Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Verhältnisrechnung zur Ermittlung der 80 v. H.-Grenze gemäß § 1 Nr. 1 Buchst. a NdsGrESWG 1958 sind Zusatzräume im Sinne des § 42 Abs. 4 Nrn. 1, 2 der II. BVO (Zubehör- und Wirtschaftsräume) gleichermaßen bei der Berechnung der Wohn-(Wohnraum-)flächen und der Nutzflächen (Flächen der gewerblichen Räume, Geschäftsräume) außer Ansatz zu lassen.

2. Diese Grundsätze gelten auch für Garagen, die mit dem Grundstück eine Einheit bilden, für die Unterbringung von Personenkraftfahrzeugen der Wohnungsinhaber geeignet und bestimmt und als Zubehörräume im Sinne des § 42 Abs. 4 Nr. 1 der II. BVO zu qualifizieren sind. Unerheblich ist, ob die in solchen Garagen abgestellten Personenkraftfahrzeuge privat oder (auch) beruflich (betrieblich) genutzt werden.

 

Normenkette

NdsGrESWG 1958 § 1 Nr. 1 Buchst. a; II. BV § 42 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Arzt, erwarb Ende 1957 Miteigentum an einem unbebauten Grundstück mit der Verpflichtung, darauf ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Das FA (Beklagter) hatte den Erwerbsvorgang zunächst antragsgemäß auf Grund des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 - NdsGrESWG 1952 - (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 53 - GVBl, 53 -) von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen. Es setzte jedoch nachträglich eine Grunderwerbsteuer fest, weil nach seiner Meinung das zwischenzeitlich errichtete Gebäude nicht mehr als 80 v. H. grundsteuerbegünstigte Wohnungen oder Wohnraum enthielt.

Nach erfolglosem Einspruch erstrebte der Kläger vor dem FG Freistellung von der Grunderwerbsteuer; hilfsweise beanstandete er die Berechnung der Gegenleistung. Nach seinen Berechnungen dienten 81 v. H. der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken. Der Beklagte errechnete jedoch nur einen Wohnflächenanteil von 79,6 v. H.

Der Unterschied beider Berechnungen beruht darauf, daß nach den Feststellungen des FG in der Gesamtnutzfläche, deren Zusammensetzung im übrigen nicht festgestellt ist, (4x 13,52 qm =) 54,08 qm Grundfläche von vier Garagen enthalten sind. Da der Kläger bei seiner Einkommensteuerveranlagung die Aufwendungen für seine beiden Personenkraftfahrzeuge zu 90 v. H. mit Erfolg als Betriebsausgaben geltend gemacht habe, müßten - so der Beklagte - (mindestens) eine Garage als zu 90 v. H. für betriebliche (berufliche) Zwecke verwendet behandelt und der entsprechende Anteil dieser Garagenfläche den betrieblich genutzten Räumen zugerechnet werden.

Das FG hob Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung auf. Es teilte unter Hinweis auf die Urteile des BFH II 83/59 U vom 7. Dezember 1960 (BFH 72, 364, BStBl III 1961, 135) zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG und VI R 49/66 vom 22. Februar 1967 (BFH 88, 176, BStBl III 1967, 315) zu § 7b EStG 1960 die Auffassung des Klägers, daß die zur Wohnung gehörige Garagenfläche ohne Rücksicht auf das Ausmaß der beruflichen Nutzung der Wohnzwecken dienenden Fläche zuzurechnen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Beklagten führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG ist, ohne dies ausdrücklich zu sagen, zutreffend davon ausgegangen, daß die Verhältnisrechnung zur Ermittlung der 80-v. H.-Grenze des § 1 Nr. 1 Buchst. a des NdsGrESWG in der Fassung vom 6. Oktober 1958 (GVBl, 179) nur aus grunderwerbsteuerrechtlichen Gründen und also - insoweit ohne Bindung an Bescheinigungen der Wohnungsbaubehörden - in eigener Zuständigkeit durch die Finanzverwaltungsbehörden, gegebenenfalls durch die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit, anzustellen sind (BFH-Urteil II 213/65 vom 13. August 1969, BFH 98, 210, BStBl II 1970, 338).

In der Frage, ob und wie die Grundfläche von Garagen in die Wohn- und Nutzflächenberechnung zur Ermittlung der 80-v. H.-Grenze einzubeziehen ist, kann weder der Auffassung des FG und des Klägers noch der des Beklagten gefolgt werden.

Hauptgebäude und Garagen sind vom Kläger nach den mit einer Verfahrensrüge nicht angegriffenen, für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 Satz 1 FGO) auf dem erworbenen Grundstück errichtet worden. Die Garagen, die mit dem Wohngebäude tatsächlich und rechtlich eine Einheit bilden, sind nach ihrem Umfang nur zur Abstellung von Personenkraftfahrzeugen einzelner Wohnungsinhaber bestimmt und werden von diesen auch so genutzt. Das genügt zwar - wie der Kläger richtig bemerkt - für deren Einbeziehung in die Grundsteuervergünstigung (vgl. auch Abschn. 6 Abs. 3 der Verwaltungsanordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sowie über Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz des Bundes - VA-II. WoBauG - in der Fassung vom 25. August 1961, BAnz. Nr. 166 vom 30. August 1961, BStBl I 1961, 665, und vom 26. Mai 1967, BAnz. Nr. 102 vom 6. Juni 1967, BStBl I 1967, 250). Richtig ist auch, daß Grundstücke (Grundstücksteile), auf denen Garagen unter diesen Voraussetzungen (mit)errichtet werden, in die Grunderwerbsteuerbefreiung selbst im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues einbezogen werden (vgl. außer dem vom FG zitierten, den Kleinwohnungsbau im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStG betreffenden BFH-Urteil II 83/59 U vom 7. Dezember 1960, a. a. O., noch das Urteil II 16/64 vom 13. Juni 1967, BFH 90, 75, BStBl III 1967, 765, und auch den Beschluß II B 48/69 vom 17. Februar 1970, BFH 98, 372, BStBl II 1970, 332). Nur diese Frage ist auch in dem vom Kläger angeführten Urteil des Senats II 94/57 U vom 16. September 1959 (BFH 70, 10, BStBl III 1960, 5) berührt und nur diese Frage betrifft auch der Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 23. März 1964 S. 4504 - 4-31 3 (BStBl II 1964, 45).

Davon verschieden ist die Frage, ob und wie die Garagenfläche in die Verhältnisrechnung zur Ermittlung der 80-v. H.-Grenze für Grunderwerbsteuerzwecke einzubeziehen ist.

Der Senat hat mehrfach - wenn auch zu § 1 Nrn. 1, 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau (NRWGrEStWG) 1952 (vgl. Urteile II 3/58 U vom 21. Oktober 1959, BFH 70, 14, BStBl III 1960, 6; II 20/63 vom 15. Dezember 1965 - HFR 1966, 126 -) und zu Art. 1 Nr. 1, Art. 3 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Sozialen Wohnungsbau (BayerGrESWG) 1954 (vgl. das o. a. Urteil II 213/65 vom 13. August 1969, BFH 98, 210, BStBl II 1970, 338) - entschieden, daß bei dieser Verhältnisrechnung Zubehörräume und Wirtschaftsräume als bloße Zusatz räume (§ 25 Abs. 3 Nrn. 1, 2 der Ersten Berechnungsverordnung - I. BVO - vom 20. November 1950/17. Oktober 1957, BGBl 1950, 753; BGBl I 1957, 1719, 1731; § 42 Abs. 4 Nrn. 1, 2 der II. BVO vom 17. Oktober 1957, BGBl I 1957, 1719, n. F. vom 1. August 1963, BGBl I 1963, 593, 594) außer Ansatz zu lassen sind, und zwar gleichermaßen nicht nur bei Berechnung der Flächen, die als betrieblich (beruflich) genutzte Flächen die 20-v. H.-Grenze nicht überschreiten dürfen, sondern auch bei der Wohn flächenberechnung. Der Wortlaut der o. a. Landesgesetze deckt sich zwar insoweit nicht vollkommen mit dem des hier maßgebenden § 1 Nr. 1 GrESWG 1958, als dort ausdrücklich auf die "anrechenbare Grundfläche aller Räume (Wohn- und Nutzfläche)" des Gebäudes Bezug genommen wird. Gemeinsam ist aber allen drei Landesgesetzen die entscheidungserhebliche Verknüpfung mit den Vorschriften des sozialen Wohnungsbaues insofern, als das Gebäude mindestens 80 v. H. "Wohnungen oder Wohnraum" enthalten muß, "die ... (nach dem I. bzw. II. WoBauG) grundsteuerbegünstigt sind". In jedem Fall erfordert die Verhältnisrechnung also eine Berechnung und Gegenüberstellung einerseits der (reinen) "Wohn-(Wohnraum-)fläche" und andererseits der anders genutzten (reinen) Nutzfläche, d. h. der Grundfläche der "gewerblichen Räume" - § 25 Abs. 3 Nr. 3 der I. BVO - bzw. die der "Geschäftsräume" - § 42 Abs. 4 Nr. 3 der II. BVO - (BFH 98, 210, 214). Folgerichtig verweist deshalb der vom Kläger angeführte Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 3. Dezember 1958 S 4504 - 4 - 31 3 zu 2a (Nds. MinBl 1959, 6, BStBl II 1959, 6) für die Wohnflächenberechnung zur Anwendung des NdsGrESWG 1958 auf die §§ 25-27 der I. BVO bzw. §§ 42-44 der II. BVO. Bleiben aber für die Frage, ob Wohnungen wegen ihrer Größe überhaupt steuerbegünstigt sind, die Zusatzräume außer Ansatz, so ist - wie der Senat bereits im Urteil II 3/58 U (BFH 70, 17) ausgeführt hat - kein Grund ersichtlich, solche Räume in die Verhältnisrechnung für Grunderwerbsteuerzwecke einzubeziehen. Der insoweit abweichenden Auffassung des Niedersächsischen Ministers der Finanzen in dem Erlaß vom 7. Juni 1957 S 4504 - 4 - 31 3 (Nds. MinBl 1957, 541), dem in diesem Punkt der o. a. Erlaß vom 3. Dezember 1958 entspricht, hat der Senat sich bereits damals nicht anschließen können (BFH 70, 20). Wegen der Gründe im einzelnen wird auf die Urteile II 3/58 U und II 213/65 (a. a. O.) verwiesen. Insbesondere in dem Urteil II 3/58 U (BFH 70, 17 ff.) ist im einzelnen dargelegt, weshalb wegen der Besonderheiten der grunderwerbsteuerrechtlich erforderlichen Verhältnisrechnung - vor allem: Vergleich und Vergleichbarkeit nur der (eigentlichen) Wohn-(Wohnraum-)fläche mit der (eigentlichen) betrieblichen Nutzfläche - die Rechtsprechung des BFH zu § 7b EStG nicht entsprechend angewendet werden kann. - Es zeigt sich kein Anlaß, bei Garagen, wenn es sich um Zusatzräume handelt, anders zu verfahren als bei sonstigen Zusatzräumen, es sei denn, daß dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist (vgl. für Baden-Württemberg GrEStG 1966 § 8 Abs. 6, für Hessen GrEStG 1965 § 4 Abs. 8, Unterabsatz 3). Aus diesem Grunde kann sich das FG auf das BFH-Urteil VI R 49/66 vom 22. Februar 1967 (a. a. O.) schon deshalb nicht für diese Auffassung berufen, weil § 7b EStG in seinem durch das StÄndG 1960 (BGBl I 1960, 616) eingefügten Abs. 6 eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Garagen enthält. Im übrigen ist für die Abgrenzung zwischen Wohnfläche und anderweitiger Nutzfläche das EStG unerheblich; sie wird, soweit die Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetze nichts Abweichendes vorschreiben, allein durch die von ihnen in Bezug genommenen Vorschriften der Wohnungsbaugesetze gezogen. Besteht eine solche, von den allgemeinen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau abweichende gesetzliche Regelung nicht, so ist es bei der im vorliegenden Fall maßgebenden Art der Verhältnisrechnung - im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten - unerheblich und auch unschädlich, wenn das Personenkraftfahrzeug überwiegend oder ausschließlich beruflich (betrieblich) genutzt wird.

Es kommt also - wie bei ähnlichen Räumen - darauf an, ob die Garage als Zubehör- oder Wirtschaftsraum und somit als Zusatzraum im Sinne des § 42 Abs. 4 Nrn. 1, 2 der II. BVO oder sogar als selbständiger Geschäftsraum im Sinne des § 42 Abs. 4 Nr. 3 der II. BVO (gewerblicher Raum; vgl. § 25 Abs. 3 Nr. 3 der I. BVO) anzusprechen ist (vgl. auch DIN-Vorschrift 283, Bl. 1 zu 3.11, 4.1, 4.2). Das wird letztlich entscheidend davon abhängen, ob die Garage nach ihrer objektiven baulichen Anlage nur als Zubehör- oder Wirtschaftsraum für Personenkraftfahrzeuge oder u. U. auch für kleinere Nutzfahrzeuge, z. B. kleinere Lieferwagen, geeignet und bestimmt ist. Denkbar wäre aber auch, daß eine Garage selbständig Geschäftsraumcharakter hat; dies etwa dann, wenn in Garagenräumen unmittelbar ein Geschäftsbetrieb ausgeübt wird bzw. wenn die Garage zum Unterstellen von LKW geeignet und bestimmt ist (vgl. auch Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Teilband IV, II. BVO, § 42 Abschn. 9 S. 19; Troll, VA-II. WoBauG, Abschn. 6 Anm. 5; DIN-Vorschrift 283 Bl. 1 zu 4). Ob die Garagenfläche im letztgenannten Fall als (ausschließlich) gewerblicher Raum, als Geschäftsraum (§ 42 Abs. 4 Nr. 3 der II. BVO) bei der Verhältnisrechnung der betrieblich genutzten Fläche hinzugerechnet werden müßte, ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn nach den Feststellungen des FG sind - wie schon erwähnt - die Garagen, die mit dem Grundstück eine Einheit bilden, für die Unterbringung von Personenkraftfahrzeugen der Wohnungsinhaber bestimmt. Sie sind als Zubehörraum im Sinne des § 42 Abs. 4 Nr. 1 der II. BVO zu qualifizieren; ihre Grundfläche ist somit - wie die etwaiger sonstiger Zusatzräume (§ 42 Abs. 4 Nrn. 1, 2 der II. BVO) - nicht in die für die Verhältnisrechnung maßgebende Fläche einzubeziehen.

Das Urteil des FG war aufzuheben, da es von anderen rechtlichen Erwägungen hinsichtlich der Flächenberechnung und -zuordnung im Rahmen der Verhältnisrechnung ausgeht.

Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das Urteil des FG enthält keine eigenen Feststellungen über die Wohn- und Nutzflächen und - von der Garagenfläche abgesehen - über die Zusatzräume und über die für die Verhältnisrechnung maßgebende Flächenaufgliederung. Es ist nicht auszuschließen, daß in der vom FG mit 81 v. H. als Wohnzwecken dienend angenommenen Fläche (und überhaupt in der vom FG offenbar zugrunde gelegten Gesamtnutzfläche) außer den Garagen auch andere Nebenräume enthalten sind.

Das FG wird zu prüfen haben, ob sich unter Berücksichtigung der neuen rechtlichen Beurteilung neue Gesichtspunkte für die Nutz- und Wohnflächen-Verhältnisrechnung zur Ermittlung der 80-v. H.-Grenze ergeben.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 532

BFHE 1971, 129

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