Leitsatz (amtlich)

§ 121 a BewG ändert nichts daran, daß beim Grundstückserwerb zur Rettung eines Grundpfandrechts (§ 9 Abs. 1 GrEStG) die Einziehung der Nachsteuer (§ 9 Abs. 2 GrEStG) unbillig sein kann (§ 131 AO), wenn infolge der mittelbaren (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG) Bezugnahme des § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG auf den Einheitswert (§ 12 Abs. 1 GrEStG) die Nachsteuer entsteht, obwohl der Grundpfandgläubiger bei der Weiterveräußerung des Grundstücks einen Verlust an seinen ausgefallenen Rechten nicht abdecken konnte (BFHE 105, 172, BStBl II 1972, 503).

 

Normenkette

AO § 131 Abs. 1 S. 1; GrEStG 1940 § 9 Abs. 2; VStRG Art. 2 Nr. 28; BewG § 121a

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Sparkasse, hat im August 1973 bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks das Meistgebot von 171 000 DM abgegeben. Ihre eigenen Grundpfandrechte sind dabei in Höhe von 34 283,61 DM ausgefallen. Das FA hatte die Klägerin zunächst von der Grunderwerbsteuer freigestellt.

Die Klägerin hat für die Fertigstellung des auf dem ihr zugeschlagenen Grundstück errichteten Gebäudes 2 414,65 DM aufgewandt. Im November 1974 hat sie das Grundstück für 210 500 DM verkauft. Das FA hat die Grunderwerbsteuer auf das Meistgebot in Höhe von 11 970 DM nacherhoben.

Die Klägerin hat wegen des ihr verbliebenen Verlustes an ihren Rechten Erlaß, später Erstattung der Steuer aus Billigkeitsgründen beantragt. Das FA (Beklagter) hat den Antrag abgelehnt, die OFD die Beschwerde zurückgewiesen. Das FG hat den Beklagten verpflichtet, die Steuer in Höhe eines Teilbetrags von 10 569,13 DM zu erstatten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil entspricht dem Grunde und der Höhe nach dem Standpunkt, den der BFH in dem Urteil vom 9. Februar 1972 II R 99/70 (BFHE 105, 172, BStBl II 1972, 503) eingenommen hat. Dort ist erkannt und des näheren begründet, daß beim zunächst befreiten Grundstückserwerb zur Rettung eines Grundpfandrechts (§ 9 Abs. 1 GrEStG 1940) die Nacherhebung der Steuer (§ 9 Abs. 2 GrEStG 1940) im Sinne des § 131 der AO unbillig sein kann, wenn infolge der zwingenden mittelbaren (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrEStG 1940) Bezugnahme des § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1940 auf den Einheitswert (§ 12 Abs. 1 GrEStG 1940) die Nachsteuer entsteht, obwohl der Grundpfandgläubiger bei der Weiterveräußerung des Grundstücks einen Verlust an seinen ausgefallenen Rechten nicht abdecken konnte.

Der Beklagte hat es nicht unternommen, den Rechtsstandpunkt dieses ihm bekannten Urteils zu erschüttern; es genügt daher, insoweit auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 9. Februar 1972 Bezug zu nehmen.

Der Beklagte macht mit der Revision lediglich geltend, der Gesetzgeber habe mit § 121 a BewG in der Fassung des Art. 2 Nr. 28 des Vermögensteuer-Reformgesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 949) die in dem Urteil vom 9. Februar 1972 des näheren dargelegten Härten "bewußt in Kauf genommen". Für diese Behauptung gibt es so wenig einen Beleg wie für die weitere, daß "die Nachversteuerung gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG unter Berücksichtigung der neuen Einheitswerte zum 1. Januar 1974 den Wertungen des Gesetzgebers entspreche", ganz abgesehen davon, daß nach dem eigenen Zugeständnis des Beklagten "dieser neue Einheitswert zum 1. Januar 1974 in diesem Fall nicht für die Vergleichsrechnung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG bei der Steuerfestsetzung zum Zuge kommt".

Das Urteil vom 9. Februar 1972, mit dem sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt hat, hat ausdrücklich hervorgehoben, daß "die Bezugnahme auf die Einheitswerte (§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 12 Abs. 1 GrEStG 1940) schon unabhängig von § 3 a Abs. 1 BewDV"- und damit unabhängig von dem auf den 1. Januar 1935 festgeschriebenen Bewertungsstichtag -"zu Diskrepanzen einerseits zwischen dem Wortlaut und Wortsinn und andererseits dem Zweck des Gesetzes (§ 9 Abs. 2 GrEStG 1940) führt". Auch der Beklagte weiß kein Motiv zu nennen, weshalb der Gesetzgeber zwar in § 9 Abs. 1 GrEStG 1940 den meistbietenden Grundpfandgläubiger von der Steuer befreit, weil er ganz oder teilweise mit seinen Rechten ausgefallen ist, den Erwerber aber bei der - ebenfalls der Rettung des Werts der Grundpfandrechte dienenden - Weiterveräußerung dann doch für die Grunderwerbsteuer auf sein Meistgebot hätte in Anspruch nehmen wollen, selbst wenn dabei der eingetretene Verlust nur zum Teil abgedeckt werden konnte. Das wäre um so widersprüchlicher, als nach dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 4 GrEStG 1940 selbst der Gläubiger, der bei der Weiterveräußerung seinen Verlust voll abdecken konnte, die Steuer für sein Meistgebot nur insoweit zu entrichten hat, als sie aus der Hälfte des Mehrerlöses gedeckt werden kann.

Der Zusammenhang des Art. 2 Nr. 28 des Vermögensteuer-Reformgesetzes vom 17. April 1974 erlaubt nicht, dem Gesetzgeber zu unterstellen, daß er ein derart widersprüchliches Ergebnis gewollt habe. Schon dem Wortlaut nach ist § 121 a BewG nicht mehr als eine allgemeine Anpassungsvorschrift dahingehend, daß "während der Geltungsdauer der auf den Wertverhältnissen am 1. Januar 1964 beruhenden Einheitswerte des Grundbesitzes" diese auch für "die Grunderwerbsteuer mit 140 vom Hundert anzusetzen" sind. Sie gilt gleichermaßen "für die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens, für die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus" und gibt bei diesen so wenig wie bei der Grunderwerbsteuer eine Auslegungsregel.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 123

BFHE 1977, 290

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