Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist für die Urteilsübergabe bzw. des unterschriebenen Urteilstenors

 

Leitsatz (NV)

Die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist für die Übergabe des beratenen und zuzustellenden Urteils bzw. für die Übergabe des von den Berufsrichtern unterschriebenen Urteilstenors an die Geschäftsstelle ist zwar ein Verfahrensmangel. Er führt aber als Verstoß gegen eine bloße Ordnungsvorschrift nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

 

Normenkette

FGO §§ 93-94, 96 Abs. 2, §§ 103, 104 Abs. 2, § 105 Abs. 4 S. 2, § 155; ZPO § 278 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine im September 1995 errichtete und im Juni 1996 ins Handelsregister eingetragene GmbH. Im Zusammenhang mit den Angaben zur Gründung der Kapitalgesellschaft beantragte sie beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) im Oktober 1996, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnen zu dürfen; als voraussichtlichen jährlichen Gesamtumsatz für das Gründungsjahr 1995 gab sie Umsätze von 0 DM, für das Folgejahr Umsätze in Höhe von 100 000 DM an. Nachdem das FA festgestellt hatte, dass die Klägerin bereits im Oktober 1995 alle Urheber- und Verwertungsrechte der von ihr hergestellten Computerprogramme für 1,2 Mio. DM zuzüglich 180 000 DM Umsatzsteuer an ihren Geschäftsführer veräußert und hierüber am 1. November 1995 eine Rechnung ausgestellt hatte, setzte das FA die Umsatzsteuer 1995 nach vereinbarten Entgelten fest.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Voraussetzung für eine Besteuerung nach § 20 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) lägen schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin in ihrem Antrag vom Oktober 1996 angegeben habe, Umsätze erst ab Januar 1996 zu tätigen; sie habe nicht davon ausgehen dürfen, das FA habe stillschweigend die Genehmigung für 1995 erteilt. Selbst wenn man davon ausgehen würde, die Klägerin habe für 1995 einen Antrag auf Istbesteuerung gestellt, hätte dieser mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht genehmigt werden dürfen.

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und eines Verfahrensmangels.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Hat das FG seine klageabweisende Entscheidung auf zwei selbständige, jeweils für sich tragende Begründungen gestützt, setzt eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf jede selbständige Begründung jeweils zumindest einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) schlüssig darlegt. Hieran fehlt es.

Das FG stützt sein Urteil zum einen darauf, dass die Klägerin für 1995 keinen Antrag auf Istversteuerung nach § 20 UStG gestellt hat und ―soweit sie im Herbst 1996 die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten beantragt, aber gleichzeitig die Umsätze für 1995 mit 0 DM angegeben hat― nicht von einer stillschweigenden Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten für 1995 habe ausgehen können (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Januar 2000 V B 163/99, BFH/NV 2000, 897). Lediglich hilfsweise hat das FG selbst für den seiner Auffassung nach nicht vorliegenden Fall, dass vom Vorliegen eines Antrags für 1995 auszugehen wäre, ausgeführt, die Voraussetzungen des § 20 UStG lägen hinsichtlich der Höhe des maßgebenden Gesamtumsatzes nicht vor.

Die Klägerin macht einen Zulassungsgrund nur hinsichtlich der Hilfsbegründung geltend. Zu der erstgenannten Begründungsalternative hat sie sich innerhalb der Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht geäußert. Ihre späteren Einwendungen gegen die Richtigkeit des Urteils sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich.

2. Soweit die Klägerin die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist für die Übergabe des vollständig abgefassten Urteils (§ 105 Abs. 4 Satz 1 FGO) bzw. des von den Richtern unterschriebenen Tenors (§ 105 Abs. 4 Satz 2 FGO) rügt, ist damit zwar grundsätzlich ein Verfahrensmangel bezeichnet, der aber als bloßer Ordnungsverstoß (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1998 II R 40/95, BFH/NV 1998, 855) nicht zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führt, weil das Urteil nicht auf der Verletzung dieser Frist beruhen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. April 1999 V B 90/98, BFH/NV 1999, 1362; vom 30. September 1998 X B 28, 29/98, BFH/NV 1999, 491). Dieser Verfahrensverstoß ist erst nach der Beratung des Urteils begangen worden. Unter diesen Umständen bedarf es der Darlegung, dass das Urteil anders hätte ausfallen können, wenn das im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 1999 verkündete Urteil mit Tatbestand und Entscheidungsgründen unterzeichnet der Geschäftsstelle nicht erst am 3. November 1999 übergeben worden wäre.

Im Übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

BFH/NV 2001, 57

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