Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Pauschbesteuerung von Molkereigenossenschaften nach Abschn. 73 Abs. 6 KStR 1950.

Zur Frage des Kriegsendes im Sinne des § 21 Abs. 4 StVVO 1944.

KStG 1950 § 21, § 23; KStDV 1950 § 33b; StVVO vom 14. September 1944 (RStBl. S. 577, RGBl. I S.

 

Normenkette

KStG §§ 21, 23; KStDV § 33b; StVVO §§ 18, 21 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Molkereigenossenschaft, verarbeitet neben der von ihren Genossen - rund 280 Personen - angelieferten Milch in erheblichem Umfange Milch von anderen Bauern - rund 800 Personen - aus dem ihr zugewiesenen Einzugsgebiet. Der Anteil der von Nichtmitgliedern gelieferten Milch betrug

im Jahre 1950 41,06% von 10.926.000 Ltr., im Jahre 1951 42,12% von 10.324.000 Ltr.

Die Bfin. hat für die verbundenen Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949 auf Grund von Abschn. 63 Abs. 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) II/1948 und 1949 (Abschn. 73 Abs. 6 KStR 1950) Besteuerung der Gewinne aus Nichtmitglieder-Geschäften nach einem Pauschbetrag beantragt und ist dementsprechend mit dem Gewinn aus Nichtmitglieder-Geschäften auch veranlagt worden (Pauschalierung nach dem sogenannten Kieler Verfahren, nämlich in der Hauptsache Gewinn von 1,50 DM je 1.000 kg Nichtmitgliedermilch). Nachdem das Finanzamt auf Grund einer Betriebsprüfung im März 1952 zu der Auffassung gelangt war, daß diese Schätzung des Gewinns aus Nichtmitglieder-Geschäften den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werde, hat es erstmals für 1950 den auf die Nichtmitglieder-Geschäfte entfallenden Gewinn nach dem Verhältnis der Milchanlieferung der Nichtmitglieder zur gesamten Milchanlieferung geschätzt und hat dabei den steuerpflichtigen Gewinn wie folgt geschätzt:

für 1950 steuerlicher Gesamtgewinn - - - - - - - - 180.137 DM davon entfallen auf die Milchlieferung von Nichtmitgliedern 41,06 % von 178.989 DM = --- 73.492 DM + Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - 1.148 DM ergibt steuerpflichtiges Einkommen - - - - 74.640 DM für 1951 Gewinn - - - - - - - - - - - - - - - - - 82.289 DM davon entfallen auf das Nichtmitglieder-Geschäft 42,12% von 81.458 DM = - - - - - - - - - - 34.310 DM + Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - 832 DM ergibt Einkommen - - - - - - - - - - - - - - 35.142 DM. Dementsprechend hat das Finanzamt die Körperschaftsteuer für 1950 auf 37 320 DM für 1951 auf 21 084 DM festgesetzt.

Mit ihrem Einspruch gegen diese Veranlagung begehrte die Steuerpflichtige Pauschalierung unter Anwendung des bisher angewandten Kieler Verfahrens und demgemäß Herabsetzung des Gewinns aus Nichtmitglieder-Geschäften (1,75 DM je 1.000 kg für 1950 auf 7.852 DM und für 1951 auf 7.913 DM. Sie erblickt in dem Abgehen des Finanzamts von dem Kieler Verfahren erst nach Ablauf des Zeitabschnittes ohne vorherige Ankündigung einen Verstoß gegen Treu und Glauben, nachdem das Finanzamt schon durch die Betriebsprüfung im Juni 1950 über das Verhältnis der Milchanlieferung von Genossen und Nichtgenossen unterrichtet worden sei. Sie habe im Vertrauen darauf, daß das Finanzamt dieses Pauschalierungsverfahren entsprechend den KStR II/1948 und 1949 Abschn. 63 Abs. 6 auch weiterhin anwenden werde, ihr Geschäftsgebaren entsprechend eingestellt und insbesondere im Jahre 1950 ein niedrigeres Milchgeld als andere Molkereien gezahlt, um so die erforderlichen Investierungen in ihrem Geschäftsbetrieb ohne Erhöhung der Geschäftsanteile und Inanspruchnahme von Krediten durchführen zu können.

Der Steuerausschuß hat entsprechend dem Antrag der Steuerpflichtigen die Steuer für die beiden Jahre auf 4.500 DM und 5.244 DM herabgesetzt, da er in dem Vorgehen des Finanzamts einen Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt hat. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Vorstehers des Finanzamts.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt:

Eine Molkereigenossenschaft habe keinen Rechtsanspruch, für alle Zukunft nach dem einmal angewandten Pauschalierungsverfahren veranlagt zu werden. Das Abgehen sei nicht an die Voraussetzungen des § 96 der Reichsabgabenordnung (AO) gebunden. Es handele sich hier nicht um Gewährung einer Vergünstigung an einen Steuerpflichtigen, sondern um eine Schätzungsmethode bei der Veranlagung. Die Finanzämter seien im übrigen bereits im Jahre 1941 von der Oberfinanzdirektion darauf hingewiesen worden, in geeigneten Fällen den Gewinnanteil nach dem Umsatzverhältnis zu ermitteln. Daß dies im vorliegenden Fall angebracht gewesen sei, zeige das Mißverhältnis der Berechnung der Gewinne nach den beiden Verfahren, nämlich für 1950 7.892 DM zu 73.492 DM für 1951 7.618 DM zu 34.310 DM.

Die Genossenschaft habe sich sehr erhebliche offene Reserven schaffen können. Sie hätten in der DM-Eröffnungsbilanz 44.444 DM, in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 273.696 DM betragen. Daneben sei es ihr gelungen, ihren ganzen Betrieb unter Aufwand erheblicher Mittel zu modernisieren, und zwar ohne Erhöhung des Geschäftsanteils und ohne Aufnahme von fremden Mitteln von Bedeutung. Hierbei seien die stillen Reserven, die sie durch Abschreibungen auf das Anlagevermögen angesammelt habe, noch nicht berücksichtigt. Bei der Höhe ihrer Abschreibungen sei jedoch mit erheblichen stillen Reserven in den Anlagewerten zu rechnen. Das günstige Ergebnis sei zum Teil auf Kosten der bisherigen ungenügenden Besteuerung erzielt worden, daneben aber auch auf Kosten der Milchlieferer, die nicht Genossen geworden seien. Sie habe das Milchgeld außerordentlich niedrig gehalten. Bei der Höhe der Gewinne entspreche es der Billigkeit, daß sie der Steuer unterworfen würden. Die Besteuerung verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt im wesentlichen ihr Vorbringen im Berufungsverfahren. Es treffe nicht zu, daß die Nichtmitglieder ungünstig gefahren seien. Sie seien jederzeit in der Lage, als Genossen in die Genossenschaft einzutreten und auf diese Weise den gleichen Status wie die Genossen zu erwerben.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. muß der Erfolg versagt werden.

Die Anweisungen in Abschn. 63 Abs. 6 KStR II/1948 und 1949 sind in ihren Grundlagen bereits in dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1939 (S 2515 - 300 III), Reichssteuerblatt (RStBl.) S. 1198, enthalten. "Die Körperschaftsteuer für Gewinne aus Nichtmitgliedergeschäften kann in einem Pauschbetrag festgesetzt werden". Die rechtliche Grundlage dieser Anweisung bildete § 21 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), der es zuläßt, daß das Finanzamt die Körperschaftsteuer in einem Pauschbetrag festsetzen kann, wenn das steuerpflichtige Einkommen offenbar geringfügig ist und die genaue Ermittlung dieses Einkommens zu einer unverhältnismäßig großen Verwaltungsarbeit führen würde.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfalle nicht gegeben. Es handelt sich nicht um offenbar geringfügige Steuerbeträge.

Die Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens bei Steuernachforderungen vom 28. Juli 1941, RStBl. S. 569, läßt ebenfalls eine Pauschbesteuerung für nachzuholende Steuern zu. Im Streitfalle handelt es sich aber nicht um eine Nachholung von Steuern auf Grund von Berichtigungsveranlagungen, sondern um die erstmalige Veranlagung. Die Verordnung scheidet deshalb für die Beurteilung des Rechtsproblems aus. Des weiteren hat § 18 der Steuervereinfachungsverordnung (StVVO) vom 14. September 1944, RStBl. S. 577, zugelassen, daß die Besteuerungsgrundlagen im Pauschweg ermittelt und die Steuern im Pauschbetrag festgesetzt werden können. Die Bestimmung war in § 21 Abs. 4 der Verordnung in ihrer Wirksamkeit auf die Dauer des Krieges beschränkt.

Der Zeitpunkt des Kriegsendes ist in der Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. Siehe hierzu insbesondere Urteil des Oberlandesgerichts Köln I U 239/47 vom 16. Oktober 1947, Monatsschrift für deutsches Recht (MdR) 1948 S. 418; Urteil des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen (ZS 65/48) vom 8. Juli 1948, Slg. der Entscheidungen Bd. 1 S. 133; Beschluß des Oberlandesgerichts Nürnberg W 194/49 vom 22. April 1949, MdR 1949 S. 420; Beschluß des Bundesgerichtshofs - V Blw 60/50 vom 3. April 1951 (Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 67), die vom Bundesfinanzhof zur StVVO ergangenen Urteile II 125/51 U vom 21. Dezember 1951, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1952 III S. 35, Slg., Bd. 56 S. 88 und III 230/51 S vom 28. Februar 1952, BStBl. III S. 84, Slg. Bd. 56 S. 207, sowie das Urteil des Finanzgerichts Hamburg I 158 - 169/49 vom 20. Oktober 1949, Deutsche Steuer-Zeitung (Eildienst) 1950 S. 74. Mittelbar wurde zu der Frage auch durch die Rechtsprechung zu den Verordnungen über die Erhebung der Gewerbesteuer in vereinfachter Form Stellung genommen.

Zunächst ist davon auszugehen, daß völkerrechtlich der Krieg nicht durch Einstellung der Kampfhandlungen ohne weiteres als beendet gilt, des weiteren, daß für seine Beendigung auch nicht ein Friedensvertrag unbedingt erforderlich ist. Der Krieg kann durch eine einseitige Erklärung eines kriegführenden Staats oder durch eine konkludente Handlung beendigt werden (im einzelnen siehe Lehrbuch des Völkerrechts von Paul Guggenheim, Verlag für Recht und Gesellschaft AG Basel 1951, Bd. 2 S. 820). Im Rahmen dieser völkerrechtlichen Beurteilung wäre die Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, daß der Kriegszustand zwischen Deutschland und USA offiziell seit dem 19. Oktober 1951 beendet sei (Stuttgarter Nachrichten vom 25. Oktober 1951, Die Neue Zeitung Nr. 251 vom 25. Oktober 1951) und die Erneuerung des Freundschaftsvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten im im Jahre 1953 (siehe Die Neue Zeitung Nr. 130 vom 4. Juni 1953) von Bedeutung. Der Senat tritt jedoch der Auffassung bei, wie sie insbesondere in den oben mitgeteilten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln und des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone zum Ausdruck kommt, daß der Begriff "Krieg" in den inländischen Gesetzen, also für das innerdeutsche Recht, unter Berücksichtigung des Einzelfalles auszulegen und hierbei der Gesetzeswortlaut nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte und des Zusammenhanges entscheidend ist. § 18 StVVO diente der Vereinfachung der Steuererhebung mit Rücksicht auf die seinerzeitigen kriegsbedingten Verhältnisse bei den Steuerpflichtigen und den Finanzämtern. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß auch die Besteuerungsgrundlagen im Pauschwege ermittelt werden konnten. Es wurde also sogar auf eine sorgfältige Ermittlung des Tatbestandes verzichtet. Man wird jedenfalls für die Zeit nach der Währungsumstellung der Auffassung zustimmen müssen, daß eine Weiterdauer des Krieges im Sinne dieser Vorschrift nicht mehr gegeben war (Kommentar zum Einkommensteuergesetz von Blümich-Falk S. 770). Die von den Ländern der amerikanischen Besatzungszone erlassenen Gesetze über den einstweiligen Nichteintritt der an den Begriff des Kriegsendes geknüpften Rechtsfolgen (siehe Gesetz Nr. 84 vom 20. September 1947, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1947 S. 200) scheiden hier aus, da es sich um eine Genossenschaft der britischen Besatzungszone handelt. Im übrigen ist auch folgendes zu beachten.

Die Pauschbesteuerung soll, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, nicht die materiellen Bestimmungen des Einkommensteuerrechts dergestalt verändern, daß nunmehr eine diesen Bestimmungen zuwiderlaufende Steuer festgesetzt wird. Sie ist lediglich ein vereinfachtes Schätzungsverfahren, das zu einem im wesentlichen gleichartigen Ergebnis führen soll, wie die normale Besteuerung. Die Pauschsätze sind keine Durchschnittsätze im Sinne des § 29 des Einkommensteuergesetzes. Stehen sie mit der Wirklichkeit in einem unvereinbaren Gegensatz, so kann ihre Anwendung nicht mit Rücksicht darauf gefordert werden, daß der Steuerpflichtige auf sie einen Anspruch habe. Auch der Einwand des Grundsatzes von Treu und Glauben ist nicht gerechtfertigt. Treu und Glauben entspricht es in erster Linie, daß die Steuern gleichmäßig nach den gesetzlichen Bestimmungen erhoben werden. Aus einer entgegenkommenden Behandlung in früheren Jahren kann nicht der Anspruch hergeleitet werden, auch in späteren Jahren zu einer den gesetzlichen Bestimmungen widersprechenden zu niedrigen Veranlagung herangezogen zu werden. Bei dem großen Unterschied zwischen dem Pauschsatz und dem tatsächlichen Gewinn mußte die Bfin. mit der Möglichkeit einer Abweichung von den Pauschsätzen rechnen.

Die Rb. wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407863

BStBl III 1954, 114

BFHE 1954, 534

BFHE 58, 534

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