Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur fehlenden Sachdienlichkeit einer Klageänderung

 

Leitsatz (NV)

Ficht der Kläger zunächst den Bescheid über die Ablehnung des LStJA 1989 an und ändert er später sein Klagebegehren dahin, daß er die niedrigere Festsetzung der ESt 1989 aus Billigkeitsgründen begehrt, so ist eine Klageänderung anzunehmen, die nicht sachdienlich ist.

 

Normenkette

FGO § 67; AO 1977 § 163

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Der Senat läßt unentschieden, ob die vom Kläger geltend gemachte Rüge, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht das Fehlen einer Sachurteilsvoraussetzung verneint, einen Verfahrensfehler oder aber einen materiellen Fehler des angefochtenen Urteils betrifft (vgl. zu dem Meinungsstreit: Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 25 a). Jedenfalls fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten und hier unterstellten Verfahrensfehlers. Ein Verfahrensfehler ist nur dann entscheidungserheblich, wenn es zumindest möglich ist, daß die Entscheidung der Vorinstanz anders ausgefallen wäre. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

2. Der Kläger hatte mit seiner Klage ursprünglich den Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1989 und die Einspruchsentscheidung vom 29. April 1991 angefochten. Hierbei handelte es sich um eine Anfechtungsklage. Mit Schriftsatz vom 8. April 1993 erklärte der Kläger eine Klageänderung dahingehend, daß er nunmehr die Verpflichtung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) zur Festsetzung der Einkommensteuer 1989 in Höhe von ... DM aus Billigkeitsgründen begehrte. Hierbei handelte es sich nicht nur um eine Verpflichtungsklage, sondern auch aus anderen Gründen (vgl. Nr. 3) um einen geänderten Streitgegenstand.

Bei dieser Sachlage ist von einer Klageänderung auszugehen, die nur unter den Voraussetzungen des § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig ist. Das FA hat jedoch als Beklagter in die Klageänderung nicht eingewilligt. Das FG hat die Klageänderung im Ergebnis als nicht sachdienlich behandelt, auch wenn die Gründe hierfür aus seinem Urteil nicht erkennbar sind. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger unmittelbar keine Rügen erhoben. Sie ist auch verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Hätte das FG die Klageänderung als sachdienlich angesehen, so hätte es dem Kläger dessen Rechte wesentlich verkürzt. Durch die Sachdienlichkeit der Klageänderung wäre nämlich eine Entscheidung über die vom Kläger eingelegte Beschwerde durch die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) obsolet geworden. Die zuständige OFD hätte nicht mehr die ihr an sich obliegende eigene Ermessensentscheidung treffen können. Das FG hätte die Entscheidung des FA nur auf Ermessensfehler hin überprüfen können. Dies wäre für den Kläger ein so wesentlicher Nachteil gewesen, daß sich die Bejahung der Sachdienlichkeit der Klageänderung verbot. An dieser Beurteilung ändert die Tatsache nichts, daß die zuständige OFD die Beschwerde durch Entscheidung vom 5. Oktober 1993 als unbegründet zurückgewiesen hat.

3. Das Begehren des Klägers, das FA zu einer Festsetzung der Einkommensteuer 1989 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) zu verpflichten, bedeutete gegenüber der ursprünglich erhobenen Klage die Auswechselung des Streitgegenstandes. Seit Inkrafttreten der AO 1977 sind Steuerbescheide einerseits und Entscheidungen über abweichende Steuerfestsetzungen aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO 1977 andererseits zwei selbständige und mit unterschiedlichen Rechtsbehelfen anfechtbare Verwaltungsakte, auch wenn sie nach § 163 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 äußerlich miteinander verbunden werden können (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Dezember 1977 I R 247/74, BFHE 124, 199, BStBl II 1978, 305; vom 28. Februar 1980 IV R 19/78, BFHE 130, 244, BStBl II 1980, 528; vom 28. November 1980 V R 226/77, BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319; vom 4. Februar 1987 I R 252/83, BFHE 149, 50, BStBl II 1987, 682; vom 24. März 1987 I R 144 -- 145/83, BFH/NV 1987, 581; vom 13. April 1989 IV R 196/85, BFHE 156, 489, BStBl II 1989, 614; vom 12. Januar 1989 IV R 87/87, BFHE 155, 487, BStBl II 1990, 261; vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3). Aus dieser sog. Zweigleisigkeit des Steuerfestsetzungs- und des Erlaßverfahrens folgt, daß der Steuerbescheid einerseits und die Entscheidung über eine Steuerfestsetzung im Billigkeitswege andererseits verschiedene Streitgegenstände betreffen. Klagt ein Steuerpflichtiger -- wie im Streitfall der Kläger -- zunächst gegen den Steuerbescheid, um seinen Klageantrag später gegen die Steuerfestsetzung im Billigkeitswege zu richten, so handelt es sich um eine Klageänderung, die nur unter den Voraussetzungen des § 67 FGO zulässig ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 36

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