Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufteilung der Steuerschuld als Aufrechnungsbeschränkung

 

Leitsatz (NV)

Die Aufteilung einer Steuerschuld kann auch beantragt werden, um eine Aufrechnung des FA auf den Aufteilungsbetrag zu beschränken, der auf den antragstellenden Ehegatten entfällt.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 44, 268ff, 276, 226

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde für das Kalenderjahr . . . mit ihrem . . . verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Veranlagung führte zu einer Steuernachforderung, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) u. a. mit Steuerguthaben der Klägerin aufgrund ihrer Einkommensteuerveranlagung . . . verrechnete. Das FA erteilte der Klägerin über das Einkommensteuerguthaben . . . und die hiergegen vorgenommenen Verrechnungen (Aufrechnungen) unter dem . . . einen Abrechnungsbescheid, gegen den die Klägerin Einspruch einlegte.

Bereits am . . . hatte die Klägerin beim FA beantragt, die rückständige Einkommensteuer . . . gemäß § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) aufzuteilen. Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, daß es an Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fehle. Den Einspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid wies es ebenso wie den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid mit Einspruchsentscheidung . . . zurück.

Die Klage der Klägerin, mit der diese u. a. beantragte, unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerschuld . . . gemäß § 7 Abs. 3 StAnpG aufzuteilen und ihr auf der Grundlage der aufgeteilten Einkommensteuerschuld . . . einen geänderten Abrechnungsbescheid zu erteilen, blieb insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Das FA habe zu Recht mit der von der Klägerin als Gesamtschuldnerin (§ 7 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 StAnpG, § 44 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) geschuldeten Einkommensteuer . . . gegen deren Erstattungsansprüche aus der Einkommensteuerveranlagung . . . aufgerechnet. Der Abrechnungsbescheid . . ., der diese Aufrechnung zum Ausdruck bringe, sei damit rechtmäßig. Eine Aufteilung der Steuerschuld mit der Folge, daß nur hinsichtlich des auf die Klägerin entfallenden anteiligen Steuerbetrages hätte aufgerechnet werden dürfen, komme nicht in Betracht. Die Aufteilung der Gesamtschuld bei zusammenveranlagten Ehegatten nach § 7 Abs. 3 StAnpG i. V. m. der Aufteilungsverordnung (AufteilV) vom 8. November 1963 (BGBl I, 785) - jetzt §§ 268 ff. AO 1977 - habe nur vollstreckungsrechtliche Bedeutung; die Aufrechnung stelle aber keine Vollstreckungsmaßnahme dar. Da im Streitfall Vollstreckungsmaßnahmen nicht eingeleitet worden seien, sei der Antrag auf Aufteilung ins Leere gegangen und deshalb zu Recht abgelehnt worden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, die Aufteilung einer Gesamtschuld setze nicht die Einleitung der Zwangsvollstreckung bzw. die Ausfertigung einer Rückstandsanzeige voraus. Auch die Aufrechnung gegen den Willen des Gesamtschuldners, der im Falle einer Aufteilung diesen Betrag nicht schulde, stehe in ihrer Wirkung der Vollstreckung gleich. Deshalb sei im Streitfall die Ablehnung der beantragten Aufteilung rechtswidrig. Das Verwaltungshandeln und die Rechtsauslegung des FG verstießen gegen das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da sie Ehegatten in der Weise benachteiligten, daß jeder von ihnen unabwendbar für die Steuerschulden des anderen aufkommen müsse. § 7 Abs. 3 StAnpG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß sich ein Ehegatte mit dem Aufteilungsantrag gegen die Haftung für die Schulden des anderen Ehegatten schützen könne, glechgültig ob diese Haftung im Wege der Zwangsvollstreckung, der Aufrechnung oder in sonstiger Weise verwirklicht werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung - soweit die Klage abgewiesen worden ist -, der Einspruchsentscheidung und des die Aufteilung ablehnenden Verwaltungsakts, das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerschuld 1969 gemäß § 7 Abs. 3 StAnpG aufzuteilen, sowie den Abrechnungsbescheid dahin abzuändern, daß die Abrechnung auf der Grundlage der aufgeteilten Einkommensteuerschuld . . . erfolgt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es hält eine Aufteilung der Gesamtschuld nur in den Fällen für zulässig, in denen tatsächlich Vollstreckungsmaßnahmen drohen oder eingeleitet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, und zur Verpflichtung des FA, die beantragte Aufteilung der Einkommensteuerschuld . . . vorzunehmen; der Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer . . . ist dahin abzuändern, daß die Aufrechnung des FA mit der Einkommensteuer . . . nur hinsichtlich des auf die Klägerin entfallenden Aufteilungsbetrages wirksam ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Das Verfahren über die Aufteilung der Einkommensteuer . . ., die die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann aufgrund der Zusammenveranlagung als Gesamtschuldner schulden, ist nach den Vorschriften der AO 1977 zu Ende zu führen, da es - aufgrund des Antrags der Klägerin vom . . . am 1. Januar 1977 anhängig war (Art. 97 § 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Es gelten also die §§ 268 ff. AO 1977, die sich indes nicht entscheidungserheblich von den bis zum Inkrafttreten der AO 1977 geltenden Vorschriften des § 7 Abs. 3 StAnpG und der dazu ergangenen AufteilV, auf die das FG und die Beteiligten in ihren Stellungnahmen abgestellt haben, unterscheiden.

b) Nach § 268 AO 1977 können Personen, die zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt wurden und deshalb Gesamtschuldner sind (§ 44 Abs. 1 AO 1977), beantragen, daß die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO 1977 bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Nach dem Wortlaut der Aufteilungsvorschriften (vgl. auch §§ 277, 278 AO 1977 und § 7 Abs. 3 Satz 4 StAnpG) führt also die Aufteilung der Gesamtschuld, wie es auch das FG angenommen hat, lediglich zu einer Vollstreckungsbeschränkung. Der erkennende Senat hat aber in seinem Urteil vom 12. Januar 1988 VII R 66/87 (BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406) entschieden, daß die Aufteilung nicht nur eine Vollstreckungsbeschränkung im rechtstechnischen Sinne zur Folge hat, sondern jegliche Verwirklichung der Gesamtschuld über den auf den jeweiligen Ehegatten entfallenden Aufteilungsbetrag hinaus ausschließt. Der Senat hat dies aus § 276 Abs. 6 AO 1977 hergeleitet. Danach sind Zahlungen, die in den Fällen des Abs. 1 (Aufteilungsantrag vor Einleitung der Vollstreckung) nach Antragstellung, in den Fällen des Abs. 2 (Aufteilungsantrag nach Einleitung der Vollstreckung) nach Einleitung der Vollstreckung von einem Gesamtschuldner geleistet worden sind, dem Schuldner anzurechnen, der sie geleistet hat; im Falle einer Überzahlung gegenüber dem Aufteilungsbetrag ist der überzahlte Betrag diesem Schuldner zu erstatten (§ 276 Abs. 6 Satz 2 AO 1977; ebenso § 11 Abs. 5 AufteilV). Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Vorschrift des § 276 Abs. 6 AO 1977 auch, daß nach der Aufteilung der Gesamtschuld eine Aufrechnung gegenüber einem Ehegatten insoweit nicht mehr zulässig ist, als die aufzurechnende Steuerforderung auf den anderen Ehegatten entfällt.

Die Aufteilung der Gesamtschuld hat demnach - entgegen der Vorentscheidung - nicht nur vollstreckungsrechtliche Bedeutung, sondern sie führt auch zu einer Aufrechnungsbeschränkung. Daraus folgt, daß jeder Ehegatte - unabhängig davon, ob die Zwangsvollstreckung wegen der Gesamtschuld eingeleitet ist oder droht - befugt sein muß, deren Aufteilung zu beantragen, um eine Aufrechnung des FA mit der Gesamtschuld ihm gegenüber auf den auf ihn entfallenden Aufteilungsbetrag zu beschränken. Aus § 276 Abs. 1 AO 1977 ergibt sich - entgegen der Rechtsauffassung des FA und des FG - zweifelsfrei, daß der Aufteilungsantrag vor Einleitung der Vollstreckung bei der Finanzbehörde gestellt werden kann (ebenso: § 11 Abs. 1 AufteilV; vgl. auch Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 7 StAnpG Tz. 5 und 13. Aufl., § 276 AO 1977 Tz. 2). Der Antragsteller muß lediglich - was die Klägerin im Streitfalle beachtet hat - die Bekanntgabe des Leistungsgebots abwarten (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, § 1 Abs. 2 Satz 1 AufteilV). Die Antragstellung vor oder nach Einleitung der Vollstreckung - dieser Zeitpunkt wird mit der Ausfertigung der Rückstandsanzeige bestimmt (§ 276 Abs. 5 AO 1977) - hat nur Bedeutung für den Umfang der aufzuteilenden Steuer (§ 276 Abs. 1 und 2 AO 1977; § 11 Abs. 1 und 2 AufteilV).

Die Klägerin war somit berechtigt, die Aufteilung der von ihr und ihrem Ehemann geschuldeten Einkommensteuer . . . zu beantragen, um das FA daran zu hindern, mit dem Steuerbetrag, der bei Aufteilung auf ihren Ehemann entfallen würde, gegen den allein der Klägerin zustehenden Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung . . . aufzurechnen. Das FA war nicht berechtigt, die beantragte Aufteilung abzulehnen. Es war demnach zu verpflichten, den Aufteilungsbescheid zu erlassen.

2. Die Aufteilung der Einkommensteuerschuld . . . auf die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann - nach dem Verhältnis der Beträge, die sich bei getrennter Veranlagung ergeben würden (§ 270 AO 1977) - hat zur Folge, daß das FA gegen den Steuererstattungsanspruch der Klägerin aus der Einkommensteuerveranlagung . . . nur noch mit dem Steuerbetrag . . . aufrechnen kann, der nach der Aufteilung auf die Klägerin entfällt. Hinsichtlich des auf den Ehemann entfallenden Aufteilungsbetrages fehlt es an der für die Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit (§ 226 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Der gegen die Klägerin ergangene Abrechnungsbescheid über die Einkommensteuer . . . erweist sich nach der Aufteilung als fehlerhaft, da er von einer Aufrechnung mit der gesamten Einkommensteuerschuld . . . ausgeht, die aber hinsichtlich des auf den Ehemann entfallenden Anteils unwirksam ist. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist demnach dem Ergebnis des Aufteilungsbescheids entsprechend zu ändern. Dabei ist der verbleibende Steuererstattungsbetrag . . . unter Berücksichtigung einer Aufrechnung des FA, die auf den auf die Klägerin entfallenden Aufteilungsbetrag beschränkt ist, neu festzusetzen. Die Berechnung dieses Betrages wird unter Aufhebung des Abrechnungsbescheids, soweit dieser fehlerhaft ist, nach Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit dem FA übertragen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 6

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