Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer beim Erwerb eines Grundstücks von einer Personengesellschaft durch den Ehegatten eines Gesellschafters

 

Leitsatz (NV)

1. Der Erwerb eines Grundstücks von einer Kommanditgesellschft durch den Ehegatten eines Kommanditisten ist insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit, als der Kommanditist am Vermögen der Gesellschaft beteiligt war.

2. Der Vermögensanteil i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 ist - anders als im Fall des § 6 Abs. 2 Satz 2 - nicht summenmäßig sondern verhältnismäßig zu bestimmen. Es ist der Anteil zu ermitteln, mit dem der Gesellschafter im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist.

3. Entscheidend für die Bestimmung des Anteils am Gesellschaftsvermögen ist, ob - und inwieweit - die Kapitalkonten Ausdruck des gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens sind oder ob sie - teilweise - den Charakter einer schuldrechtlichen Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft haben. Die mit einem Festbetrag bestimmte Kommanditeinlage besagt für die Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen für sich gesehen nichts, weil sie nur Ausdruck der Haftungsbeschränkung gemäß § 161 Abs. 1 HGB ist.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 3 Nr. 4, § 6 Abs. 2 Sätze 1-2; HGB § 161 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom . . . 1983 darin näher bezeichnete Grundstücke von der X-Handelsgesellschaft mbh & Co. KG erworben. Gesellschafter der Verkäuferin waren die Ehefrau des Klägers als Kommanditistin und die X-Handelsgesellschaft mbH als persönlich haftende Gesellschafterin.

Der Gesellschaftsvertrag vom . . ., ergänzt durch Nachtrag vom . . ., enthält u.a. folgende Regelungen:

,,§ 6 Einlagen

Die Kommanditeinlage des . . . beträgt DM 400000. . . .

Die persönlich haftende Gesellschafterin bringt ihre gesamten Aktiven und Passiven nach dem Stand der Schlußbilanz per 31. Dezember 1960 ein. Die bisherige Einlage des Komplementärs (. . .) i.H.v. nominell DM 100000 wird ab 1966 auf DM 20000 herabgesetzt. Soweit der Differenzbetrag zur bisherigen Einlage i.H.v. DM 80000 noch von der Kommanditgesellschaft benötigt wird, soll er als verzinsliches Darlehen (5% p.a.) bei der Kommanditgesellschaft verbleiben.

§ 7 Ergebnisverteilung

Der sich aus dem Jahressteuerabschluß ergebende Gewinn wird wie folgt verteilt:

a) Der persönlich haftende Gesellschafter erhält 5v.H. des Gewinns.

b) Den verbleibenden Rest erhält der Kommanditist. Sind mehrere Kommanditisten vorhanden, so wird der Gewinn nach dem Anteil der Kapitalverhältnisse aufgeteilt.

An einem etwaigen Verlust nimmt der persönlich haftende Gesellschafter nicht teil; er wird von dem oder den Kommanditisten allein getragen.

Der nach der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn verbleibt grundsätzlich im Geschäftsvermögen der Gesellschaft auf Kapital- oder Darlehenskonto. Entnahmen dürfen nur in Höhe der anfallenden Personensteuern getätigt werden. Sollen weitere Entnahmen erfolgen, so bedarf es der einfachen Stimmenmehrheit. . . .

§ 9 Kündigung

Kündigt ein Gesellschafter oder kündigt ein Privatgläubiger eines Gesellschafters oder gerät ein Gesellschafter in Konkurs oder wird das Vergleichsverfahren über sein Vermögen eröffnet, so sind die anderen Gesellschafter berechtigt, das Geschäft mit den Aktiven und Passiven mit dem Recht der Fortführung der bisherigen Firmenbezeichnung weiterzuführen. Der Kapitalanteil des ausscheidenden Gesellschafters ist durch die zuletzt vorgelegte und angenommene Bilanz festgelegt. Der Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwertes unterbleibt. Außer des in der zuletzt vor der Ausscheidung vorgelegten Bilanz festgesetzten Kapitalanteils kann der Ausscheidende keine weiteren Zahlungen verlangen. . . ."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), setzte durch Bescheid vom 23. Januar 1984 gegen den Kläger für den Erwerb aus dem Vertrag vom 21. Dezember 1983 Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest, die er im Einspruchsverfahren infolge einer Minderung der Bemessungsgrundlage auf . . . DM ermäßigte. Der darüber hinausgehende Antrag, die Grunderwerbsteuer auf 0 DM herabzusetzen, weil die Steuer für den Erwerb des Klägers - als Ehegatte der Kommanditistin der Verkäuferin - gemäß § 6 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unter Einbeziehung des § 3 Nr.4 GrEStG 1983 nicht zu erheben sei, lehnte das FA ab, weil die Ehefrau des Klägers im Zeitpunkt des Grundstücksübergangs nicht am Vermögen der Verkäuferin beteiligt gewesen sei. Maßgebend hierfür sei das nach § 9 des Gesellschaftsvertrages anzusetzende fiktive Auseinandersetzungsguthaben aufgrund der Bilanz zum 31. Dezember 1982, das ./. . . . DM betragen habe. Zwar beweise der sich danach ergebende negative Kapitalanteil der Kommanditistin noch nicht endgültig, daß ein Anteil am Vermögen der Gesamthand nicht gegeben gewesen sei. Vielmehr sei es denkbar, daß sich durch den Ansatz der tatsächlichen Werte insbesondere bei Berücksichtigung der stillen Reserven bei den Grundstücken die Höhe des Anteils am Vermögen der KG ändern könne. Da der Kläger jedoch trotz mehrmaliger Aufforderung es abgelehnt habe, eine Vermögensaufstellung vorzulegen, müsse davon ausgegangen werden, daß ein positiver Anteil am Vermögen der KG nicht vorgelegen habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 i.V.m. § 3 Nr.4 GrEStG 1983 auf den Erwerb des Klägers grundsätzlich für anwendbar. Die Steuervergünstigung komme jedoch nicht in Betracht, weil die Ehefrau des Klägers am Vermögen der KG nicht beteiligt gewesen sei. Diese richte sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach den festen Kapitalkonten. Maßgebend sei vielmehr der nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen für den Fall der Auseinandersetzung anzusetzende Kapitalanteil, denn hieraus ergebe sich die Höhe der nach dem Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beteiligung der Kommanditistin. Für den Streitfall bedeute dies, daß eine wertmäßige Beteiligung der Ehefrau des Klägers an der KG nicht gegeben gewesen sei, weil der Vermögensanteil der Kommanditistin im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs ihrem fiktiven negativen Abfindungsguthaben nach § 9 des Gesellschaftsvertrages entspreche. Einer Vermögensaufstellung auf den Stichtag des Grundstückserwerbs bedürfe es danach nicht.

Mit der Revision rügt der Kläger unzutreffende Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

1. Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, daß der Übergang des Grundtücks auf den Kläger gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr.4 GrEStG 1983 insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als die Ehefrau des Klägers am Vermögen der KG, die das Grundstück an den Kläger veräußert hat, beteiligt war (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400; vom 21. November 1979 II R 96/76, BFHE 129, 400, BStBl II 1980, 217; und vom 10. Februar 1982 II R 152/80, BFHE 135, 343, BStBl II 1982, 481). Die Ermittlung des maßgebenden Vermögensanteils durch das FG entspricht jedoch nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983.

Nach dem BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 II R 9/66 (BFHE 106, 360, BStBl II 1972, 833) ist Vermögensanteil i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 - soweit keine besonderen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern getroffen sind - die verhältnismäßige (prozentuale) Beteiligung der Gesellschafter an dem nach einer besonderen Vermögensaufstellung auf den Grunderwerbsteuerstichtag ermittelten Reinvermögen der Gesellschaft. Es ist der Anteil zu ermitteln, mit dem der Gesellschafter im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern - also im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander - am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. Nicht in Betracht kommt danach die Auffassung des FG, daß der Vermögensanteil dem Abfindungsguthaben entspreche, das dem ausscheidenden Gesellschafter nach § 9 des Gesellschaftsvertrages vom 20. Juli 1961 zustehen würde. Denn diese Auffassung verkennt, daß der Vermögensanteil i.S. des § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht summenmäßig, sondern verhältnismäßig zu bestimmen ist und daß das Vermögensanteilsverhältnis nur dann aufgrund der Abfindungsquote bestimmt werden könnte, wenn - was im Streitfall nicht gegeben war - der maßgebende Gesellschafter ausgeschieden wäre, weil diese Gestaltung der in § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG 1983 geregelten Auflösung der Gesellschaft gleichzustellen ist (BFH-Urteil in BFHE 106, 360, BStBl II 1972, 833), für welche der vermögensmäßige Wertanteil nach dem Gesetz statt durch das Beteiligungsverhältnis nach einer abweichend vereinbarten Auseinandersetzungsquote zu bestimmen ist.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Anhaltspunkte dafür, daß, wie der Kläger meint, feste und variable Kapitalkonten bestünden und daß der Anteil am Gesellschaftsvermögen sich nicht nach dem Saldo der beiden Kapitalkonten, sondern ausschließlich nach dem Verhältnis der festen Kapitalkonten richte, sind dem vom FG bisher festgestellten Sachverhalt, insbesondere dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen. Die mit einem Festbetrag bestimmte Kommanditeinlage besagt hierfür für sich gesehen nichts, weil dies nur der Ausdruck der nach § 161 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches vorgesehenen Beschränkung der Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage ist. Entscheidend ist, ob - und inwieweit - die Kapitalkonten Ausdruck des gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögens sind oder ob sie - teilweise - den Charakter einer schuldrechtlichen Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft haben (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1980 II R 36/79, BFHE 132, 345, BStBl II 1981, 325 und vom 3. Februar 1988 I R 394/83, BFHE 152, 543, BStBl II 1988, 551). Dies wird das FG aufgrund des Gesellschaftsvertrages und gegebenenfalls weiterer Vereinbarungen der Gesellschafter zu ermitteln und der Bemessung des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1983 maßgebenden Vermögensanteils zugrunde zu legen haben (BFH-Urteil in BFHE 106, 360, BStBl II 1972, 833). Für die Beurteilung des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG im Fall einer Überschuldung der KG wird auf das Urteil des Senats vom 10. Februar 1982 II R 152/80, BFHE 135, 343, BStBl II 1982, 481 hingewiesen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 494

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