Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Verbleibensvoraussetzung bei ,,Berlin"-Anhängern

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Verbleibensvoraussetzung bei ,,Berlin"-Anhängern, für deren Halten Kraftfahrzeugsteuerbefreiung beansprucht wird.

2. Zeiten der Abwesenheit von Berlin können nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände dem Einsatz im Berlin-Verkehr zugerechnet werden.

 

Normenkette

DVO 1978/KraftStÄndG Bln 1950 § 1 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Antragstellerin betreibt ein Kraftverkehrsunternehmen in Berlin. Das Halten eines für sie in Berlin zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuganhängers war aufgrund von § 1 Abs. 1 Nr. 2 der - Berliner - Verordnung vom 8. Februar 1978 zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin 1978, 745, Steuer- und Zollblatt Berlin - StZBl. Bln. - 1978, 637) - DVO - von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Nach Überprüfung der Kontrollbücher setzte das Finanzamt (FA) für den Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis 30. April 1986 Kraftfahrzeugsteuer fest, weil die Verbleibensvoraussetzung der Steuerbefreiung nicht erfüllt gewesen sei. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Die Antragstellerin hat ferner beim Finanzgericht - FG - die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheides beantragt und zur Begründung im wesentlichen angeführt, den festgestellten 141 Tagen des Verbleibens des Anhängers in Berlin bzw. seines Einsatztes im Berlin-Verkehr müßten drei Abwesenheitszeiträume von längerer Dauer als 14 Tage - 28. Juli bis 16. August und 4. bis 29. Oktober 1985 sowie 23. Januar bis 27. Februar 1986 (je Zeitpunkte der Ausfahrt aus und Einfahrt nach Berlin) - hinzugerechnet werden. Ende 1985 und Anfang 1986 habe das Fahrzeug wegen Unfallschadens und Panne in Süddeutschland ausgebessert werden müssen; im übrigen dauerten die Fahrten im Verkehr mit der Schweiz und mit Frankreich zwangsläufig länger.

Das FG gab dem Antrag unter Hinweis auf sein - nicht rechtskräftiges - Urteil vom 19. Januar 1989 I 113/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 596) statt. Wie dort ausgeführt, sei die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Verbleibensvoraussetzung bei einem Kraftfahrzeuganhänger auch dann ohne weiteres erfüllt, wenn dieser länger als die von der Verwaltung anerkannten 14 Tage, jedoch nicht mehr als einen Monat ununterbrochen von dem Berliner Betrieb entfernt gewesen sei. Zwar sei durch die Abwesenheit Anfang 1986 auch der Monatszeitraum überschritten, doch liege insoweit eine - ausreichende - Bescheinigung der Reparaturwerkstatt vor.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde rügt das FA, die Vorentscheidung vernachlässige das zeitliche Moment der Verbleibensvoraussetzung. Bei außerhalb Berlins eingesetzten Transportmitteln sei es auch erforderlich, daß mit diesen regelmäßig, ohne größere zeitliche Unterbrechungen, Fahrten von und nach Berlin durchgeführt würden. Dem Förderungsgedanken der DVO - Ausgleich von Standortnachteilen der Berliner Fuhrunternehmer - werde nicht entsprochen, wenn Standortnachteile tatsächlich nicht beständen, weil die Fahrzeuge ohne Rücksicht auf ihren Standort Berlin verwendet würden. Dementsprechend unterbreche an sich jede Abwesenheitszeit außerhalb Berlins die zeitliche Bindung an den Berliner Betrieb. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten werde dies aber in gewissen Grenzen von der Verwaltung hingenommen. Die ,,14-Tage-Regelung" nach Tz. 9 der Verwaltungsanordnung des Senators für Finanzen vom 15. März 1978 (StZBl.Bln. 1978, 638) definiere diese Grenzen angemessen. Im übrigen sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, daß die längeren Abwesenheiten Ende 1985 / Anfang 1986 auf außergewöhnliche Umstände (Tz. 15 der angeführten Verwaltungsordnung) zurückzuführen seien.

Die Antragstellerin beruft sich für die Abwesenheitszeiträume 1985 auf technische Defekte des Fahrzeugs, die sie durch eine eigene Fachkraft habe beheben lassen, und für die Abwesenheit 1986 auf eine unfallbedingte Reparatur, die länger gedauert habe, weil die Ersatzteile für das Fahrzeug - Baujahr 1973 -, wie von der Werkstatt bescheinigt, schwer zu beschaffen gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Hauptverfahren angefochtenen Steuerfestsetzung (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung) vermag der Senat bei überschlägiger Prüfung im Gegensatz zur Vorinstanz nicht zu erkennen.

Die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO setzt voraus, daß die zum Anlagevermögen eines Berliner Betriebs gehörenden Kraftfahrzeuganhänger in diesem Betrieb verbleiben. Die Verbleibensvoraussetzung ist erfüllt, wenn eine dauerhafte zeitliche und räumliche Bindung an einen solchen Betrieb besteht; dies erfordert bei Transportmitteln, die nicht innerhalb Berlins verbleiben oder eingesetzt werden, daß überwiegend - bei jährlichem Entrichtungszeitraum an mindestens 183 Tagen - und regelmäßig - ohne größere zeitliche Unterbrechungen - Fahrten von und nach Berlin durchgeführt werden (Senat, Urteil vom 14. Januar 1986 VII R 184/82, BFHE 146, 275, 277 f., BStBl II 1986, 494; vgl. auch Beschluß vom 1. September 1987 VII B 86/87, BFH/NV 1987, 813, 815).

Die Frage, wann regelmäßiger Berlin-Verkehr vorliegt, stellt sich nur, wenn dieser Verkehr zeitlich überwiegt. Das aber trifft im Streitfall nicht zu. Der Senat hält es unter Berücksichtigung des von der Beschwerde zutreffend dargestellten Förderungszwecks der DVO für zweifelhaft, ob der Auffassung der Verwaltung, eine größere zeitliche Unterbrechung sei bei einer mehr als 14tägigen Abwesenheit gegeben, gewichtige Gründe entgegengesetzt werden können. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche Umstände es rechtfertigen könnten, Abwesenheitszeiträume bis zu einem Monat als kraftfahrzeugsteuerrechtlich unschädlich anzuerkennen. Die Frage bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung.

Erfolg könnte die Antragstellerin im Klageverfahren nur haben, wenn die Abwesenheitszeiten ganz oder zum Teil als Zeiträume des Einsatzes im Berlin-Verkehr anzusehen wären, dieser Einsatz also insgesamt zeitlich überwöge (und dann auch größere zeitliche Unterbrechungen nicht vorlägen). Davon kann jedoch bei summarischer Beurteilung nicht ausgegangen werden. Längere Fahrten in das Ausland, nachgewiesen durch geeignete Unterlagen jeder Art, können zwar - auch nach Auffassung der Verwaltung (Tz. 15, erster Gedankenstrich der angeführten Verwaltungsanordnung) - berücksichtigt werden, doch hat die Antragstellerin derartige Einsätze nicht konkret geltend und glaubhaft gemacht. Die - allgemeine - Berufung auf Einsätze im Auslandsverkehr reicht insoweit nicht aus. Besondere Umstände anderer Art sind nicht ersichtlich. Solche Umstände müßten bei Berücksichtigung des Zwecks der DVO außergewöhnlicher Art sein. Eine unfallbedingte Reparatur kommt zwar an sich in Betracht; auch sie müßte aber, weil es um die Voraussetzungen der Steuerbefreiung geht, eindeutig und leicht überprüfbar nachgewiesen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 DVO), mindestens etwa durch eine hinreichend spezifizierte Reparaturrechnung. Die Bescheinigung, die die Antragstellerin im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegt hat, entspricht nicht diesen Anforderungen, denn sie liefert nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Beschwerdevorbringen keinen Nachweis für den Grund der Abwesenheit. Soweit die Antragstellerin auf die Notwendigkeit der Behebung technischer Defekte verweist - ein Vorbringen, das das FG, von seinem Standpunkt aus mit Recht, nicht gewürdigt hat -, läßt sich gleichfalls nicht ohne weiteres erkennen, daß die betreffenden Abwesenheitszeiträume dem Berlin-Verkehr zuzurechnen wären. Dazu hätte die Antragstellerin die Daten des Auftretens der Defekte und die für die Reparaturen erforderlichen Zeiten nennen und vor allem - gerade im Hinblick auf das Alter des Fahrzeugs - in annehmbarer Weise erklären müssen, daß die Defekte unvorhersehbar waren. Die eigene Erklärung, die die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegt hat, reicht schon dem Inhalt nach nicht aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416915

BFH/NV 1990, 674

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