Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbrauchsteuern Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Bundesfinanzhof ist gegen Untersagungsbeschlüsse der Oberfinanzdirektion nicht mehr die Beschwerde an das Finanzgericht nach § 18 Abschn. a der Verordnung Nr. 175 der Britischen Militärregierung, sondern die Beschwerde an den Bundesfinanzhof gegeben.

BranntwMonGes. § 51a; AO § 198 Abs. 4; Gesetz über den Bundesfinanzhof § 5; Verordnung Nr. 175

 

Normenkette

BrMonG § 51a; AO § 198 Abs. 4; FGO § 37/4

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat auf den ihm ordnungsmäßig zugestellten Bescheid vom 20. November 1952 gemäß § 294 Abs. 2 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) rechtzeitig die Anberaumung der mündlichen Verhandlung beantragt. In der mündlichen Verhandlung ist weder der Bf. noch sein Vertreter erschienen.

Es war erneut in die Verhandlung der Sache einzutreten; denn der Senat schließt sich der Auffassung des Reichsfinanzhofs an, daß auf den nach Erlaß eines vorläufigen Bescheids gestellten Antrag, die mündliche Verhandlung anzuberaumen, stets von neuem entschieden werden muß, und zwar, wenn der Beteiligte nicht erscheint oder vertreten ist, wie im Falle des § 273 Abs. 2 AO, nach Lage der Sache (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 174/22 vom 1. Dezember 1922, Slg. Bd. II S. 70).

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) konnte auch nach erneuter Verhandlung keinen Erfolg haben.

Dem Bf. hat der Oberfinanzpräsident mit Beschluß vom 29. Dezember 1948 auf Grund des 51a des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonGes.) in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1939 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 604) auf Dauer untersagt, ein Branntweingewerbe selbst auszuüben oder durch andere zu seinem Vorteil ausüben zu lassen oder in einem solchen Betriebe als Vertreter oder Angestellter tätig zu sein. Hiergegen hat der Bf. am 28. Januar 1949 entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Untersagungsbeschluß Beschwerde zum Finanzminister des Landes ... eingelegt. Der genannte Finanzminister hat die Beschwerde im Hinblick auf die inzwischen - am 1. Februar 1949 - in Kraft getretene Verordnung Nr. 175 der britischen Militärregierung über die Wiedererrichtung von Finanzgerichten (Verordnungsblatt für die Britische Zone 1948 S. 385, Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1948 S. 291) unter Hinweis auf § 18 Abschn. a und § 25 Abs. 3 dieser Verordnung am 14. April 1949 an das Finanzgericht abgegeben. Das Finanzgericht hat seine Zuständigkeit bejaht und mit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung vom 17. Juli 1951 die Beschwerde gegen den Untersagungsbeschluß als unbegründet zurückgewiesen.

Die Untersagung des Gewerbebetriebes nach § 51a BranntwMonGes. ist eine Anordnung, die nach § 202 Abs. 1 AO erzwungen werden kann; dies ergibt sich aus der Verweisung auf § 198 Abs. 5 AO in § 51a Abs. 2 BranntwMonGes. in der Fassung des Abschn. I Ziff. 3 der Verordnung vom 7. Dezember 1944 (RGBl. I S. 336). Gegen eine solche Anordnung ist nach § 51a Abs. 2 in Verbindung mit § 198 Abs. 4 AO die Rb. an den Reichsfinanzhof, jetzt Bundesfinanzhof, gegeben. Wenn das Finanzgericht an Stelle des Bundesfinanzhofs seine eigene Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde angenommen hat, so war dies zunächst im Hinblick auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 175 nicht zu beanstanden. Diese Zuständigkeit war aber von dem Zeitpunkt an nicht mehr gegeben, in dem der Bundesfinanzhof errichtet war. Mit diesem Zeitpunkt ist an die Stelle des Finanzgerichts zur Entscheidung über Beschwerden der vorliegenden Art die Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs getreten, und zwar auch, soweit es sich um Beschwerden handelt, die bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Bundesfinanzhof schon bei einem anderen Gericht anhängig waren (Gesetz über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950, BGBl. S. 257, §§ 2, 5). Als "anderes Gericht" im Sinne des § 5 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof ist für Fälle der vorliegenden Art auch das Finanzgericht anzusehen.

Diese geänderte Rechtslage ist ebenso wie beim Rechtsmittelverfahren gegen Zollauskünfte (ß 236 AO; Urteil des Bundesfinanzhofs II z 129/51 vom 18. Januar 1952, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 65, Steuerrechtskartei - StRK -, Gesetz über den Bundesfinanzhof § 5 Rechtsspr. 1) auch sachlich begründet. Als die Verordnung Nr. 175 von der britischen Militärregierung erlassen wurde, fehlte es in der britischen Zone an einem dem Reichsfinanzhof entsprechenden obersten Steuergericht. Wäre § 198 Abs. 4 AO, wonach gegen den Untersagungsbeschluß des Oberfinanzpräsidenten die Beschwerde an den Reichsfinanzhof zulässig ist, in der Verordnung Nr. 175 unverändert gelassen worden, dann hätte, weil ein oberstes Steuergericht in der britischen Zone nicht vorhanden war, auch die Zuständigkeit des Obersten Finanzgerichtshofs in München auf die britische Zone nicht erstreckt wurde, die Möglichkeit einer Nachprüfung des Untersagungsbeschlusses durch ein Steuergericht gefehlt; es blieb nach Lage der Sache wohl nichts anderes übrig, als die nach der Reichsabgabenordnung einem obersten Steuergericht zukommende Zuständigkeit dem Finanzgericht zu übertragen. Das Finanzgericht füllte eine Lücke. Hierfür bestand nur so lange ein Bedürfnis, bis für das ganze Bundesgebiet und damit auch für die britische Zone wieder die Zuständigkeit eines obersten Steuergerichts in Gestalt des Bundesfinanzhofs begründet wurde. Durch das Gesetz über den Bundesfinanzhof wurde die früher dem Reichsfinanzhof zukommende Zuständigkeit dem Bundesfinanzhof in allen Fällen gegeben, in denen diese Zuständigkeit einer anderen Stelle als einem obersten Steuergericht zugewiesen war (vgl. die überschrift zu § 5 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof: Ausschließliche Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs).

Die Sache liegt also anders, als bei der übertragung der Spruchtätigkeit in Zoll- und Verbrauchsteuersachen auf die Finanzgerichte (Verordnung Nr. 175 § 17 Abs. 1a); hier wurde nicht eine Lücke ausgefüllt, die Oberfinanzpräsidenten, die vorher im Anfechtungsverfahren zu entscheiden hatte, haben in der britischen Zone nicht etwa, wie der Reichsfinanzhof, gefehlt, sondern waren nach wie vor vorhanden. Es wurde auch nicht etwa nur an Stelle des Oberfinanzpräsidenten eine andere Stelle zur Entscheidung berufen, es wurde auch ein anderes Verfahren vorgeschrieben, indem das Anfechtungsverfahren durch das Berufungsverfahren ersetzt wurde. In dieser Hinsicht hat das Gesetz über den Bundesfinanzhof eine änderung nicht gebracht.

Im übrigen würde die Aufrechterhaltung der Zuständigkeit der Finanzgerichte für die Entscheidung über Beschwerden nach § 198 Abs. 4 auch noch nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Bundesfinanzhof zur Folge haben, daß in der britischen Zone dem Betroffenen zwei Instanzen zur Entscheidung über sein Anliegen zur Verfügung ständen (Gesetz über den Bundesfinanzhof § 4 Ziff. 1), während im Gegensatz hierzu in der amerikanischen und französischen Zone der Bundesfinanzhof als einzige richterliche Instanz vorgesehen ist. Es kann nicht angenommen werden, daß die Beibehaltung eines solchen die Rechtsgleichheit störenden Zustands vom Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes über den Bundesfinanzhof beabsichtigt war.

Nach alledem hätte das Finanzgericht die Sache nach Errichtung des Bundesfinanzhofs, statt selbst zu entscheiden, an den Bundesfinanzhof abgeben sollen. Die Beschwerdeentscheidung des Finanzgerichts ist daher unwirksam und aufzuheben. Die Vorlage dieser Entscheidung an den Bundesfinanzhof durch das Finanzgericht kann als Abgabe im Sinn des § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof angesehen werden.

Es ist nunmehr sachlich über die Beschwerde gegen den Untersagungsbeschluß der Oberfinanzdirektion zu entscheiden. Dabei bestehen keine Bedenken, bei der Entscheidung auch die Ausführungen in der finanzgerichtlichen Beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen.

Der Oberfinanzpräsident und mit ihm das Finanzgericht stützen ihre Entscheidung auf eine Reihe von Feststellungen, die, selbst wenn sie in ihren Einzelheiten nicht durchweg den Tatsachen entsprechen sollten, die Annahme rechtfertigen, daß dem Bf. die Zuverlässigkeit zum Betrieb eines Branntweingewerbes fehlt, und zwar für die Dauer.

Der Bf. macht geltend, daß vor einer Entscheidung wegen der Gewerbeuntersagung erst noch eine strafgerichtliche Entscheidung über die in Betracht kommenden Tatsachen vorliegen müsse. Dazu ist zunächst zu sagen, daß es für die Gewerbeuntersagung nach § 51a Abs. 1 Satz 1 BranntwMonGes. nicht darauf ankommt, ob die Tatsachen, welche die Unzuverlässigkeit einer Person zum Betrieb eines Branntweingewerbes dartun, einen strafbaren Tatbestand darstellen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV B 54/33 vom 25. Oktober 1933, Kartei, BranntwMonGes. in der Fassung des Gesetzes vom 18. Mai 1933, § 127 Rechtssatz 4, und Entscheidung V z B 1/41 vom 7. März 1941, Slg. Bd. 50 S. 119 Kartei, BranntwMonGes. § 51a in der Fassung vom 25. März 1939 Rechtssatz 5). Im übrigen ist durch Urteil der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts ... vom 5. April 1952 gegen L., der mit dem Bf. zusammengearbeitet hatte, die Strafbarkeit des Bf. hinsichtlich des in Betracht kommenden Tatbestandes hinreichend festgestellt. Danach hat der Bf. bei der Monopolverwaltung unter der Angabe, es handle sich um versehentlich verunreinigten Branntwein, 4.859 lW mit Toluol vergällten Branntwein gegen die gleiche Menge unvergällten Primasprit umgetauscht und dadurch das Vermögen der Monopolverwaltung um mehr als 560.000 RM geschädigt. Dieser Sachverhalt allein rechtfertigt schon die angeordnete Untersagung.

Die Beschwerde hiergegen war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407606

BStBl III 1953, 138

BFHE 1954, 347

BFHE 57, 347

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