Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit des steuergerichtlichen Rechtsweges gegen eine Verfügung des Finanzamts, mit der ein Antrag auf Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 30 ZVG abgelehnt wird.

 

Normenkette

AO § 372; ZVG §§ 27, 30, 30a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt den Antrag des Bf. vom 8. November 1958, eine erneute einstweilige Einstellung des das Grundstück des Bf. in A. betreffenden gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahrens zu bewilligen, zu Recht abgelehnt hat.

Seit etwa zehn Jahren bemühte sich das Finanzamt, die Abdeckung der Steuerrückstände des Bf. zu erreichen, die sich schon im August 1951 auf rund 15.000 DM beliefen. Wiederholte Versuche, den Bf. zur Tilgung im Wege von angemessenen Ratenzahlungen zu veranlassen, hatten keinen angesichts der Höhe der Steuerschulden ins Gewicht fallenden Erfolg. Auch die Pfändungen in das bewegliche Vermögen des Bf. fielen - von einem geringfügigen Versteigerungserlös von 250 DM abgesehen - fruchtlos aus.

Zur Sicherung eines Teils der Steuerforderungen waren Zwangssicherungshypotheken in einer Höhe von insgesamt 18.000 DM für die durch das Finanzamt vertretenen Steuergläubiger auf dem Grundstück des Bf. eingetragen worden. In einem von einer anderen Gläubigerin betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren wurde ein Termin zur Versteigerung des Grundstücks auf den 18. Februar 1955 anberaumt, wovon das Finanzamt als Vertreter der Gläubiger der Sicherungshypotheken Mitteilung erhielt. Nunmehr beantragte das Finanzamt am 7. Januar 1955 beim Amtsgericht die Zulassung des Beitritts zur Zwangsversteigerung wegen der inzwischen auf 34.000 DM aufgelaufenen Steuerforderungen gegen den Bf.; das Amtsgericht entsprach dem Antrag durch Beschluß vom 10. Januar 1955.

Nachdem auf Antrag des Schuldners gemäß § 30 a des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) im Jahre 1955 durch Beschluß des Amtsgerichts das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilen eingestellt worden war, kam es im Laufe des Jahres 1956 nach weiteren erfolglosen Versuchen der Mobiliarpfändung zu erneuten Verhandlungen zwischen dem Finanzamt und dem Bf. wegen der Steuerrückstände, die am 1. September 1956 auf rund 48.000 DM angestiegen waren. Das Finanzamt stellte dabei dem Bf. für den Fall der baldigen Bezahlung der dinglich gesicherten Rückstände von rund 18.000 DM einen Erlaß der Hälfte des gesamten Steuerrückstandes von rund 48.000 DM in Aussicht. Nach mehrfachen Terminverlegungen bewilligte das Finanzamt erstmalig am 5. Januar 1957 auf Antrag des Bf. die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung. Daraufhin wurde das Zwangsversteigerungsverfahren dem Finanzamt gegenüber gemäß § 30 ZVG durch Beschluß des Amtsgerichts vom gleichen Tage einstweilen eingestellt.

Da der Bf. weder auf seine Steuerrückstände noch auf die laufenden Steuern größere Zahlungen leistete, beantragte das Finanzamt am 27. Juni 1957 die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Das Amtsgericht gab diesem Antrag gemäß § 31 ZVG statt.

Im Hinblick auf neue Versprechungen des Bf. bewilligte das Finanzamt mit Schreiben an das Amtsgericht vom 10. September 1957 "letztmalig" unter bestimmten Voraussetzungen die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung, weil der Bf. versprochen hatte, innerhalb eines halben Jahres unter anderem die alten Steuerrückstände unter Berücksichtigung des in Aussicht gestellten Teilerlasses zu tilgen. Der damals schon auf den 27. September 1957 anberaumte Versteigerungstermin wurde nicht auf Grund der Bewilligung des Finanzamts, sondern aus anderen Gründen auf Grund eines vorläufigen Einstellungsbeschlusses des Landgerichts aufgehoben.

Da der Bf. seinem erneuten Zahlungsversprechen nicht nachkam, beantragte das Finanzamt am 13. Januar 1958, das Zwangsversteigerungsverfahren fortzusetzen.

In einer weiteren Verhandlung vom 13. Mai 1958 versprach der Bf. erneut, 18.000 DM bis zum 31. August 1958 zu zahlen und die laufenden Steuern pünktlich zu entrichten. Auch dieses Zahlungsversprechen hielt der Bf. nicht ein.

Nachdem ein neuer Versteigerungstermin auf den 28. November 1958 angesetzt war, bat der Bf. am 8. November 1958 an Amtsstelle unter Hinweis auf einen nach seiner Angabe vorhandenen neuen Geldgeber das Finanzamt, nochmals die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu bewilligen. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag am gleichen Tage ab.

Das Finanzgericht wies die gegen diese Ablehnung vom 8. November 1958 eingelegte Beschwerde durch den mit der Rb. angefochtenen Beschluß vom 13. Februar 1959 als unbegründet zurück.

Inzwischen ist das Grundstück versteigert worden. Das Versteigerungsverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen. Das Finanzamt erhielt aus dem Versteigerungserlös die Summe von 15.500 DM.

Der Rechtsstreit ist damit in der Hauptsache erledigt. Es ist nur noch über die Kosten des Verfahrens der Rb., die der Bf. entgegen seiner Ankündigung nicht näher begründet hat, zu entscheiden, und zwar so, wie wenn keine Erledigung in der Hauptsache eingetreten wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung hat folgendes ergeben:

Das Finanzgericht hat zu Recht die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die ablehnende Verfügung des Finanzamts am 8. November 1958 bejaht. Denn bei der Ablehnung der Bewilligung der einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung durch das Finanzamt als zum Beitritt zu dem Zwangsversteigerungsverfahren zugelassenen Gläubiger nach § 30 (in Verbindung mit § 27 Abs. 2) ZVG handelt es sich um eine Verfügung des Finanzamts im Beitreibungsverfahren, gegen die - unbeschadet der Generalklausel des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) - nach der besonderen Vorschrift des § 18 Buchstabe c der in den Ländern der früheren britischen Zone geltenden Verordnung Nr. 175 über die Wiedererrichtung von Finanzgerichten (Verordnungsblatt für die Britische Zone 1948 S. 385) die unmittelbare Beschwerde an das Finanzgericht gegeben ist. Die Zulässigkeit der Rb. folgt dementsprechend aus § 4 Ziff. 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (BGBl 1950 S. 257). Der steuergerichtliche Rechtsweg gegen die Versagung der erneuten Bewilligung der einstweiligen Einstellung im Sinne des § 30 ZVG wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß an sich für die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens die ordentlichen Gerichte zuständig sind (vgl. § 372 Abs. 1 Satz 1 AO). Denn das Zwangsversteigerungsgericht ist an die Entschließung des Finanzamts als betreibenden (zugelassenen) Gläubigers im Rahmen des § 30 ZVG gebunden und darf seinerseits nicht nachprüfen, ob das Finanzamt zu Recht oder zu Unrecht die einstweilige Einstellung bewilligt oder versagt (vgl. dazu auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und den Nebengesetzen, Anm. 19, a, ee zu § 372 AO, wo unter anderem der Rechtsweg zu den Finanzgerichten in Abweichung von der Verwaltungsbestimmung des § 42 Abs. 4 Satz 2 der Beitreibungsordnung insoweit für zulässig erachtet wird, als nach § 372 Abs. 4 AO die Prüfung bestimmter Voraussetzungen des Zwangsversteigerungsantrags den ordentlichen Gerichten entzogen ist).

Dem Finanzgericht ist im Ergebnis auch beizutreten, wenn es die Auffassung vertritt, daß das Finanzamt bei der Versagung der (erneuten) Bewilligung der einstweiligen Einstellung sich im Rahmen der Ermessensgrenzen gehalten und insbesondere auch nicht gegen die bei der Ermessensausübung zu beachtenden Grundsätze von Recht und Billigkeit verstoßen hat.

Zutreffend führt das Finanzgericht aus, daß das Finanzamt dem Bf. nach dem Gesamtbild der Akten bei der Beitreibung seiner Steuerrückstände bis an die Grenze des Vertretbaren entgegengekommen ist. Mit Recht hat die Vorinstanz keine Entlastung des Bf. darin erblickt, daß er in der Zwischenzeit einen großen Teil seiner Privatgläubiger befriedigt hatte. Er durfte nicht seine Privatgläubiger gegenüber dem Finanzamt als Vertreter der Allgemeinheit so einseitig bei der Tilgung seiner Schulden bevorzugen, daß seine Steuerschulden von rund 15.000 DM im Jahre 1951 auf rund 53.000 DM bis zum 8. November 1958 angewachsen waren. Besonders erschwerend ist dabei, daß der Bf. nach der nicht widerlegten Feststellung des Finanzgerichts in den letzten zehn Jahren nur etwa ein Viertel der Umsatzsteuer abgeführt hatte, die er auf Grund seiner eigenen Voranmeldungen und Steuererklärungen schuldete.

Danach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Finanzamt nach wiederholter Bewilligung von einstweiligen Einstellungen und Zustimmung zu Terminvertagungen den erneuten Antrag des Bf. vom 8. November 1958 abgelehnt hat, ohne daß es darauf ankommt, ob die nochmalige Bewilligung der einstweiligen Einstellung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 ZVG als - nach den Umständen dem Finanzamt nicht zumutbare - Rücknahme des Versteigerungsantrags gegolten hätte oder nicht.

Da somit ohne Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Rb. keinen Erfolg hätte haben können, fallen die Kosten der Rb. dem Bf. zur Last.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409669

BStBl III 1960, 240

BFHE 1960, 647

BFHE 70, 647

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