Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Feststellungsinteresse des FA bei Erhebung einer Insolvenzfeststellungsklage

 

Leitsatz (NV)

1. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Haftungsschuldners ist das FA nicht daran gehindert, die zur Tabelle angemeldete Forderung, der sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner im Prüfungstermin widersprochen haben, im Wege einer Feststellungsklage weiter zu verfolgen.

2. Das aus prozessökonomischen Gründen zu bejahende Feststellungsinteresse des FA ergibt sich nicht zuletzt aus der Erwartung, dass sich der Schuldner auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gegen Vollstreckungsmaßnahmen des FA zur Wehr setzen wird.

3. Einer nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durchzuführenden Berichtigung der Tabelle kommt lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu.

4. Mit der Bezeichnung Haftungsinanspruchnahme wird der Grund einer auf § 74 Abs. 1 AO gestützten Forderung zutreffend und hinreichend wiedergegeben. Auf die dingliche Beschränkung der Haftung braucht in der Tabelle nicht ausdrücklich hingewiesen zu werden.

 

Normenkette

FGO § 126a; AO § 74 Abs. 1; InsO § 181

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 12.10.2006; Aktenzeichen 11 K 2025/06 F)

 

Tatbestand

I. Der Beklagte und Revisionskläger (Schuldner) hatte mit einer inzwischen insolvent gewordenen KG, an der er als Kommanditist zu 100 % beteiligt war, einen Pachtvertrag über mehrere bebaute Grundstücke abgeschlossen. Nach Insolvenz der KG wurde er vom Kläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gemäß § 69 und § 74 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Während des Klageverfahrens wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Sowohl der Schuldner als auch der Insolvenzverwalter haben im Prüfungstermin der Feststellung der Haftungsforderung zur Tabelle widersprochen. Das FA hat den geltend gemachten Anspruch im Wege einer Insolvenzfeststellungsklage weiterverfolgt. Zum weiteren Sachverhalt verweist der Senat auf den Gerichtsbescheid vom 13. November 2007 VII R 61/06 (BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790), der inzwischen gegenüber dem Insolvenzverwalter als Urteil wirkt.

Mit Schriftsatz vom 7. März 2008 hat der Schuldner fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Mit Schreiben vom 24. Juli 2008 hat der Vorsitzende des Senats den Schuldner davon in Kenntnis gesetzt, dass der Senat die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 126a der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Hiergegen wendet der Schuldner im Wesentlichen ein, dass sich das vom Senat im Gerichtsbescheid in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Mai 2006 IX ZR 187/04 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 2922) nicht auf den Streitfall übertragen lasse, da es sich um einen Sonderfall handle. Zudem weise die Insolvenztabelle nunmehr eine Forderung ohne jegliche gegenständliche Begrenzung i.S. von § 74 Abs. 1 AO auf. Nach der Anerkennung dieser Forderung durch den Insolvenzverwalter sei diese nun festgestellt. Nach dem Tenor des Urteils des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 12. Oktober 2006  11 K 2025/06 F stehe dem FA jedoch lediglich eine gemäß § 74 Abs. 1 AO auf mehrere Grundstücke gegenständlich beschränkte Haftungsforderung zu. Diese Divergenz zwischen der Anmeldung zur Tabelle einerseits und dem Tenor des FG-Urteils andererseits müsse er, der Insolvenzschuldner, mit seinem Widerspruch wirksam bekämpfen können. Dem FA stehe lediglich ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 der Insolvenzordnung (InsO) zu. Eine Gelegenheit zur Berichtigung der Anmeldung durch Aussetzung des Verfahrens habe das FG dem FA nicht gegeben, weshalb der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen oder der Klage stattgegeben werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

1. Wie der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790 ausgeführt hat, ist das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse des FA nicht zuletzt aus prozessökonomischen Gründen zu bejahen. Der vom Schuldner erhobene Widerspruch gegen die Feststellung der Haftungsforderung zur Tabelle lässt erwarten, dass er sich auch im Vollstreckungsverfahren wegen der Haftungsforderung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zur Wehr setzen wird. Spätestens dann wird es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Vollstreckung kommen. Es erscheint daher sachgerecht, den Rechtsstreit über die Forderung nicht auf einen unabsehbaren Zeitpunkt in der Zukunft zu verschieben.

2. Der Feststellungsantrag des FA ist auch begründet, denn der Schuldner ist zu Recht als Haftungsschuldner gemäß § 74 Abs. 1 AO in Anspruch genommen worden. Zur Begründung verweist der Senat auf die Entscheidung in BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790.

3. Den Schriftsätzen vom 7. März sowie vom 27. August 2008 sind keine Ausführungen zu entnehmen, die zu einem anderen Ergebnis führen oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten erscheinen lassen könnten. Entgegen der Ansicht des Schuldners hat der Senat seine Auffassung nicht ausschließlich auf das in Bezug genommene BGH-Urteil in NJW 2006, 2922 gestützt, dem in einigen Punkten ein abweichender Sachverhalt zugrunde liegt. Insbesondere aus prozessökonomischen Gründen --auch unter Berücksichtigung der Situation nach Beendigung des Insolvenzverfahrens-- hat der Senat das Feststellungsinteresse des FA bejaht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine zuverlässige Aussage über den Fortgang des Verfahrens und das künftige Verhalten des FA gemacht werden kann.

Auch der Einwand, die vermeintliche Divergenz zwischen der Feststellung des FG und dem tatsächlichen Tabelleneintrag mache eine erneute Befassung des FG erforderlich, vermag nicht zu überzeugen. Das Feststellungsurteil des FG Düsseldorf entfaltet nämlich unmittelbare Wirkung. Demgegenüber käme einer --auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch möglichen-- Berichtigung der Tabelle nur eine deklaratorische bzw. beurkundende Bedeutung zu (Schumacher in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 183 Rz 6 f., und Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 183 Rz 5). Im Übrigen bildet den Grund der Forderung i.S. des § 181 InsO der für die Entstehung der angemeldeten Forderung erhebliche Sachverhalt. Mit der Bezeichnung Haftungsinanspruchnahme in der Insolvenztabelle ist der Grund zutreffend wiedergegeben, so dass es eines ausdrücklichen Hinweises auf die dingliche Beschränkung nach § 74 Abs. 1 AO zur Angabe des Grundes der Forderung nicht bedarf.

 

Fundstellen

BFH/NV 2009, 414

AnwBl 2009, 163

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