Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der VI. Senat schließt sich der vom I. Senat in der Entscheidung I 200/55 S vom 17. Juli 1956 (Slg. Bd. 63 S. 306, BStBl 1956 III S. 316) vertretenen Auffassung an, daß § 13 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 4 EStDV 1949 (1952) keine die Steuergerichte bindende Rechtsnorm ist.

Zur Auslegung des § 27 Ziff. 1 EStDV 1955. EStG § 9; EStDV 1952 § 13 Abs. 1 Ziff. 1; EStDV 1955 §

 

Normenkette

EStG § 9; EStDV § 13 Abs. 1 Ziff. 1, § 27 Ziff. 1, § 10a/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerinnen sind Eigentümer eines Mietwohngrundstücks. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung stehen ihnen je zur Hälfte zu. Das Mietwohngrundstück ist den Beschwerdeführerinnen von ihrem Vater auf Grund eines "Ausstattungsvertrags" in 1951 mit Wirkung vom 1. Januar 1952 übertragen worden. Die Eltern haben ein "Nießbrauchrecht" auf Lebenszeit derart, daß sie zwei Wohnräume für sich allein und die dazugehörenden Nebenräume zusammen mit den Kindern oder den Mietern benutzen dürfen. Den Eltern ist vorbehalten, von dem Ausstattungsvertrag zurückzutreten. In diesem Falle muß das Mietwohngrundstück auf sie zurückübertragen werden. Bei der Berechnung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1952 haben die Beschwerdeführerinnen als Absetzung für Abnutzung (AfA) 400 DM (= 1 v. H. der in 1936 aufgewendeten Herstellungskosten von angeblich 40.000 RM) angesetzt. Das Finanzamt dagegen setzte bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte eine AfA von nur 194 DM an (= 1 v. H. des um 3.500 DM für Grund und Boden gekürzten Einheitswerts von 19.400 DM).

Die Sprungberufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht hielt zwar ebenfalls den Ansatz von 400 DM nicht für gerechtfertigt. Es schätzte aber die Lebensdauer des Gebäudes auf nur noch 80 Jahre und ging demnach für die Berechnung der AfA von einem Satz von 1,25 v. H. aus. Außerdem legte es der Berechnung einen um 2.300 DM gekürzten Einheitswert von 20.600 DM zugrunde.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehren die Beschwerdeführerinnen nach wie vor den Ansatz einer AfA von 400 DM. Nach § 13 Ziff. 1 Satz 4 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1952 könnten die in 1947 zulässig gewesenen Beträge auf Antrag zugrunde gelegt werden. Die Vorschrift des § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1952, nach der bei unentgeltlich erworbenen Gebäuden der letzte Einheitswert maßgebend sei, entbehre der Rechtsgrundlage. Wenn der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung I 200/55 S vom 17. Juli 1956 (Slg. Bd. 63 S. 306, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 316) die Rechtsgültigkeit der Vorschrift bejaht habe, so sei er entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift offenbar davon ausgegangen, daß über die Fortschreibung der Einheitswerte und die dadurch bedingte Angleichung dieser Werte an die gemeinen Werte "die Zeit alles heile". Eine derartige Auffassung stehe aber mit der Regelung des § 27 EStDV 1955 in Widerspruch, nach der nicht mehr jeweils der letzte, sondern immer der auf den 21. Juni 1948 festgestellte Einheitswert maßgebend sei. Im übrigen sei es auch nicht so, daß die Regelung des § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1952 dem in § 13 Ziff. 1 Satz 4 EStDV 1952 vorgesehenen Antragsrecht entgegenstehe. Dieses sei vielmehr die notwendige Ergänzung zu jener Regelung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Ob für 1947 ein Ansatz von 400 RM berechtigt gewesen wäre oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben. Wie der I. Senat des Bundesfinanzhofs in der bereits angeführten Entscheidung I 200/55 S dargelegt hat, ist § 13 Ziff. 1 Satz 4 EStDV 1952 keine Rechtsnorm und daher für die Steuergerichte nicht bindend. Dieser Auffassung hat sich auch der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung IV 607/54 U vom 20. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 394, BStBl 1956 III S. 349) angeschlossen. Auch der erkennende Senat tritt der Entscheidung I 200/55 S bei. Wie dem Vater, steht danach auch den Beschwerdeführerinnen ein Anspruch auf Ansatz des im Jahre 1947 gewährten oder zulässig gewesenen Betrages nicht zu.

Wenn das Finanzgericht für die Berechnung der AfA vor dem letzten Einheitswert ausgegangen ist, so entspricht das der in § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1952 vorgesehenen Regelung. Wie in den beiden angeführten Entscheidungen I 200/55 S und IV 607/54 U dargelegt, ist § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1949 (1950) rechtsgültig. Für § 13 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1962 gilt das gleiche.

Die Bedenken, die die Beschwerdeführerinnen aus § 27 EStDV 1955 herleiten, sind unbegründet. Die Entscheidung I 200/55 S nimmt in der Tat erkennbar an, daß der jeweilige fortgeschrittene Einheitswert der AfA zugrunde gelegt und nicht der Einheitswert vom 21. Juni 1948 während der ganzen Nutzungsdauer fortgeführt wird. Der Senat vermag der Vorschrift des § 27 EStDV 1955 aber nicht zu entnehmen, daß die Bundesregierung etwa von der entgegengesetzten Rechtsauffassung ausgehe. Denn § 27 Ziff. 1 Buchst. a und b EStDV 1955 behandelt nur die Frage, welcher Wert der AfA zugrunde zu legen ist, wenn der Steuerpflichtige, der das Grundstück bereits am 21. Juni 1948 besaß oder nach diesem Stichtag unentgeltlich erwarb, nach der Währungsumstellung Herstellungskosten auf dieses Grundstück aufgewendet hat. Der § 27 EStDV 1955 trifft hier eine Regelung, die mit Abschnitt II des Urteils I 200/55 S übereinstimmt.

Was den vom Finanzgericht angewandten Satz von 1,25 v. H. angeht, so ist die Frage, ob dieser oder der von den Beschwerdeführerinnen für richtig gehaltene Satz von 2 v. H. zutreffend ist, eine Frage der Tatsachenwürdigung. Diese nachzuprüfen, ist dem Bundesfinanzhof grundsätzlich verwehrt (ß 288 der Reichsabgabenordnung - AO -). Das Finanzgericht konnte zu seiner Auffassung über die Lebensdauer des Gebäudes kommen. Daß es zu dieser Auffassung kommen mußte, ist nicht erforderlich.

Die Beschwerdeführerinnen haben beantragt, die Kosten dem Staat aufzuerlegen, weil dieser, wenn § 13 Ziff. 1 Satz 4 EStDV 1952 die Steuergerichte wirklich nicht binde, der Verantwortliche sei. Diesem Antrag kann nicht entsprochen werden. Nach § 307 AO trägt die Kosten, wer in dem Verfahren endgültig unterliegt. Unterlegen sind im Streitfalle die Beschwerdeführerinnen. Sie hätten diese Folge durch Zurücknahme des Rechtsmittels mildern können (vgl. § 311 AO). Wenn sie das nicht taten, trugen sie, worüber sie sich auch im klaren sein mußten, die Gefahr, den Rechtsstreit zu verlieren und damit die Kosten auferlegt zu erhalten.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 133

BFHE 1957, 350

BFHE 64, 350

StRK, EStG:7 R 26

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