlagungszeitraums größer oder kleiner als zu Beginn war, oder ob er mehr oder weniger als seinen gewerblichen Gewinn aus dem Betrieb entnommen hat. Wenn der Gesetzgeber vorgeschrieben hat, daß die Sparleistungen aus eigenen Mitteln erbracht werden müssen, so kann das nur bedeuten, daß der Sparer die Beiträge grundsätzlich aus eigenem verfügbaren Einkommen oder Vermögen leisten muß. Deshalb kann in der Regel nur die langfristige Bindung von eigenem verfügbaren Sparkapital steuerlich begünstigt sein.

Das ergibt sich auch daraus, daß der Gesetzgeber - erstmals für den Veranlagungszeitraum 1951 - verboten hat, daß "hierzu", d. h. zur Erbringung der Sparleistung, fremde Mittel verwendet werden. Der Auffassung der Vorinstanz, die Inanspruchnahme eines Kredits spreche nicht immer dafür, daß Sparbeträge mit fremden Mitteln geleistet würden, ist beizupflichten. Wie sich aus dem Wort "hierzu" ergibt, muß vielmehr ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kreditaufnahme und der Beitragsleistung bestehen (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs IV 358/52 U und IV 155/53 U). Daraus folgt, daß Steuerpflichtige, die in ihrem Betrieb mit laufenden Kreditkonten arbeiten, trotzdem mit eigenen Mitteln sparen können. Der Gesetzgeber hat nur das Sparen "durch", nicht auch das Sparen "bei" Kredit verboten.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Bg. beide Sparleistungen aus Mitteln erbracht, die ihm die Sparkasse geliehen hatte. Er hat die Sparbeträge also nicht aus eigenem verfügbaren Einkommen oder Vermögen geleistet. Die im Kreditweg aufgenommenen Beträge haben unbestritten ausschließlich zur Anlage auf den Sparkonten gedient. Es besteht somit eine unmittelbare Verbindung zwischen Kreditaufnahme und Leistung der Sparbeträge. Damit ist ein ursächlicher und innerer Zusammenhang zwischen beiden wirtschaftlichen Vorgängen gegeben. Ist das der Fall, so muß zwangsläufig auch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Denn es ist zwar möglich, daß Vorgänge wirtschaftlich miteinander verbunden sind, ohne daß sie auch gleichzeitig ursächlich zusammenhängen. Es ist aber nicht denkbar, daß zwischen Vorgängen, die in ihrem wesentlichen Gehalt ursächlich zusammenhängen, kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

Der ursächliche und damit wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen muß im Zeitpunkt der Beitragsleistung gegeben sein. Diese Voraussetzung liegt für den hier zu beurteilenden Fall unstreitig vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408458

BStBl III 1956, 186

BFHE 1956, 498

BFHE 62, 498

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