Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Aussetzung des Klageverfahrens (§ 74 FGO) gegen einen Grundlagenbescheid

 

Leitsatz (NV)

Ein Verfahren darf nur dann nach § 74 FGO ausgesetzt werden, wenn es zu einer Sachprüfung führen kann. Die Entscheidung, daß ein Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen worden ist, kann unabhängig vom Ausgang eines anderen, für die Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes möglicherweise vorgreiflichen Verfahrens (hier: eines Feststellungsverfahrens) ergehen.

 

Normenkette

FGO § 74

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war bis zum Jahre 1983 an einer Kommanditgesellschaft (KG) als Kommanditist beteiligt. Nach einer Außenprüfung ergingen gegen die KG für die Jahre 1977 bis 1981 geänderte Feststellungsbescheide vom 4. November 1986, gegen die beim Finanzgericht (FG) ein Klageverfahren anhängig ist. Im Jahre 1981 entfiel auf den Kläger ein Verlust in Höhe von . . . DM. Mit weiteren Feststellungsbescheiden wurden Gewinnanteile des Klägers in Höhe von . . . DM (1982) und . . . DM (1983) festgestellt; über die hiergegen eingelegten Einsprüche ist noch nicht entschieden worden.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 hatten die Kläger beantragt, Verluste in Höhe von . . . DM (1981) und . . . DM (1982) zum Abzug nach § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzulassen. In dem aufgrund der Feststellungsbescheide geänderten Einkommensteuerbescheid für 1984 versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) den Verlustabzug. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs verwiesen die Kläger auf ihr Vorbringen gegen die Feststellungsbescheide für 1977 bis 1981. Insoweit hat das FA den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen. Es vertrat die Auffassung, daß Einwendungen gegen einen Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheides geltend gemacht werden könnten.

Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. September 1987 I R 162/84 (BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142) tragen sie vor, die Klage gegen einen Folgebescheid sei auch dann zulässig, wenn mit der Klagebegründung nur Einwendungen gegen die zugrunde liegenden Grundlagenbescheide geltend gemacht würden. Das Rechtsmittel gegen den Folgebescheid werde auch begründet, sobald die Grundlagenbescheide geändert worden seien. Bis dahin sei der Streit um den Folgebescheid gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Das FG hat den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Die Aussetzung sei weder zweckmäßig noch geboten. Werde der Feststellungsbescheid zugunsten des Klägers geändert, sei der angefochtene Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter Berücksichtigung etwaiger Verluste (§ 10 d EStG) zu ändern.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Kläger beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Klageverfahren bis zur Änderung der Feststellungsbescheide für 1977 bis 1983 auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Abhängigkeit im Sinne dieser Regelung besteht zwischen zwei anhängigen Verfahren nur, wenn der Ausgang des einen (möglicherweise auszusetzenden) Rechtsstreits von dem anderen (möglicherweise vorgreiflichen) in der Sache beeinflußt werden kann. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn feststeht, daß es im erstgenannten Verfahren zu einer Sachprüfung nicht kommen kann, dieses also unabhängig vom Ausgang des anderen Verfahrens zur Klageabweisung führt. Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie vorliegend - bei einer verwaltungsaktbezogenen Klage die Prüfung der Rechtmäßigkeit ausgeschlossen ist (Urteil des Senats vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205). Trägt ein Steuerpflichtiger mit dem Einspruch gegen einen Folgebescheid lediglich Einwendungen gegen den zugrunde liegenden Grundlagenbescheid vor, so ist der Rechtsbehelf unzulässig. Werden mit der hiergegen gerichteten Klage auch weiterhin keine Einwendungen gegen den Folgebescheid vorgetragen, so ist die Klage zwar nicht unzulässig, sondern unbegründet (BFH in BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142). Gleichwohl kann die Klage hinsichtlich des angefochtenen Einkommensteuerbescheids keine Sachprüfung auslösen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, 793; Urteil des Senats in BFHE 158, 205). Dies gilt auch dann, wenn mit dem außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen Feststellungsbescheid die Feststellung eines abziehbaren Verlustes begehrt wird. Stellt das Betriebs-FA einen Verlust aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert fest, so bindet die Feststellung des Wohnsitz-FA nicht nur für das Jahr der Entstehung des Verlustes, sondern auch für die folgenden Jahre hinsichtlich des Verlustabzugs (BFH-Urteil vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84, BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792). Das FG ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß bei einem Obsiegen des Klägers in den Verfahren gegen die Feststellungsbescheide der Einkommensteuerbescheid 1984 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 659

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