Leitsatz (amtlich)

Ein Prüfungsauftrag stellt in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung eine verjährungsunterbrechende Handlung im Sinne von § 147 Abs. 1 AO nur dann dar, wenn er nach außen, d. h. über den Bereich der Behörden der Finanzverwaltung hinaus, wirksam geworden ist.

 

Normenkette

AO §§ 143-145, 147

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das zuständige Finanzamt Handlungen im Sinne von § 147 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) zur Unterbrechung der Verjährungsfrist vorgenommen hat, die die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1949 rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Facharzt für innere Krankheiten. Im Jahre 1949 war er als Oberarzt in einem Krankenhaus angestellt und außerdem als Arztvertreter und Gutachter tätig. Aus selbständiger Arbeit erklärte er einen Verlust von 395 DM. Durch Steuerbescheid vom 19. Dezember 1951 wurde eine Steuer von 2961 DM veranlagt; nach Anrechnung der Lohnsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag von 279 DM.

Am 20. Dezember 1955 hat das Finanzamt einen Betriebsprüfungsauftrag erteilt, der sich u. a. auch auf die Einkommensteuer 1949 bezog. Die Betriebsprüfung wurde am 21. Dezember 1955 begonnen. Bei Prüfungsbeginn waren außer dem Bf. seine Ehefrau und die Buchhalterin anwesend. Es wurden die Einnahme- und Ausgabebücher des Kalenderjahres 1949 vorgelegt und von dem Betriebsprüfer mit einem Sichtvermerk versehen. Ferner wurde erörtert, welcher Art die Berufsausübung des Bf. in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1955 war. Um 16.00 Uhr wurde die Prüfung unterbrochen; sie sollte nach vorheriger telefonischer Vereinbarung Anfang 1956 fortgesetzt werden. Die Betriebsprüfung ist dann in der Zeit vom 3. bis 9. Mai 1956 durchgeführt worden. Auf Grund dieser Prüfung ist die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1949 durch Berichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO mit Steuerbescheid vom 23. Juni 1956 auf 3312 DM festgesetzt worden, was nach Anrechnung der Lohnsteuer zu einer Steuerschuld von 72 DM führte. Die Erhöhung beruht ausschließlich auf der Feststellung höherer Betriebseinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit.

Der Bf. hat gegen die sich nach dem Berichtigungsbescheid vom 23. Juni 1956 ergebende Mehrsteuer von 351 DM den Einwand der Verjährung erhoben. Der Einspruch hatte Erfolg. Durch die Zusendung des Einkommensteuererklärungs-Vordruckes im Jahre 1950 sei die Verjährungsfrist unterbrochen worden, sie habe am 1. Januar 1951 neu zu laufen begonnen und sei mit dem 31. Dezember 1955 abgelaufen. Weder die Erteilung des Prüfungsauftrages am 20. Dezember 1955 noch der Besuch des Prüfers am 21. Dezember 1955 stelle eine die Verjährung unterbrechende Handlung dar.

Das Finanzgericht hat den berichtigten Steuerbescheid wiederhergestellt und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Zu den Handlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 AO sei nach ständiger Rechtsprechung auch ein Prüfungsauftrag, den das Finanzamt zur Ermittlung eines bestimmten Steueranspruchs erteilt habe, zu rechnen (Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 18/48 U vom 7. Dezember 1949, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung § 147 Rechtsspruch 1, Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 41 und die darin angeführten Urteile des Reichsfinanzhofs). Es genüge, wenn der Prüfungsauftrag gegen -- nicht an -- den Steuerpflichtigen gerichtet sei, eine Bekanntgabe sei nicht erforderlich (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V A 482/33 vom 15. Dezember 1933 -- Reichssteuerblatt (RStBl) 1934 S. 32 --, II A 618/31 vom 9. Februar 1932 -- RStBl 1932 S. 322 --, III A 489/31 vom 18. Februar 1932 -- RStBl 1932 S. 322 --). Durch die Erteilung des Prüfungsauftrages sei die Verjährungsfrist unterbrochen worden. Das müsse um so mehr gelten, als diese Maßnahme dem Steuerpflichtigen noch innerhalb der Verjährungsfrist mitgeteilt worden sei. Das Finanzamt habe damit zum Ausdruck gebracht, daß es den streitigen Steueranspruch noch nicht aus den Augen verloren habe. Es komme deshalb nicht mehr darauf an, ob der Prüfer innerhalb der Verjährungsfrist ernstlich gemeinte Prüfungsfeststellungen vorgenommen habe.

Demgegenüber vertritt der Bf. die Auffassung, daß eine Betriebsprüfung nur insoweit verjährungsunterbrechend wirke, als tatsächlich geprüft werde (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 330/36 vom 12. Januar 1937, RStBl 1937 S. 91). Mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit des Steuerpflichtigen müsse verlangt werden, daß zur Feststellung des Steueranspruchs eine nach außen hin erkennbare eindeutige Handlung des Steuergläubigers vorgenommen werde, da andernfalls die Finanzämter die Möglichkeit hätten, ohne sofortige Betriebsprüfung alle Verjährungsfristen zu unterbrechen. Wenn sich der Prüfer am 21. Dezember 1955 bei seinem Besuch die Einnahme- und Ausgabebücher habe vorlegen lassen und diese mit einem Sichtvermerk versehen habe, so fehle das Merkmal einer eindeutigen Handlungsweise. Eine Betriebsprüfung sei an diesem Tage nicht vorgenommen worden; das sei auch nicht die Absicht des Prüfers gewesen. Die Betriebsprüfung habe nicht am 21. Dezember 1955, sondern erst am 3. Mai 1956 begonnen. Der Besuch am 21. Dezember 1955 sei nur eine Ankündigung, nicht aber eine Handlung im Sinne des § 147 Abs. 1 AO, die, um als solche angesehen werden zu können, ihrem Inhalte nach eine einheitliche abgeschlossene Tätigkeit darstellen müsse, wie dies bei der Betriebsprüfung im Mai 1956 der Fall gewesen sei. Dem Erscheinen des Prüfers am 21. Dezember 1955 sollte unverkennbar das Erfüllungsmerkmal der verjährungsunterbrechenden Handlung zugrunde gelegt werden. Es habe also nur eine die persönlichen Rechte und Grundfreiheiten des Bf. beeinträchtigende Scheinhandlung vorgelegen.

Der Bf. beruft sich im übrigen auf die Stellungnahme von Kühn zu § 147 AO, ferner auf Stegmaier in Rundschau für GmbH 1956 S. 11 und auf Spitaler, Finanz-Rundschau 1956 S. 52.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO ist u. a. , daß der Steueranspruch noch nicht erloschen ist (§ 148 AO). Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht ist der Nichtablauf der Verjährungsfrist im Steuerrecht eine Verfahrensvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs IV A 153/30 vom 29. Oktober 1930 -- Slg. Bd. 27 S. 244 --, IV A 308/33 vom 19. Mai 1936 -- RStBl 1936 S. 647, Slg. Bd. 39 S. 268 --, V z 2/42 vom 25. September 1942 -- RStBl 1942 S. 979 -- und Entscheidung des Bundesfinanzhofs V z 72/55 U vom 31. Oktober 1957 -- Bundessteuerblatt 1957 III S. 454, Slg. Bd. 65 S. 576 --). Nach § 147 AO wird die Verjährungsfrist -- abgesehen von den im einzelnen aufgeführten Unterbrechungshandlungen -- generell durch jede Handlung unterbrochen, die das zuständige Finanzamt zur Feststellung des Steueranspruchs oder des Verpflichteten unternimmt. Eine die Verjährung unterbrechende Handlung stellt die besondere Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung dar (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 1157/33 vom 11. Otober 1933 -- Steuer und Wirtschaft 1933 Nr. 772 --, VI A 541/34 vom 22. August 1934 -- RStBl 1934 S. 1101 -- und VI A 1324/33 vom 10. Januar 1935 -- RStBl 1935 S. 132 --).

Der Steuerpflichtige ist im Jahre 1950 zur Abgabe der Steuererklärung für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 aufgefordert worden. Die Verjährung beginnt somit hinsichtlich des Steueranspruchs für das Kalenderjahr 1949 mit Ablauf des 31. Dezember 1950 und ist, falls keine weiteren den Steueranspruch unterbrechenden Handlungen des Finanzamts erfolgt wären, mit Ablauf des 31. Dezember 1955 eingetreten.

Rechtsprechung und Schrifttum stimmen darin überein, daß eine die Verjährung unterbrechende Handlung im Sinne des § 147 Abs. 1 AO auch eine Betriebsprüfung ist; sie erstreckt sich auf die gesamten Verhältnisse, die für die Besteuerung von Bedeutung sein können. Bei diesem Umfange wird die Verjährung des gesamten Steueranspruchs selbst dann unterbrochen, wenn die Betriebsprüfung keine steuerlichen Änderungen ergeben hat (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V A 482/33 vom 15. Dezember 1933 -- RStBl 1934 S. 32 --, VI A 552/36 vom 17. Februar 1937 -- RStBl 1937 S. 387 -- und III 33/39 vom 23. Januar 1941 -- RStBl 1941 S. 121 --). Werden nur bestimmte Veranlagungszeiträume geprüft, so unterbricht die Betriebsprüfung nur die Verjährung der Steueransprüche aus diesen Zeiträumen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 330/36 vom 12. Januar 1937, RStBl 1937 S. 91). Unterbrechungszeitpunkt ist nicht das Ende, sondern der Beginn der Betriebsprüfung. Es ist deshalb ohne Bedeutung, ob der Steueranspruch, der am 31. Dezember eines Jahres verjähren würde, in dem vor oder nach dem 31. Dezember liegenden Teil der Betriebsprüfung festgestellt wird (Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 482/33 vom 15. Dezember 1933, Reichssteuerblatt 1934 S. 32).

Das Finanzgericht vertritt in Übereinstimmung mit der vom Obersten Finanzgerichtshof (I 18/48 U vom 7. Dezember 1949) übernommenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Auffassung, daß auch der dem Steuerpflichtigen nicht mitgeteilte Prüfungsauftrag die Verjährung unterbreche. Diese Beurteilung erscheint nicht bedenkenfrei.

Der Betriebsprüfungsauftrag ist eine innerdienstliche Handlung. Das ergibt sich aus der Organisation des Betriebsprüfungsdienstes, die erstmalig im Ersten Buch- und Betriebsprüfungs-Materialerlaß des Reichsministers der Finanzen vom 7. Juni 1927 geregelt worden ist. Hiernach ist die Betriebsprüfung keine selbständige Einrichtung, sondern ein Hilfsmittel der Besteuerung. Die Ausübung der Prüfungstätigkeit erfolgt auf Grund des schriftlichen Auftrages. Nach der Mitteilung des Betriebsprüfungstermins, wofür in den Fällen des § 162 Abs. 10 AO eine besondere Form vorgeschrieben wird, haben sich die Prüfer mit ihrem Dienstausweis und dem Prüfungsauftrag an den Leiter des zu prüfenden Unternehmens zu wenden. Zur Anpassung an die veränderten Verhältnisse während des Krieges ist vom Reichsminister der Finanzen die Betriebsprüfungsordnung vom 1. Mai 1944 erlassen worden. Es handelte sich hierbei um eine zeitbedingte Notlösung. Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 haben die Länder-Finanzverwaltungen die Organisationen der Betriebsprüfung neu aufgebaut; fast alle haben eine neue, nur für den Dienstgebrauch bestimmte Betriebsprüfungsordnung (Betriebsprüfungsordnung-Steuer) erlassen. Im großen und ganzen hat sich jedoch in der Organisation der Betriebsprüfung, wie sie bereits im Ersten Buch- und Betriebsprüfungs-Materialerlaß geregelt war, nur wenig geändert. Die Prüfungsanordnung erfolgt regelmäßig durch Übernahme des zu prüfenden Unternehmens in den Prüfungsgeschäftsplan. Zu den vorbereitenden Arbeiten rechnet die Betriebsprüfungsordnung u. a. auch die Erteilung des Betriebsprüfungsauftrages, der bei Beginn der Betriebsprüfung im Auftragsbuch festgehalten wird. Ohne einen Betriebsprüfungsauftrag des Finanzamts kann kein Prüfer tätig werden. Der Wille des Finanzamts, eine Betriebsprüfung vornehmen zu lassen, kommt im Betriebsprüfungsauftrag, der dem Steuerpflichtigen bekanntzugeben ist, zum Ausdruck. Der Inhalt des Prüfungsauftrages ist für die sachliche und zeitliche Unterbrechung der Verjährung von Bedeutung. Ob die Bekanntgabe des Auftrages an den Steuerpflichtigen durch schriftliche Mitteilung seitens der Behörde oder erst durch Vorlage des Auftrages zu Beginn der Prüfung durch den Betriebsprüfer geschieht, ist für den im Auftrag zum Ausdruck kommenden Willen des Finanzamts für die sachliche und zeitliche Unterbrechung der Verjährung des Steueranspruchs belanglos. Der Steuerpflichtige ersieht aus dem Prüfungsauftrag den Umfang der Prüfung, die gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich die Prüfung stützt, sowie den Namen des durch einen Dienstausweis ausgewiesenen Prüfers. Bereits die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Obersten Finanzgerichtshofs haben zwischen rein innerdienstlichen Handlungen und solchen, die nach außen hin wirken, unterschieden. Die Aufstellung von Prüfungsgeschäftsplänen ist als rein innerdienstlich und damit nicht als eine Handlung angesehen worden, die eine Verjährungsunterbrechung bewirkt (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 96/32 vom 14. September 1932, RStBl 1933 S. 7; Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 18/48 U vom 7. Dezember 1949). Der Prüfungsauftrag des Finanzamts ist jedoch dazu bestimmt, nach außen zu wirken. Er bringt den Willen des Finanzamts zur Ermittlung der Steueransprüche gegen bestimmte Steuerpflichtige zum Ausdruck und dient der Vorbereitung und Klärung dieser Steueransprüche im Wege einer Betriebsprüfung. In der Erteilung (unterschriftlichen Vollziehung) eines Prüfungsauftrages kann jedoch eine verjährungsunterbrechende Handlung erst erblickt werden, wenn der Auftrag nach außen in Erscheinung getreten ist. Das gebieten Sinn und Zweck der Verjährung und die Rechtssicherheit; mittelbar kann das auch dem Gesetz entnommen werden.

Zweck der Verjährung ist die Wahrung des Rechtsfriedens. Die anspruchsvernichtende Wirkung der Verjährung von Steueransprüchen ist eine lediglich zugunsten der Steuerpflichtigen getroffene Einrichtung. Dem auf Tilgung der geschuldeten Steuern gerichteten Interesse des Steuergläubigers steht das Schutzbedürfnis des Steuerpflichtigen gegenüber. Auf dieser Grundlage beruht die Regelung der Verjährung in der AO; bei der Auslegung der Verjährungsvorschriften muß diesem Gesichtspunkt maßgebendes Gewicht beigelegt werden. Von dieser im Urteil IV A 147/26 vom 19. Mai 1926 (RStBl 1926 S. 325, Slg. Bd. 19 S. 96) vertretenen Auffassung ist der Reichsfinanzhof jedoch später abgewichen. In einer Reihe von Urteilen ist der Prüfungsauftrag im Zusammenhang mit der Prüfung verjährungsunterbrechend behandelt worden (z. B. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V A 482/33 vom 15. Dezember 1933 -- RStBl 1934 S. 32 --, I A 330/36 vom 12. Januar 1937 -- RStBl 1937 S. 91 --, II A 325/36 vom 2. April 1937 -- RStBl 1938 S. 33 -- und V z 3/40 vom 31. Januar 1941 -- RStBl 1941 S. 174). Nach anderen Entscheidungen, z. B. III 14/39 vom 27. Juni 1939 -- RStBl 1939 S. 842 -- und VI 304/42 vom 21. Oktober 1942 -- RStBl 1942 S. 1009 -- unterbricht jedoch der Prüfungsauftrag allein die Verjährung ohne Rücksicht darauf, ob er für den Steuerpflichtigen erkennbar war. Dieser erweiterten Auslegung des § 147 Abs. 1 AO kann nicht gefolgt werden. Aus den in den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift besonders aufgeführten Unterbrechungstatbeständen (Zahlungsaufschub, Stundung, Anerkennung, schriftliche Zahlungsaufforderung) ist ersichtlich, daß der Gesetzgeber die Unterbrechung der Verjährung davon abhängig gemacht hat, daß die getroffenen Maßnahmen nach außen erkennbar sein müssen. Es wird daher im Hinblick auf den auf das Schutzbedürfnis des Steuerpflichtigen abgestellten Zweck der Verjährung für alle Handlungen, die das zuständige Finanzamt zur Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten vornimmt, zu fordern sein, daß sie nach außen in Erscheinung getreten sind. Hiervon scheint auch der Oberste Finanzgerichtshof in der bereits erwähnten Entscheidung I 18/48 U vom 7. Dezember 1949 ausgegangen zu sein, wenn er -- im Gegensatz zu dem vorangestellten Rechtssatz -- verjährungsunterbrechende Vorgänge sowohl im Prüfungsauftrag als auch darin gesehen hat, daß die Steuerpflichtigen durch die Verhandlung mit dem Prüfer über die Prüfung von dem Auftrag unterrichtet wurden; der Oberste Finanzgerichtshof hat damit offensichtlich auch auf die Bekanntgabe des Auftrages Wert gelegt. Der Begriff "jede Handlung" im Sinne des § 147 Abs. 1 AO darf im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, im Hinblick auf das bereits erwähnte Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen und mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit, die ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 23/51 vom 1. Juli 1953, "Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" Bd. 2 S. 380 und 1 BvR 678/57 vom 12. Dezember 1957, "Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" Bd. 7 S. 194 = "Steuerrechtsprechung in Karteiform", Einkommensteuergesetz 1957 § 26 Rechtsspruch 2), nicht weit ausgelegt werden. Eine Handlung der Behörde kommt in der Äußerung einer Willenserklärung zum Ausdruck, daß der bestehende Rechtszustand überprüft oder geändert werden soll. Der Prüfungsauftrag enthält als Willensäußerung die Weisung an den Prüfer, die Steueransprüche im Wege einer Betriebsprüfung zu überprüfen, und die Weisung an das zu prüfende Unternehmen, die Prüfung durch den benannten Prüfer zu dulden und diesen bei der Durchführung seiner Aufgabe zu unterstützen (§§ 170 bis 173, 194, 195 AO). Mit der unterschriftlichen Vollziehung wird der Prüfungsauftrag, da es sich um eine einseitige Willenserklärung handelt, existent; dieser Vorgang hat zunächst nur innerdienstliche Auswirkungen; Rechtswirkungen, insbesondere die der Unterbrechung der Verjährung, treten erst ein, wenn der Auftrag nach außen wirkt (siehe auch § 91 AO), d. h. wenn das zu prüfende Unternehmen über die Anordnung der Prüfung und den Zeitpunkt des Prüfungstermins unterrichtet wird. Hinsichtlich des Prüfungsauftrages gilt die Finanzverwaltung als einheitliches Ganzes; der Erteilung eines Auftrages durch das zuständige Finanzamt an Betriebsprüfer, die anderen Dienststellen angehören (Finanzämter oder Oberfinanzdirektionen), kommt daher noch keine Außenwirkung im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu (so auch die überwiegende Meinung des Schrifttums: Riewald, Reichsabgabenordnung, § 147 Anm. 2; Kühn, Reichsabgabenordnung, § 147 Anm. 2d und 4; Der Steuerzahler 1958 S. 20; Kötter in Neue Wirtschafts-Briefe Fach 2 S. 569; Stegmaier, Rundschau für GmbH 1956 S. 11; Mattern, Deutsche Steuer-Zeitung 1957 S. 177; Ehlers, Finanz-Rundschau 1957 S. 554; Spitaler, Finanz-Rundschau 1956 S. 52, im Gegensatz zum Kommentar Hübschmann-Hepp-Spitaler, Anm. 2b zu § 147 AO; Binder, Rechts- und Wirtschafts-Praxis-Kartei, 14 Steuer-R D Verjährung I; Vogt, Rechts- und Wirtschafts-Praxis-Kartei, 14 Steuer-R D Verjährung II B 1). Für diese Beurteilung kann auch die sinngemäße Anwendung des § 209 BGB verwertet werden. Zwar kann dem von Wihtol (Deutsche Steuer-Zeitung 1957 S. 307) gewählten Vergleich der Erteilung des Prüfungsauftrages mit der Einreichung der Klage im Zivilprozeß nicht gefolgt werden, weil mit dieser bereits der Anspruch selbst geltend gemacht wird, während der Betriebsprüfungsauftrag bezweckt, zu ermitteln, ob und in welchem Umfange ein Anspruch besteht. Jedoch kann ein Rechtsvergleich dahin vorgenommen werden, daß eine interne Maßnahme nicht ausreicht, vielmehr eine solche, die nach außen wirkt, erforderlich ist (Spitaler, Finanz-Rundschau 1956 S. 52; Ehlers, Finanz-Rundschau 1957 S. 554). Auch in den Fällen, in denen sich die verjährungsunterbrechende Handlung nicht unmittelbar an, sondern gegen den Steuerpflichtigen richtet, muß sie nach außen erkennbar sein. So wirkt z. B. die Vornahme von Ermittlungen bei einem Dritten zu einem bestimmten Steuerfall ebenso verjährungsunterbrechend wie die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Ermittlungen durch den Steuerfahndungsdienst in bestimmten Steuerfällen. Dagegen richtet sich der Prüfungsauftrag nicht nur gegen, sondern unmittelbar an ein bestimmtes Unternehmen. Auf Grund des von rechtsstaatlichen Grundsätzen beherrschten Verhältnisses zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen kann einem bei den Akten befindlichen Prüfungsauftrag eine verjährungsunterbrechende Wirkung nicht beigemessen werden. Durch die Ausstellung von Prüfungsaufträgen allein, die irgendwann einmal verwirklicht werden sollen, kann die Verjährung von Steueransprüchen nicht unterbrochen und damit die Rechtssicherheit des Steuerpflichtigen gefährdet werden. Die Anerkennung des bisher von der Rechtsprechung vertretenen abweichenden Standpunktes würde es ermöglichen, am Ende des Verjährungsjahres zahlreiche Aufträge zu unterschreiben, obwohl ungewiß ist, ob und wann eine Prüfung erfolgt. Diese allein auf die Belange des Steuergläubigers abgestelte Auslegung des § 147 Abs. 1 AO ist mit dem vom Gesetz beabsichtigten Zweck des Rechtsschutzes des Steuerpflichtigen nicht vereinbar. Die Forderung auf Bekanntgabe des Prüfungsauftrages innerhalb der Verjährungsfrist kann für den Steuergläubiger auch nicht als unzumutbar, sie muß vielmehr angesichts der anspruchserlöschenden Wirkung der Verjährung als notwendig bezeichnet werden. Die Frage, ob eine Verjährung unterbrochen ist oder nicht, darf auch nicht in der Schwebe gehalten werden; es wird daher nicht richtig sein, wenn Theis meint (Der Betrieb 1957 S. 564), die unterbrechende Wirkung des Prüfungsauftrages sei davon abhängig, daß die Prüfung in nicht zu ferner Zeit durchgeführt werde. Die Institution der Verjährung verträgt keinen Unsicherheitsfaktor, ein solcher ist mit der Struktur der Verjährung, der Rechtssicherheit und dem Schutzbedürfnis des Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren. Soweit die bisherige Rechtsprechung mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang steht, wird an ihr nicht festgehalten.

Anmerkung der Redaktion:

Dem IV. Senat waren bei seiner Entscheidung die entgegengesetzte Auffassung im Urteil V 140/57 U vom 20. Februar 1958 (BStBl 1958 III Seite 433) sowie die Absicht des V. Senats, das Urteil V 140/57 U zu veröffentlichen, bekannt.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 472

BFHE 1959, 519

NJW 1958, 1749

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